BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10857 21. Wahlperiode 14.11.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Jens Wolf (CDU) vom 06.11.17 und Antwort des Senats Betr.: Regieren mittels Weisung – Die Entmachtung der Bezirke durch den Senat Gemäß Artikel 4 Absatz 2 der Hamburger Verfassung ist das Land Hamburg in verschiedene Bezirke einzuteilen, deren Bezirksämter übertragene Aufgaben unter Mitwirkung der Bezirksversammlungen selbstständig erledigen. Gemäß § 32 Absatz 1 Bezirksverwaltungsgesetz (BezVG) können auch die Bürger in Angelegenheiten, in denen die Bezirksversammlung Beschlüsse fassen darf, Entscheidungen durch einen Bürgerentscheid herbeiführen. Der Senat darf allerdings gemäß § 42 Satz 2 BezVG allgemein oder im Einzelfall Weisungen erteilen. Gemäß dem Grundsatz der Subsidiarität sollte dieser Weg jedoch die absolute Ausnahme sein und nur erfolgen, wenn ein begründetes zwingendes gesamtstädtisches Interesse gegeben ist. Dies scheint der Senat anders zu sehen, denn immer häufiger scheint er von dem Mittel der Weisung Gebrauch zu machen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. In wie vielen Fällen hat der Senat in den Jahren 2014, 2015, 2016 und bislang 2017 Weisungen gemäß § 42 Satz 2 BezVG erteilt? Bitte nach Jahr und Bezirksamt aufschlüsseln. Eine gesonderte statistische Erfassung solcher Anweisungen erfolgt regelhaft nicht. Zu den in der zur Verfügung stehenden Zeit recherchierten Ergebnissen einer Durchsicht aller Beschlüsse des Senats und Senatskommissionen siehe Anlage. 2. Durch welche Fachbehörden beziehungsweise Senatsämter wurden die unter 1. abgefragten Weisungen jeweils erteilt (vergleiche § 42 Satz 3 BezVG)? Gemäß § 42 Satz 2 BezVG hat nur der Senat beziehungsweise gegebenenfalls eine Senatskommission die Befugnis, eine Weisung zu erteilen. 3. Handelte es sich jeweils um allgemeine Weisungen oder Weisungen in Einzelfällen? Es handelte sich um Weisungen in Einzelfällen. 4. Welche Gründe lagen der Erteilung der unter 1. abgefragten Weisungen jeweils im Einzelnen zugrunde? 5. In welchen Fällen betraf der Erlass einer Weisung einen Fall, in dem aus der Bevölkerung von der Möglichkeit eines Bürgerentscheids (Bürgerbegehren ) gemäß § 32 BezVG Gebrauch gemacht beziehungsweise ein solches bereits angestoßen worden war? Siehe Anlage. Drucksache 21/10857 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 6. Nach welchen Kriterien erfolgt vor Erteilung einer Weisung eine Prüfung, ob der Weisung zwingend ein begründetes gesamtstädtisches Interesse zugrunde liegt? Der Senat trägt gegenüber der Bürgerschaft die Verantwortung für die gesamte Verwaltungstätigkeit . Um diese Verantwortung wahrzunehmen zu können, hat ihm die Verfassung ein umfassendes Weisungsrecht über die Verwaltung verliehen (vergleiche David, Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg, 2. Auflage 2004, Rdnr. 23 zu Artikel 33). Wann der Senat dieses Weisungsrecht wahrnimmt, liegt in seinem Ermessen. 7. Wie wurden die Bezirksamtsleitungen und die Bezirksversammlungen im Vorfeld der Erteilung der Weisungen eingebunden? In welchen Fällen konnte keine vorherige Einbindung stattfinden und weshalb jeweils nicht? Im Rahmen der Abstimmung der jeweiligen Senatsdrucksachen und Senatskommissionsvorlagen -Entwürfe wurden die betroffenen Bezirksämter regelhaft beteiligt. 8. Wie rechtfertigt der Senat die Beschneidung der Kompetenzen der Bezirksversammlung durch die Erteilung von Weisungen? 9. Wie rechtfertigt der Senat die Beschneidung der bestehenden direktdemokratischen Rechte der Bevölkerung gemäß § 32 BezVG durch die Erteilung von Weisungen? Da in der Freien und Hansestadt Hamburg keine kommunalen Körperschaften gebildet werden, sind die Bezirksämter als Behörden grundsätzlich in die vom Senat geführte und beaufsichtigte Verwaltung eingegliedert (Grundsatz der Einheitsverwaltung , vergleiche Artikel 33 Absatz 2 Satz 2 der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg). Im Übrigen siehe § 1 Absatz 4 des Gesetzes über Verwaltungsbehörden beziehungsweise § 42 Satz 2 Bezirksverwaltungsgesetz. 10. Beabsichtigt der Senat, in Zukunft in mehr Fällen Weisungen zu erteilen ? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht? Der Senat beabsichtigt auch zukünftig Weisungen zu erteilen, wenn dies nach sorgfältiger Abwägung des jeweiligen Falles sachlich notwendig ist. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10857 3 Anlage Gegenstand der Weisung (Gründe) Betroffener Bezirk Senat oder Senatskommission und Datum Auswirkungen auf Bürgerbegehren oder -entscheide Bebauungsplan Harburg 67/Heimfeld 46 (Bebauung Grundstück Veritaskai 5, vormals Beachclub ) Harburg Senatskommission für Stadtentwicklung und Wohnungsbau am 18. September 2014 Das Bürgerbegehren wurde durch Übernahmebeschluss der Bezirksversammlung Harburg vom 25. November 2014 beendet und ein für alle Beteiligten akzeptabler Ersatzstandort für den Beachclub gefunden . Bebauugsplanverfahren Harvestehude 15 (Unterbringung von Flüchtlingen an der Sophienterrasse ) Eimsbüttel Senatskommission für Stadtentwicklung und Wohnungsbau am 11. Juni 2015 Entfällt. Bebauugsplanverfahren Ohlsdorf 28 (Wohnungsbau ehem. Schwimmbad Ohlsdorf) Hamburg- Nord Senat 16. Juni 2015 Entfällt Zeitnahe Überplanung des ehemaligen Anzuchtgartens des Friedhofs Ohlsdorf (Unterbringung von Flüchtlingen ) Hamburg- Nord Senatskommission für Stadtentwicklung und Wohnungsbau am 5. November 2015 Entfällt. Bebauungsplanverfahren Lokstedt 65/Stellingen 68 (Wohnungsbau an der Julius-Vosseler-Str. und Kleingärten an der Hagenbeckstraße) Eimsbüttel Senat 6. September 2016 Das Bürgerbegehren wurde für unzulässig erklärt. Bebauungsplanverfahren Bahrenfeld 68 (Wohnungsbau Leverkusenstraße ) Altona Senat 16. Mai 2017 Das Bürgerbegehren wurde für unzulässig erklärt. Zurückstellung von Bauanträgen gemäß § 15 Baugesetzbuch (Planungsrechtliche Sicherung von bestehenden Alten und Pflegeeinrichtungen ) Hamburg- Nord, Wandsbek und Harburg Senat 13. Juni 2017 Entfällt.