BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10847 21. Wahlperiode 10.11.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 02.11.17 und Antwort des Senats Betr.: Belastung der Hamburger Justiz – Weiterhin hohe Belastung am Landgericht ? (III) Die Belastung der Hamburger Justiz hält auch am Landgericht weiter an. Die Fehlzeiten steigen dramatisch. Beim Landgericht stieg die gesamte Fehlzeitenquote auf über 10 Prozent bei den Teilzeitstellen der Geschäftsstelle an.1 Richter/-innen waren im 1. Quartal 2017 teilweise doppelt so häufig krank wie im Durchschnitt des gesamten Jahres 2016.2 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Belastungssituation der gesamten Justiz wird ständig überprüft. Unter anderem erfolgt dies regelmäßig zu den Quartals- und Halbjahresberichten sowie im Rahmen der Haushaltsaufstellung und darüber hinaus im Zusammenhang mit aktuellen Ereignissen oder Meldungen. Auf dieser Basis und aufgrund der Arbeitsberichte der Gerichte und Staatsanwaltschaften wird auch über den Einsatz des Richterpools entschieden . Flankierend wurden Maßnahmen ergriffen, um Abwesenheiten auszugleichen , die im Richterbereich durch längere Erkrankungen oder Abordnungen entstanden sind. Die zuständige Behörde befindet sich im Übrigen fortlaufend im Gespräch mit dem Landgericht zur Erörterung der personellen Entwicklung. Dabei werden insbesondere Fragen des Personalbedarfs in den Blick genommen. Deshalb hat der Senat, zusätzlich zu den Stellen, die in der Antwort zur Drs. 21/9410 aufgeführt sind, als jüngste Maßnahme zur Verstärkung des Landgerichts drei Stellen für Vorsitzende Richterinnen und Richter (R 2) und zwei Stellen für Richterinnen und Richter am Landgericht (R 1) geschaffen. Die Entscheidung über die Geschäftsverteilung und damit dem konkreten Einsatz obliegt dem Präsidium des Landgerichts. Zudem ist der Servicebereich um vier VZÄ-Stellen verstärkt worden. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie hoch sind die Fallzahlen bezogen auf Eingänge, Bestände und Erledigungen bei den Strafkammern und Zivilkammern am Landgericht? (Bitte darstellen für 2016 bis September 2017 und nach Kammern gliedern .) a. Wie viele Nichthaftsachen bei den Strafkammern sind nicht beendet worden (bitte den Zeitraum von 2016 bis September 2017 betrachten und die Situation bei Verfahren Untersuchungshaft darstellen)? 1 Vergleiche Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/10466 vom 29.09.2017. 2 Vergleiche Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/9410 vom 20.06.2017. Drucksache 21/10847 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 b. Wie viele Verfahren sind in den Baukammern am Landgericht in dem Zeitraum 2016 bis September 2017 eingegangen und wie viele sind in dieser Zeit erledigt worden (bitte auch nach Großverfahren differenzieren)? c. Wie viele Verfahren sind in den Schwurgerichtskammern am Landgericht in dem Zeitraum 2016 bis September 2017 eingegangen und wie viele sind in dieser Zeit erledigt worden? d. Wie viele Verfahren sind in den Wirtschaftsstrafkammern am Landgericht in dem Zeitraum 2016 bis September 2017 eingegangen und wie viele sind in dieser Zeit erledigt worden (bitte auch nach Großverfahren differenzieren)? e. Inwieweit stellen Großverfahren eine überdurchschnittliche Belastung in den Kammern am Landgericht dar? Was wird der Senat unternehmen, um diese Situation zu verbessern? 