BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10822 21. Wahlperiode 07.11.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 01.11.17 und Antwort des Senats Betr.: Task Force gegen Drogendealer (VI) – Rechtswidriges Racial Profiling durch die Polizei Hamburg Einem Bericht der „tageszeitung“ Nord vom 29.10.17 zufolge hat die Polizei vor dem Verwaltungsgericht eingeräumt, dass die verdachtsunabhängige Kontrolle eines Mannes mit schwarzer Hautfarbe rechtswidrig war. Zunächst war der Togolese am 14.11.2016 kontrolliert und sogar zum Revier gebracht worden, obwohl er sich ausweisen konnte. Am 9.1.2017 dann kontrollierte ihn die Polizei erneut im Rahmen eines Schwerpunkteinsatzes der „Task Force Drogen“ im früheren „Gefahrengebiet“ und heutigen „Gefährlichen Ort“, obwohl keine „weiteren Auffälligkeiten“ vorgelegen hätten, also offenbar allein aufgrund seiner Hautfarbe. In diesem Fall gab die Polizei dem „tageszeitung “-Bericht zufolge die Rechtswidrigkeit zu. In der Bundesrepublik gibt es inzwischen etliche Urteile zum Komplex „Racial Profiling“. So urteilte das OVG Rheinland-Pfalz am 21.4.2016, dass die Personenkontrolle gegen dunkelhäutigen Mann mit schwarzer Hautfarbe gegen Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 GG verstoßen hat, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass die Hautfarbe ein die Entscheidung zur Durchführung der Kontrolle tragendes Kriterium unter mehreren war (7 A 11108/14.OVG). Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Polizei handelt nach rechtsstaatlichen und verfassungsgemäßen Grundsätzen; dabei sind die Herkunft und/oder die Hautfarbe von Personen keine Kriterien für polizeiliches Einschreiten. Nach polizeilichen Erkenntnissen hat sich in St. Pauli im Bereich der Balduintreppe sowie der angrenzenden Straßen eine Szene aus Betäubungsmittel(BtM)-Händlern gebildet, die dort ganztägig Betäubungsmittel an Besucher des Vergnügungsviertels St. Pauli sowie an sonstige Konsumenten verkaufen. Das betroffene Gebiet erstreckt sich über die Straßenzüge Bernhard-Nocht-Straße, Balduinstraße, Balduintreppe sowie teilweise Erichstraße, in den Nachtstunden bis zur Silbersackstraße. Im genannten Gebiet werden täglich BtM-Händler festgestellt, die zum Teil sehr offensiv Betäubungsmittel anbieten und sich dabei teilweise gegenüber Passanten und Anwohnern auch aggressiv verhalten. Es gibt dazu eine erhebliche Hinweislage von Anwohnern des betroffenen Gebiets gegenüber der Polizei. Darüber hinaus beschweren sich Gewerbetreibende und Anwohner bei der Polizei über die Anwesenheit der BtM-Händler. An dem wahrnehmbaren BtM-Handel beteiligen sich nach den polizeilichen Erkenntnissen überwiegend Personen afrikanischer Herkunft. Die Anzahl der in dem genannten Gebiet von der Polizei festgestellten BtM-Händler hatte sich in den Monaten vor dem April 2016 stetig erhöht; siehe auch Drs. 20/13465. Aus diesem Grund führt die Drucksache 21/10822 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Polizei seit dem 20. April 2016 verstärkt Schwerpunkteinsätze zur Bekämpfung der öffentlich wahrnehmbaren Drogenkriminalität in den genannten Bereichen durch. Die Schwerpunkteinsätze werden sowohl mit repressivem Ansatz durch den gezielten Einsatz von Zivilfahndern als auch durch präventiv wirkende offensive Präsenzmaßnahmen uniformierter Kräfte durchgeführt. Die vorgenannten Örtlichkeiten liegen innerhalb des eingerichteten gefährlichen Ortes „BtM-Kriminalität St. Pauli“. Adressaten gezielter polizeilicher Maßnahmen sind Personen, die aufgrund des Antreffortes und ihres Verhaltens als potenzielle BtM-Händler oder BtM-Erwerber (Konsumenten) bei Zutreffen in der Regel mehrerer der folgenden Kriterien in Betracht kommen: Potenzielle BtM-Händler, - die im Alter zwischen 16 und 40 Jahren sind und - die im Gefahrengebiet aktiv auf potenzielle BtM-Erwerber zugehen oder - die durchgängig eine Präsenz zeigen, die sich nicht aus einer erkennbaren Situation als Anwohner, Besucher oder aus einer beruflichen Funktion erklärt oder die ein konspiratives Verhalten zeigen, indem sie arbeitsteilig vorgehen, sich gegenseitig abschirmen und eine Gegenaufklärung durchführen oder - die ein ausgeprägtes Fluchtverhalten gegenüber der Polizei zeigen. Potenzielle BtM-Erwerber, - die bekannte Örtlichkeiten aufsuchen, an denen sich BtM-Dealer aufhalten, - die konspiratives Verhalten bei der Ausschau nach BtM-Dealern zeigen. Im Übrigen siehe Drs. 21/6269. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Inwiefern trifft zu, dass die Polizei die Rechtswidrigkeit der Kontrolle des Mannes mit schwarzer Hautfarbe zugegeben hat? 2. Worin konkret lag in diesem Fall nach Ansicht des Senats beziehungsweise der zuständigen Behörde der Rechtsverstoß und welche Rechte der betroffenen Person wurden durch welche konkrete Handlung inwiefern verletzt? 3. Welche Schlussfolgerungen ziehen der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde aus der rechtswidrigen Kontrolle eines Mannes mit schwarzer Hautfarbe? Welche Maßnahmen werden in der zuständigen Behörde erörtert und ausgearbeitet, um zukünftig diskriminierende Kontrollen zu vermeiden? Vor dem Verwaltungsgericht Hamburg ist derzeit eine Fortsetzungsfeststellungsklage unter dem Aktenzeichen 20 K 1515/17 anhängig, die zwei Kontrollen des Klägers am 15. November 2016 und am 9. Januar 2017 zum Gegenstand hat. Die Polizei hat nach einer differenzierten Bewertung der zugrunde liegenden Einzelsachverhalte eine Stellungnahme an das Gericht abgegeben, in der zu einer der Kontrollen in Kenntnis aller jetzt vorliegenden Informationen die Überprüfung, aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls als nicht verhältnismäßig gewertet wurde. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 4. Welche Urteile mit welchem Tenor hinsichtlich der Rechtmäßigkeit von Kontrollen anhand der Hautfarbe sind der zuständigen Behörde bekannt und inwiefern haben die Feststellungen dieser Urteile konkret Eingang in Ausbildung und Praxis der Behörden gefunden? Die Polizei wertet aktuelle Rechtsprechungen regelmäßig aus, bewertet sie und setzt diese in Aus- und Fortbildung sowie Praxis um. Dieses ist auch auf Grundlage von veröffentlichten einschlägigen gerichtlichen Entscheidungen zu Kriterien bei Personenkontrollen erfolgt.