BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10818 21. Wahlperiode 07.11.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Jörg Hamann (CDU) vom 01.11.17 und Antwort des Senats Betr.: Gutachten zu den Baukosten im Wohnungsneubau Der Senat hat bei der Kieler Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V. (ARGE) ein Gutachten in Auftrag gegeben, durch das ermittelt werden sollte, wie sich die Baukosten in Hamburg im Vergleich zu den anderen Bundesländern und Großstädten darstellen. Die Erhebung, mit dem Betrachtungszeitraum 2014 bis 2016, kommt unter anderem zu dem Ergebnis, dass die Herstellungskosten pro Quadratmeter Wohnfläche in der Freien und Hansestadt Hamburg nur 3 Prozent über dem Durchschnitt anderer Großstädte liegen. Grundsätzlich ist kein einzelner Kostentreiber zu ermitteln, der das Bauen in Hamburg teurer macht. Neben den hohen Grundstückskosten und den erhöhten Anforderungen an den Baugrund, die zum Beispiel Pfahlgründungen sowie zweischalige Fassaden mit Verblendung notwendig machen, gibt es offenbar keine weiteren Ursächlichkeiten, die zu höheren Baukosten in Hamburg führen. Zusammenfassend ist für den Wohnungsneubau in Hamburg festzustellen, dass die Herstellungskosten ein leicht überdurchschnittliches Niveau aufweisen, dieses aber im Wesentlichen auf nicht beeinflussbare grundstücksbezogene Anforderungen sowie höhere bauliche Qualitäten zurückzuführen ist. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Gab es ein Ausschreibungsverfahren zur Vergabe des Gutachtens, und wenn ja, wie stellte sich dieses dar? Wenn nein, warum nicht? Auf der Grundlage des geltenden Vergaberechts und der Landeshaushaltsordnung wurde gemäß § 4 Beschaffungsordnung (BO) das Vergabeverfahren an die Freihändige Vergabe nach der VOL/A angelehnt. Es wurde festgestellt, dass nach § 3 Absatz 5 VOL/A ein Alleinstellungsmerkmal für die seit 70 Jahren bestehende Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen (ARGE) vorliegt, da sie über einen umfassenden Datenbestand zu Baukosten verfügt, bautechnisch und bauwirtschaftlich als Beraterin tätig ist und auch im Rahmen der durch die Bundesregierung gegründeten Baukostensenkungskommission tätig war und diese beratend begleitet hat. Somit hat die ARGE eine sehr hohe Bedeutung und Anerkennung in dem Tätigkeitsfeld der Baukosten und stellt aufgrund ihrer weitgehenden Erfahrungen eine besonders qualifizierte Institution dar. Durch die Auftragsvergabe wurde zudem eine hohe Akzeptanz im Rahmen des Bündnisses für das Wohnen in Hamburg sichergestellt. 2. Was hat das Gutachten gekostet und welche weiteren Kosten sind für das Gutachten gegebenenfalls angefallen? Drucksache 21/10818 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Für das Gutachten ist mit dem Auftragnehmer ein Festhonorar in Höhe von 91.600 Euro vertraglich vereinbart worden. In dem Honorar ist die Umsatzsteuer nicht enthalten . 3. Welche neuen Erkenntnisse im Hinblick auf die Baukosten wurden durch das Gutachten herausgearbeitet? Das Gutachten kommt zu folgenden wesentlichen Ergebnissen: In Hamburg wird nicht teurer gebaut als in anderen deutschen Großstädten. Im Rahmen des Gutachtens wurden die Baukosten in Hamburg mit den Werten aus Berlin, München, Stuttgart, Frankfurt, Dortmund, Düsseldorf, Köln, Mainz, Kassel, Jena, Nürnberg, Dresden, Hannover, Bremen, Magdeburg, Kiel und Rostock verglichen. In Hamburg liegen die Herstellungskosten ohne Grundstückskosten im Median (der Median gibt den Zentralwert der analysierten Kostendaten an) bei rund 2.727 Euro/m² Wohnfläche und damit circa 80 Euro/m² Wohnfläche (3 Prozent) über dem Median der anderen Großstädte, der bei rund 2.644 Euro/m² Wohnfläche liegt. Dabei ergibt sich in Hamburg eine Kostenspanne von 2.035,41 – 5.012.59 Euro/m² Wohnfläche, bei den anderen Großstädten liegt die Kostenspanne bei 2.122,45 – 5.038,07 Euro/m² Wohnfläche . Unterschiede ergeben sich insbesondere durch Hamburgs Lage am Wasser, die hohe Anforderungen an den Wohnungsbau mit sich bringt. Die Lage Hamburgs am Wasser führt auf vielen Grundstücken zu höheren Anforderungen als in anderen Städten. Der spezielle Baugrund erfordert in der Bauphase und bei der Gründung besondere Maßnahmen , wie zum Beispiel für Wasserhaltung, Pfahlgründung und eine Weiße Wanne (wasserundurchlässige Stahlbetonkonstruktion, zum Beispiel bei Fundamenten), was zu höheren Kosten führt. In Hamburg sind die Grundstückskosten im Median um rund 13 Prozent höher als in anderen Großstädten in Deutschland. Die Kosten liegen hier im Median bei 663,78 Euro/m² Wohnfläche gegenüber 588,84 Euro/m² Wohnfläche in anderen Städten. Die Kostenspanne erstreckt sich von 265,65 – 2.120,71 Euro/m² Wohnfläche in Hamburg und von 251,15 – 2.228,63 Euro/m² Wohnfläche in den anderen deutschen Großstädten . Es gibt keinen einzelnen überragenden Kostentreiber. Maßgeblich ist die Summe aller relevanten Kostenfaktoren. Das Gutachten hat 42 solcher Faktoren identifiziert. Die wichtigsten Kostenfaktoren nach Höhe und Häufigkeit sind in Hamburg: Tiefgaragen, Keller, höhere energetische Standards, Balkone/Loggien und die Fassadengestaltung. Einfache „Rezepte“ zur Reduzierung der Baukosten sind nicht ableitbar; es gibt aber Möglichkeiten, um Kosten zu mindern. Projektgröße, Dichte und Kompaktheit der Vorhaben sind kostenrelevant. Projekte mit bis zu zehn Wohnungen sind um 6 Prozent teurer als der Durchschnitt, große Projekte über 100 Wohnungen um 5 Prozent günstiger . Zudem kann kompaktes Bauen die Kosten um 2 Prozent senken und die Vergabe an einen Generalunternehmer den Bau um 4 bis 7 Prozent teurer machen als die Einzelvergabe. Hamburger Investoren bauen nachhaltig und in guter Qualität. Sie tun das zu einem großen Teil ohne öffentliche Verpflichtung. Der Bau von Tiefgaragen, Kellern, Balkonen oder Aufzugsanlagen basiert nur teilweise auf Vorschriften oder Vorgaben. Etwa zur Hälfte werden aufwändige Fassaden zum Beispiel mit Klinkern gestaltet oder auch höhere energetische Standards freiwillig realisiert. Überwiegend aufgrund städtischer Auflagen werden Maßnahmen wie beispielsweise Regenwasserrückhaltung, Gründächer oder Anforderungen an die Barrierefreiheit von Gebäuden realisiert. Auch in Hamburg gibt es Gebäude mit Bauwerkskosten von circa 1.800 Euro/m² Wohnfläche. Bauwerkskosten (das sind die Kostengruppen 300/400 und der größte Teil der Herstellungskosten) von circa 1.800 Euro/m² Wohnfläche sind grundsätzlich möglich und schon jetzt in 5 Prozent der untersuchten Hamburger Bauvorhaben umgesetzt worden. 4. Gibt es sonstige neue Erkenntnisse, die der Behörde vorher nicht bekannt waren? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10818 3 Wenn ja, welche? Nein. 5. Welche Punkte der ableitenden Handlungsempfehlungen werden aufgegriffen , beziehungsweise was unternimmt der Senat, um die Bauherstellungskosten in Hamburg zukünftig zu senken? Die zuständige Behörde wird zunächst einmal die Ergebnisse des Gutachtens im Bündnis für das Wohnen in Hamburg und auf Fachkonferenzen diskutieren und dann entscheiden, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen geeignet sind, die Bauherstellungskosten /Gestehungskosten (KG 200 bis 700) zu senken.