2. Wie lange dauern durchschnittlich Verfahren am Landgericht (bitte nach Strafkammern, Zivilkammern insbesondere Verfahren Baukammern, Verfahren Schwurgerichtskammer, Verfahren Wirtschaftsstrafkammern und Verfahren Untersuchungshaft sowie weitere eilbedürftige Verfahren für den Zeitraum 2016 bis September 2017 darstellen)? Die Nichthaftsachen werden nicht über eine standardisierte Statistik abgebildet. Vielmehr wird seit 2013 eine Handliste beim Landgericht ausschließlich für die großen Strafkammern (ohne Strafvollstreckungskammern, nur erstinstanzliche Verfahren) geführt, aus der ein tagesaktueller Stand abgelesen werden kann. Die Haftsachen (Differenz von Bestand und Nichthaftsachen) sind Untersuchungshaftsachen oder Fälle einstweiliger Unterbringung und können im Falle der Untersuchungshaftsachen auch solche sein, bei denen der/die Betroffene außerdem eine Haftstrafe in anderer Sache verbüßt. Dieses vorausgeschickt beträgt die Anzahl der nicht beendeten Nichthaftsachen zum Stichtag 25. Oktober 2017 insgesamt 137 Verfahren. Die folgenden Daten sind den Ergebnistabellen der Zählkartenstatistik entnommen, sie werden vom Statistikamt Nord quartalsweise erstellt. Die Daten der Zivilsachen für das 3. Quartal 2017 liegen noch nicht vor. Großverfahren werden in der Statistik schon deshalb nicht erfasst, weil es für diesen Begriff keine feste Definition gibt. Insofern ist auch keine Aussage darüber möglich, inwieweit sogenannte Großverfahren eine überdurchschnittliche Belastung in den Kammern des Landgerichts darstellen. Die Belastung der Baukammern ist genauso Teil der Gesamtbewertung der Belastung , wie die anderer Zivil- und Strafkammern. Der Ausgleich der Belastung der Kammern untereinander liegt in der Verantwortung des Präsidiums des Landgerichts. Dies vorangestellt sind die erfragten Daten der folgenden Tabelle zu entnehmen: Zivilkammern 1. Instanz 2016 1. Quartal 2017 2. Quartal 2017 Neuzugänge 15.019 3.802 3.003 Erledigungen 14.561 4.021 3.416 Bestand 14.699 14.480 14.067 durchschnittliche Verfahrensdauer in Monaten 10,7 10,1 10,8 Zahl der Termine insgesamt (ohne Verkündungstermine) 11.436 2.908 2.628 darunter Bausachen * Neuzugänge 897 218 196 Erledigungen 901 234 219 Bestand 1.394 1.378 1.355 durchschnittliche Verfahrensdauer 16,2 15,5 19,7 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10847 3 Zivilkammern 1. Instanz 2016 1. Quartal 2017 2. Quartal 2017 in Monaten Zahl der Termine insgesamt (ohne Verkündungstermine) 1.217 291 301 Zivilkammern Berufungsinstanz 2016 1. Quartal 2017 2. Quartal 2017 Neuzugänge 1.447 356 346 Erledigungen 1.597 402 384 Bestand 1.094 1.048 1.010 durchschnittliche Verfahrensdauer in Monaten 8,9 10,2 8,6 Zahl der Termine insgesamt (ohne Verkündungstermine) 846 240 241 darunter Bausachen * Neuzugänge 39 12 12 Erledigungen 31 9 7 Bestand 37 40 45 durchschnittliche Verfahrensdauer in Monaten 11,1 11,3 10,8 Zahl der Termine insgesamt (ohne Verkündungstermine) 21 8 5 * Hier werden Verfahren ausgewiesen, die das Sachgebiet 10, „Bau-/Architektensachen (ohne Architektenhonorarsachen)“ betreffen. Eine Bausache liegt vor, wenn das Verfahren Forderungen aus Werk- oder Werklieferungsverträgen betrifft, die