BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10840 21. Wahlperiode 10.11.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Nebahat Güçlü (fraktionslos) vom 02.11.17 und Antwort des Senats Betr.: Aktionsplan für Akzeptanz geschlechtlicher und sexueller Vielfalt (IV) Anfang des Jahres hat der Senat seinen Aktionsplan für Akzeptanz geschlechtlicher und sexueller Vielfalt vorgelegt. Ein Großteil der Maßnahmen zielt darauf ab, das Vertrauen in Behörden und Institutionen zu stärken, insbesondere ein positives Verhältnis zu den Strafverfolgungsbehörden ist für die konsequente Gewährleistung der gesellschaftlichen Gleichstellung und Akzeptanz von LSBTI essenziell. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Über die erfragten Sachverhalte hat der Senat zuletzt unter anderem mit den Drs. 21/2517, 21/7147, 21/8279, 21/10191 sowie 21/10839 berichtet. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1) Welche neuen Inhalte sind 2017 im Rahmen der Aus- und Fortbildung der Polizei zur geschlechtlichen und sexuellen Vielfalt eingebracht worden ? Welche bereits bestehenden Inhalte werden auch weiterhin Teil der Aus- und Fortbildung der Polizei zur geschlechtlichen und sexuellen Vielfalt sein und warum (Maßnahme 80)? Die Inhalte der themenbezogenen Aus- und Fortbildung der Polizei zur geschlechtlichen und sexuellen Vielfalt sind im erfragten Zeitraum grundsätzlich unverändert, werden gleichwohl anlassbezogen aktualisiert. Zu nennen sind hier insbesondere Aspekte wie Historie im Umgang mit LSBTI*, Informationen über die Vielfalt und Bedarfe dieser Minderheiten zur allgemeinen Sensibilisierung des Polizeivollzuges, rechtliche Aspekte sowie fachliche Standards bei der Vorgangsfertigung. Im Übrigen siehe Drs. 21/2517. Die dargestellten Inhalte sind auch weiterhin Teil der Aus- und Fortbildung der Polizei, da sie als wichtiger Teil der Allgemeinbildung und der rechtlichen Aus- und Fortbildung der Polizeibeamten angesehen werden. Sie tragen zur Sensibilisierung im Umgang mit Minderheiten bei. Darüber hinaus erhöhen diese Maßnahmen den Bekanntheitsgrad der LSBTI*-Ansprechpersonen. 2) Seit Ende 2014 gibt es Ansprechpersonen für LSBTI* bei der Polizei. a) Wie ist die bisherige Wahrnehmung des Angebots? b) Ursprünglich wurden vier Ansprechpartner benannt, inzwischen sind es zwei hauptamtliche Mitarbeiter. Aus welchen Gründen erfolgte diese Änderung? Die Polizei Hamburg verfügt seit dem Jahr 1996 über Ansprechpersonen für LSBTI*, zuletzt waren vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Nebenamt tätig. Bei der letzten Umstellung des entsprechenden Personalkonzepts im Jahr 2016 wurden zwei Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Hauptamt mit den entsprechenden Aufgaben betraut. Drucksache 21/10840 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Dabei stand insbesondere die zum Vertrauensaufbau erforderliche Kontinuität der Kontakte in die Community im Vordergrund. Hierzu wurde unter anderem die proaktive Arbeit der beiden Ansprechpartner LSBTI* in externen wie auch in polizeiinternen Netzwerken verstärkt. Ziel ist dabei unter anderem, zu einer Aufhellung des Dunkelfeldes im Bereich der Straftaten zum Nachteil der Community beizutragen. Zudem wurde die Funktion der Ansprechpartner innerhalb der Polizei bekannt(er) gemacht. Im Übrigen siehe Vorbemerkung sowie Antwort zu 2. d). Die Rückmeldungen zur Tätigkeit der LSBTI*-Ansprechpersonen sind intern wie extern positiv. Grundsätzlich ist eine gestiegene Akzeptanz gegenüber LSBTI*- Themen im polizeilichen Vollzug festzustellen. Eine vergleichbare Entwicklung ist durch die intensive Netzwerkarbeit auch in der Community gegenüber der Arbeit der Polizei zu beobachten. c) Welche Qualifikation bringen die Ansprechpersonen für LSBTI* mit? Die fachlichen Anforderungen an LSBTI*-Ansprechpersonen sind vielfältig: umfangreiche Fach- und Methodenkenntnisse, ausgeprägte Konflikt- und Kommunikationsfähigkeiten , Analyse- und Urteilsfähigkeiten, die Fähigkeit zur Repräsentation sowie zur Wahrnehmung themenbezogener Referententätigkeiten. Außerdem sind selbstständig Netzwerke zu identifizieren, anzusprechen und zu bedienen. Erwartet werden zudem eine ausgeprägte Empathie und Sensibilität für Lebensweisen von LSBTI* sowie die fortwährende und anhaltende Bereitschaft zur eigenen Fortbildung und Weiterentwicklung . d) Welche Aktivitäten sind 2015, 2016 und 2017 von den Ansprechpersonen für LSBTI* ausgegangen beziehungsweise in Mitarbeit durchgeführt worden? a) Wie viele Beratungen von betroffenen Einzelpersonen fanden statt? b) Welche Maßnahmen zur Sensibilisierung von freien Trägern, Beratungsstellen, Behörden und Institutionen wurden durchgeführt ? c) Wie viele Multiplikatoren-Schulungen von Polizeiangehörigen fanden statt mit wie vielen Teilnehmern? d) Welchen Inhalt