BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10786 21. Wahlperiode 03.11.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 26.10.17 und Antwort des Senats Betr.: Abschiebungen nach Afghanistan (IX) Trotz der katastrophalen Sicherheitslage wurden am Abend des 24.10.2017 erneut Geflüchtete mit einer Chartermaschine von Leipzig nach Afghanistan abgeschoben. Unter den Abgeschobenen soll mindestens eine Person aus Hamburg gewesen sein. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie viele Personen hatte die zuständige Behörde für die Sammelabschiebung am 24.10.2017 insgesamt vorgesehen? Vier. In wie vielen Fällen wurde die Abschiebung verhindert a. aufgrund einer Eingabe, b. aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung, In keinem Fall. c. aus anderen Gründen? Bitte einzeln darstellen. In einem Fall wurde das nach § 72 Absatz 4 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) erforderliche Einvernehmen der zuständigen Staatsanwaltschaft zur Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht erteilt. In einem weiteren Fall entzog sich die Person der Maßnahme, indem sie nicht zur fälligen Duldungsverlängerung erschien. 2. Nach welchen Kriterien hat die Ausländerbehörde die Personen ausgewählt , die abgeschoben werden sollten beziehungsweise abgeschoben wurden? Bitte detailliert darstellen. Abschiebungen nach Afghanistan sind derzeit bundesweit auf Straftäter, Gefährder und Personen beschränkt, die sich hartnäckig der Identitätsfeststellung verweigern. 3. Bitte machen Sie zu den abgeschobenen Männern die folgenden Angaben , aufgeschlüsselt nach Personen a. Alter, Die Personen waren zum Zeitpunkt der Maßnahme 22 und 23 Jahre alt. b. Dauer des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland bis zur Abschiebung, Eine Person befand sich seit drei Jahren und eine Person seit sechs Jahren in Deutschland. c. Zeiträume, für die der Person ein Aufenthaltstitel erteilt war, und einschlägige Vorschrift des Aufenthaltsgesetzes, Drucksache 21/10786 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Beide Personen waren nie im Besitz eines Aufenthaltstitels. d. Datum eines etwaigen Asylantrages und Daten etwaiger Folgeanträge , Die Asylanträge wurden am 7. November 2011 und 4. September 2014 gestellt. e. War im Zeitpunkt der Abschiebung über einen Folgeantrag noch nicht bestandskräftig beziehungsweise rechtskräftig entschieden? Nein. f. rechtskräftige Verurteilungen der jeweiligen Person zu Straftaten (mit Angabe der einschlägigen Strafvorschrift, der Art der Strafe, des Tatzeitpunktes und des Strafmaßes), In Parlamentarischen Anfragen wird im Hinblick auf das Persönlichkeitsrecht und die gesetzlichen Wertungen des Bundeszentralregistergesetzes grundsätzlich von Angaben zu abgeschlossenen Verfahren abgesehen, die nicht Gegenstand eines Führungszeugnisses wären. Dies vorausgeschickt wird die Frage wie folgt beantwortet: Für eine Person liegen keine strafrechtlichen Verurteilungen vor, die im Führungszeugnis erfasst werden dürfen. Die zweite Person ist ausweislich eines Bundeszentralregisterauszuges vom 4. Oktober 2017 wie folgt verurteilt worden: a. Tatbezeichnung: vorsätzliche Körperverletzung Datum der (letzten) Tat: 10. Februar 2015 Angewendete Vorschrift: § 223 Absatz 1 StGB 35 Tagessätze zu je 3,00 Euro Geldstrafe b. Tatbezeichnung: Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, gefährliche Körperverletzung in zwei Fällen Datum der (letzten) Tat: 19. April 2016 Angewendete Vorschriften: § 224 Absatz 1 Nummer 2, § 223 Absatz 1, § 55, § 53 StGB, § 29 Absatz 1 Nummer 1 BtMG Acht Monate Freiheitsstrafe g. Wurde die Person aus der Strafhaft heraus abgeschoben? Nein. h. Wurde zur Sicherung der Abschiebung Sicherungshaft/Abschiebungshaft beziehungsweise Ausreisegewahrsam angeordnet? Ja, in einem Fall. i. Wurde ein etwaiger Antrag auf richterliche Anordnung von Sicherungshaft beziehungsweise Ausreisegewahrsam vor Festnahme der Person gestellt? In beiden Fällen wurde ein Antrag gemäß § 427 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gestellt und die einstweilige Freiheitsentziehung angeordnet. j. Waren der Ausländerbehörde im Zeitpunkt der Abschiebung aktuelle Erkrankungen bekannt? Bitte auch Erkrankungen angeben, die nicht zu einer Flugreiseuntauglichkeit geführt haben. Es waren keine Erkrankungen bekannt, die zu einer Flugreiseuntauglichkeit geführt hätten. Zu einer Person ist ein ärztliches Attest aus dem Jahr 2014 über eine Abhängigkeit von Alkohol und Cannabis, eine posttraumatische Belastungsstörung und eine schwere depressive Episode bekannt. Eine uneingeschränkte Flugreisetauglichkeit dieser Person wurde am 19. September 2017 festgestellt. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10786 3 k. Gehörte die Person einer ethnischen oder religiösen Minderheit an die in Afghanistan bedroht, geächtet, diskriminiert beziehungsweise verfolgt werden? Bitte detailliert darstellen nach religiösen und ethnischen Minderheiten beziehungsweise Minderheiten sexueller Orientierung . Eine Person gab an, dem christlichen Glauben anzugehören. l. Wie viele der tatsächlich abgeschobenen beziehungsweise zur Abschiebung vorgesehenen, aber nicht abgeschobenen Personen sind Mitglied einer Familie, die aus mehreren Schutzsuchenden besteht? Keine Person. 4. Bitte machen Sie zu dem Personenkreis der für diesen Flug ursprünglich vorgesehenen, aber dann nicht abgeschobenen Personen die Angaben wie in 2. a. bis l., aufgeschlüsselt nach Personen (wenn in Einzelfällen aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes keine Angaben gemacht werden können, bitte möglichst anonymisiert (in groben Zügen) oder in Personenzahlen darstellen). Entsprechend 3. a. Die Personen waren 21 und 32 Jahre alt. Entsprechend 3. b. Die Personen halten sich seit zwei und 26 Jahren in Deutschland auf. Entsprechend 3. c. Eine Person war zuvor im Besitz eines Aufenthaltstitels: Aufenthaltsbefugnis vom 10. Mai 1997 bis 30. Oktober 2000, im Anschluss Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen bis 29. Januar 2003, anschließend Fiktionswirkung zunächst nach § 69 Absatz 3 Ausländergesetz, anschließend nach § 81 Absatz 4 AufenthG vom 11. Dezember 2003 bis 29. August 2006. Entsprechend 3. d. Asylerstanträge wurden am 26. April 1991 und am 24. April 2015 gestellt. Ein Asylfolgeantrag wurde am 22. Oktober 2001 gestellt. Entsprechend 3. e. Nein. Entsprechend 3. f. Zu einer Person sind im Vorgangsverwaltungs- und Bearbeitungssystem der Staatsanwaltschaft Hamburg folgende Daten gespeichert: Tatbezeichnung: Raub Angewendete Vorschrift: § 249 StGB Freiheitsstrafe mit Bewährung Die zweite Person ist ausweislich eines Bundeszentralregisterauszuges vom 4. Oktober 2017 wie folgt verurteilt worden: a. Tatbezeichnung: Unerlaubter Besitz von Betäubungsmitteln Datum der (letzten) Tat: 5. September 2016 Angewendete Vorschriften:§ 29 Absatz 1 Nummer 3 BtMG 