aufgrund von Bauvorhaben geschlossen worden sind, insbesondere wenn der Schwerpunkt der Streitigkeit in einem Streit um bauwerkbezogene Mängel (§ 634a Absatz 1 Nummer 2 BGB) liegt. Strafsachen I. Instanz 2016 1. Quartal 2017 2. Quartal 2017 3. Quartal 2017 Große Strafkammer Neuzugänge 227 63 68 68 Erledigungen 219 55 63 53 Bestand 144 152 157 173 durchschnittliche Verfahrensdauer in Monaten 6,4 4,8 5,6 5,8 Hauptverhandlungstage insgesamt 922 214 266 302 Schwurgericht Neuzugänge 44 8 10 21 Erledigungen 43 6 13 13 Bestand 28 30 27 35 durchschnittliche Verfahrensdauer in Monaten 5,2 5,6 6,7 5,0 Zahl der Termine insgesamt (ohne Verkündungstermine) 388 57 188 86 Wirtschaftsstrafkammer Neuzugänge 15 4 6 7 Erledigungen 22 7 3 2 Bestand 28 25 28 33 durchschnittliche Verfahrensdauer in Monaten 22,8 18,6 24,0 47,1* Hauptverhandlungstage insgesamt 327 40 13 3 Jugendkammer Neuzugänge 29 7 12 6 Erledigungen 30 6 10 12 Drucksache 21/10847 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Strafsachen I. Instanz 2016 1. Quartal 2017 2. Quartal 2017 3. Quartal 2017 Bestand 19 20 22 16 durchschnittliche Verfahrensdauer in Monaten 4,4 14,1 ** 5,0 4,0 Hauptverhandlungstage insgesamt 157 52 44 62 Strafsachen Berufungsinstanz 2016 1. Quartal 2017 2. Quartal 2017 3. Quartal 2017 Kleine Strafkammer (Strafrichter ) Neuzugänge 1.308 334 343 317 Erledigungen 1.209 314 315 276 Bestand 603 620 648 689 durchschnittliche Verfahrensdauer in Monaten 4,1 4,3 4,2 5,4 Hauptverhandlungstage insgesamt 1.190 300 301 231 Kleine Strafkammer (Schöffen ) Neuzugänge 193 51 68 64 Erledigungen 184 53 47 41 Bestand 117 115 136 159 durchschnittliche Verfahrensdauer in Monaten 5,5 5,2 5,6 6,4 Hauptverhandlungstage insgesamt 299 100 64 46 Wirtschaftsstrafkammer Neuzugänge 17 23 10 9 Erledigungen 10 6 10 11 Bestand 37 54 54 52 durchschnittliche Verfahrensdauer in Monaten 10,3 9,5 18,4 10,9 Hauptverhandlungstage insgesamt 8 12 18 2 Große Jugendkammer Neuzugänge 85 20 28 25 Erledigungen 97 17 23 25 Bestand 19 22 27 27 durchschnittliche Verfahrensdauer in Monaten 2,7 3,0 2,3 2,3 Hauptverhandlungstage insgesamt 91 21 22 21 Kleine Jugendkammer Neuzugänge 58 17 18 15 Erledigungen 53 21 14 14 Bestand 16 12 16 17 durchschnittliche Verfahrensdauer in Monaten 2,1 1,9 3,1 2,1 Hauptverhandlungstage insgesamt 31 17 10 10 * Im 3. Quartal wurden zwei ungewöhnlich aufwändige Verfahren erledigt, die länger als 36 Monate anhängig waren. Dadurch ist die Anzahl der Erledigungen und der Verfahrensdauer nicht mit den Vormonaten vergleichbar und entspricht nicht dem Durchschnitt. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10847 5 ** Von den sechs erledigten Verfahren ist ein Verfahren länger als 36 Monate anhängig gewesen , sodass der die durchschnittliche Verfahrensdauer im 1. Quartal 2017 ungewöhnlich hoch ausfällt. 