haben die Multiplikatoren-Schulungen und welchen zeitlichen Umfang? e) Gab es seit ihrem Bestehen Fälle, in denen die LSBTI*- Ansprechpersonen zur qualifizierten Unterstützung kriminalpolizeilicher Ermittlungen herangezogen worden sind? Aktivitäten der LSBTI*-Ansprechpersonen wie Einzelberatungen, Maßnahmen zur Sensibilisierung, Vorträge, Präsentationen, Begleitung von Workshops, Teilnahme an Runden Tischen, Unterrichte und allgemeine Repräsentationsaufgaben im Sinne der Fragen werden statistisch nicht erfasst. Dieses gilt auch für erbrachte Unterstützungsleistungen bei kriminalpolizeilichen Ermittlungen. Seit Umstellung des PK auf zwei hauptamtliche Kräfte haben noch keine Multiplikatorenschulungen stattgefunden. 3) Wie hat sich das Anzeigenverhalten entwickelt seit es Ansprechpartner für LSBTI* bei der Polizei gibt? Die Entwicklung der Zahl registrierter einschlägiger Straftaten seit 2014 lässt auch auf eine Verbesserung des Anzeigeverhaltens schließen; siehe hierzu Drs. 21/10191. 4) Welche Maßnahmen wurden bislang getroffen, um die Anzeigenbereitschaft von LSBTI* zu erhöhen? Siehe Antworten zu 2. a) und b), 2. c) und 2. d). 5) Konnten bereits Fahndungserfolge veröffentlicht oder Fälle identifiziert werden, die sich zur Veröffentlichung als anonymisierte Beispielfälle eignen (Maßnahme 84)? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10840 3 Bislang wurden der Staatsanwaltschaft keine Fälle bekannt, die sich für eine anonymisierte Veröffentlichung eignen. Die oben genannten polizeilichen Ansprechpartner nutzen gleichwohl in ihrer Netzwerk- und Informationsarbeit innerhalb der Community ihnen bekannte Einzelfälle von Straftaten beziehungsweise deren Verfolgung informell zur Werbung für eine Steigerung der Anzeigebereitschaft, dies allerdings unter der strikten Bedingung des vorherigen Einverständnisses der betroffenen Opfer. 6) In wie vielen Fällen hat die Abteilung 71 der Staatsanwaltschaft Hamburg seit ihrem Bestehen Ermittlungen in Verfahren übernommen? Bitte nach Jahren aufschlüsseln. Der Umstand, ob ein Ermittlungsverfahren wegen einer Straftat, die aufgrund der geschlechtlichen oder sexuellen Ausrichtung des Opfers zum Nachteil einer Person aus der Gruppe der LSBTI* begangen wurde oder wegen einer generellen Diskriminierung dieser Gruppe geführt wird, wird im Vorgangsverwaltungs- und -bearbeitungssystem MESTA der Staatsanwaltschaft Hamburg nicht erfasst. In der Abteilung 71 gibt es zwar seit dem 1. Januar 2015 eine Sonderzuständigkeit für derartige Delikte, nicht aber ein Sonderdezernat, das automatisiert in MESTA abgefragt werden könnte. In den Jahren 2015 und 2016 wurde durch den zuständigen Abteilungsleiter eine Liste mit den entsprechenden Verfahren geführt, die aber 2017 insbesondere auch wegen des erhöhten Arbeitsaufkommens bei Verfahren im Zusammenhang mit der OSZE-Tagung und dem G20-Gipfel nicht weitergeführt wurde . Im Übrigen hatten die ersten Jahrgänge gezeigt, dass die Verfahrenszahlen keine strukturellen Anpassungen in der Abteilung erforderten. Im Übrigen siehe Drs. 21/10191. Die in Betracht kommenden Verfahren werden in den Registern 7101 Js und 7101 UJs erfasst und betreffen insbesondere Vorwürfe wegen §§ 130, 185 fortfolgende und 223 fortfolgende StGB. Eine Aussage zu den Verfahrenszahlen für 2017 könnte nur bei händischer Auswertung aller Verfahren aus den genannten Registern (zurzeit insgesamt circa 1.800 Verfahren) erfolgen, was im Rahmen der zur Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich ist. 7) Wie viele Gewaltvorfälle sind dem Magnus-Hirschfeld-Centrum dieses Jahr gemeldet worden? Wie viele Fälle in 2016? Wenn möglich, bitte Angaben machen zu den Punkten zwölf bis 15 des internen Meldebogens ? Das Magnus-Hirschfeld-Centrum e.V. (mhc) hat im Jahr 2016 insgesamt 63 Beratungen zum Thema Gewalt/Diskriminierung durchgeführt. Im ersten Halbjahr 2017 haben insgesamt 16 Beratungen zu der Thematik stattgefunden. Da die Beratungsinhalte nicht per Meldebogen gemeldet worden sind, können keine Angaben zu den Tätern und Täterinnen, der Motivation und/oder dem Anzeigeverhalten gemacht werden. 8) Welche Fortbildungen zu homo- und transphob* motivierter Gewalt wurden 2017 für Opferschutzeinrichtungen angeboten? Welche Einrichtungen haben daran teilgenommen? Durch wen erfolgte die Fortbildung? Grundsätzlich stehen die LSBTI*-Ansprechpersonen der Polizei Hamburg Opferschutzeinrichtungen für Fortbildungen zu homo- und transphob* motivierter Gewalt zur Verfügung. Die angefragten Fortbildungen werden mit anlassbezogenen Schwerpunkten unterlegt. Im Übrigen siehe Antworten zu Frage 2. Das mhc hat im erfragten Zeitraum eine Schulung für Mitarbeitende des Weißen Rings durchgeführt. Seitens der Justizbehörde/Staatsanwaltschaft haben keine Fortbildungen stattgefunden. Im Übrigen siehe Drs. 21/10839.