30 Tagessätze zu je 8,00 Euro Geldstrafe b. Tatbezeichnung: Diebstahl Drucksache 21/10786 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Datum der (letzten) Tat: 14. Februar 2017 Angewendete Vorschriften: § 242 Absatz 1 StGB 50 Tagessätze zu je 10,00 Euro Geldstrafe c. Tatbezeichnung: Diebstahl Datum der (letzte) Tat: 5. Januar 2017 Angewendete Vorschriften: § 243 Absatz 1 Nummer 2, § 242 Absatz 1 StGB 90 Tagessätze zu je 8,00 Euro Geldstrafe Im Übrigen siehe Antwort zu 3. f. Entsprechend 3. g. Entfällt. Entsprechend 3. h. Nein. Entsprechend 3. i. Nein. Entsprechend 3. j. Es waren keine Erkrankungen bekannt, die zu einer Flugreiseuntauglichkeit geführt hätten. Entsprechend 3. k. Eine Person gibt an, dem christlichen Glauben anzugehören. Entsprechend 3. l. Bei einer Person liegen Erkenntnisse vor, dass sich Familienmitglieder in Deutschland aufhalten. 5. Welche Kosten sind der Freien und Hansestadt Hamburg durch die Durchführung der letzten fünf Abschiebungen nach Afghanistan jeweils wofür entstanden? Falls noch nicht darzustellen, bitte Teilmengen angeben und darstellen, welche Kostenstellen noch nicht bezifferbar sind. Siehe Drs. 21/7710. 6. Wie viele Afghaninnen und Afghanen sind in den vergangenen vier Monaten jeweils freiwillig nach Afghanistan ausgereist? Wie viele davon sind Kinder? Die Angaben sind der folgenden Übersicht zu entnehmen: Monat freiwillige Ausreisen davon Kinder Juni 2017 1 0 Juli 2017 0 0 August 2017 9 6 September 2017 1 0 7. Wie viele Plätze werden Hamburg bei der nächsten Sammelabschiebung „zur Verfügung gestellt“ beziehungsweise will der Senat in Anspruch nehmen? a. Für wann ist diese terminiert? b. Sollen auch Ehepaare, Familien mit Kindern, besonders Schutzbedürftige und/oder allein reisende Frauen abgeschoben werden? Die Planungen sind diesbezüglich noch nicht abgeschlossen. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10786 5 8. Wie viele Straftäter/-innen mit afghanischer Staatsangehörigkeit befinden sich derzeit in hamburgischen Haftanstalten? a. Wie hoch ist jeweils deren Reststrafe? Die Angaben sind der folgenden Übersicht zu entnehmen: Stichtag: 27.10.2017 Anstalten Anzahl Reststrafe Justizvollzugsanstalt (JVA) Billwerder 12 10 Monate und 8 Tage 3 Monate und 25 Tage 1 Monat und 10 Tage 17 Tage 8 Untersuchungshaftfälle JVA Fuhlsbüttel und sozialtherapeutische Anstalt 15 4 Fälle mit lebenslanger Freiheitsstrafe 8 Jahre, 4 Monate und 18 Tage 7 Jahre, 4 Monate und 29 Tage 7 Jahre, 4 Monate und 17 Tage 6 Jahre, 4 Monate und 24 Tage 5 Jahre, 7 Monate und 27 Tage 5 Jahre, 2 Monate und 15 Tage 4 Jahre und 23 Tage 3 Jahre und 15 Tage 2 Jahre, 7 Monate und 24 Tage 2 Jahre, 5 Monate und 18 Tage 1 Jahr, 8 Monate und 23 Tage JVA Glasmoor 3 2 Jahre, 4 Monate und 23 Tage 2 Jahre, 3 Monate und 21 Tage 1 Jahr, 4 Monate und 9 Tage JVA Hahnöfersand 15 2 Jahre, 8 Monate und 16 Tage 1 Jahr, 8 Monate und 11 Tage 1 Jahre, 3 Monate und 30 Tage 10 Monate und 2 Tage 1 Monat und 30 Tage 1 Monat und 11 Tage 9 Untersuchungshaftfälle Untersuchungshaftanstalt 19 1 Monat und 15 Tage 18 Untersuchungshaftfälle b. Sollen beziehungsweise ab wann können sie abgeschoben werden? Die zuständige Behörde ist gesetzlich gehalten, bestehende Ausreisepflichten durchzusetzen . Ob und ab wann eine Rückführung aus der Haft möglich ist, wird in jedem Einzelfall unter Beachtung der Beteiligungserfordernisse gemäß § 72 Absatz 4 Aufenth G und § 456a Strafprozessordnung entschieden.