3. Wie hoch ist der Krankenstand bezogen auf die Vollzeitäquivalente und die Teilzeitstellen bei den Strafkammern, den Zivilkammern des Landgerichts (bitte die tatsächlichen Zahlen und in Prozenten in dem Zeitraum 2016 bis September 2017 bezogen auf die Kammern, die Richter/-innen und Geschäftsstellen darstellen)? Was sind Hauptursachen für gegebenenfalls Anstieg der Krankenstand/Krankenquote? Hinsichtlich der Fehlzeiten für 2016 wird auf die Drs. 21/9410 verwiesen. Es liegt kein Anstieg der Fehlzeiten vor. Januar bis Juli 2017 Landgericht Teilzeit Vollzeit Gesamt Berufskategorien Tage Prozent Tage Prozent Tage Prozent Bürofach-/Bürohilfskräfte 770,7 10,5% 1.666,0 8,4% 2.436,7 9,0% Richter/-innen, Staatsanwälte /-innen 217,4 4,4% 685,0 2,4% 902,4 2,7% Berufskategorien Gesamt 988,1 8,1% 2.351,0 4,9% 3.339,1 5,5% Hinweis: Die Fehlzeiten für 2017 liegen nur bis Juli 2017 gesichert vor. 4. Wie viele Sitzungstage in Strafsachen und in Zivilsachen hatten Hamburger Richter/-innen von 2016 bis September 2017 am Landgericht zu bewältigen? Siehe Antwort zu 1. und 2. 5. Wie viele Richterinnen und Richter am Landgericht haben in 2016 bis September 2017 den gesetzlichen Anspruch auf Elternzeit in welchem Umfang wahrgenommen? Wie wurden diese Stellen besetzt? Beurlaubungen wegen Elternzeit werden statistisch nicht erfasst. Zur exakten Beantwortung der Frage müssten mehrere Hundert Personalakten aller im fraglichen Zeitraum am Landgericht Hamburg tätigen Richterinnen und Richtern ausgewertet werden . Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. In gerichtsinternen Unterlagen ist seit 2016 für insgesamt 23 Richterinnen und Richter Elternzeit mit einer durchschnittlichen Dauer von acht Monaten vermerkt. Sofern es sich um einen längeren Zeitraum handelt, in dem Elternzeit genommen wurde, wurden diese Stellen grundsätzlich nachbesetzt. Bei kurzfristigen Elternzeiten erfolgt (seit Ende 2016) ein pauschaler Ausgleich auf der Basis der durchschnittlichen kumulierten Abwesenheiten der Vorjahre. 6. Welche baulichen Maßnahmen werden derzeit am Landgericht in welchem Zeitraum durchgeführt (bitte Kosten anführen)? Welche weiteren Baumaßnahmen sind noch in Planung? Gibt es dazu Abweichungen von den ursprünglichen Planungen? Wenn ja, welche und warum? Ziviljustizgebäude: Die angegebenen Maßnahmen beziehen sich jeweils auf das Gesamtgebäude. Durch die gemeinsame Nutzung mit Amtsgericht, Justizbehörde sowie Anwaltsverein und Anwaltsgericht und Kantinenpächter lassen sich die Maßnahmen nicht auf das Landgericht eingrenzen. Es gibt zurzeit keine laufenden Baumaßnahmen. Geplant ist die Sanierung der Kantine mit Baubeginn Mitte 2018 (die Kosten werden zurzeit ermittelt). Drucksache 21/10847 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 6 Außerdem plant der Vermieter die Ertüchtigung der Elektroverteilungen (Beginn noch in 2017, Laufzeit circa neun Monate) sowie Brandschutzmaßnahmen (Zeitraum und Kosten sind nicht bekannt). Strafjustizgebäude: Die angegebenen Maßnahmen und deren Kosten beziehen sich jeweils auf das Gesamtgebäude. Durch die gemeinsame Nutzung mit Staatsanwaltschaft, Amtsgerichtgericht und Oberlandesgericht sowie einem Kantinenpächter lassen sich die Maßnahmen nicht auf das Landgericht eingrenzen. An laufenden Baumaßnahmen erfolgen derzeit der Austausch der Bürobeleuchtung mit Restarbeiten noch bis 01.12.2017 (Kosten circa 325.000 Euro). Vermieterseitig laufen außerdem noch Restarbeiten einer Brandschutzmaßnahme, die voraussichtlich bis Ende des Jahres 2018 abgeschlossen sein werden (Kosten unbekannt). Geplant sind die Herrichtung von Saal 279 für den 2. Staatsschutzsenat von Dezember 2017 bis April 2018 (Kosten circa 300.000 Euro) sowie die Renovierung von Saal 142 ab März 2018 (Kosten circa 70.000 Euro).