BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10894 21. Wahlperiode 14.11.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Carl-Edgar Jarchow und Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 08.11.17 und Antwort des Senats Betr.: Zur Zusammenarbeit von LfV, LKA und zuständigen Ämtern für gefährliche psychische Störungen und Erkrankungen mit Eigen- und Fremdgefährdungen Nach allgemeiner Lebenserfahrung suchen viele Menschen mit psychischen Auffälligkeiten Störungen oder Erkrankungen bei der Auswahl ihrer kognitiven Projektionsflächen und Parallelwelten häufig den Kontext zu aktuell populären oder präsenten Themenfeldern wie zum Beispiel salafistischen Weltbildern. Diese Personen können aufgrund des Themenkontextes zwangsläufig leicht in beobachtende Aktivitäten durch qualifizierte Akteure des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) oder auch des LKA geraten, ohne dass in deren weiteren Verlauf eine Eigenschaft als Gefährder festgestellt wird, die weitere Maßnahmen im Rahmen der originären Zuständigkeit von LfV und Staatsschutzabteilung des LKA veranlassen könnte. Da bei solchen psychisch auffälligen Personen aber mit einiger Wahrscheinlichkeit mit psychische Störungen oder Erkrankungen zu rechnen ist, aus denen kurz- oder mittelfristig eine erhebliche Eigen- und vor allem Fremdgefährdung von Sachwerten oder Leib- und Leben erwachsen kann, wäre es im Interesse einer effektiven Gefahrenabwehr bedauerlich, wenn die durch die qualifizierte Arbeit des LfV oder auch des LKA gewonnen Erkenntnisse nicht schnell und optimal genutzt würden. Wichtig ist, Maßnahmen in Form von aufsuchenden Hilfsangeboten des sozialpsychiatrischen Dienstes oder, in Fällen mit Gefährdungslage, gegebenenfalls auch Maßnahmen für eine notwendige Unterbringung nach dem HmbPsychKG einzuleiten. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Im Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst in Hamburg (Hamburgisches Gesundheitsdienstgesetz – HmbGDG) werden die Aufgaben des öffentlichen Gesundheitsdienstes beschrieben. Speziell auf die Versorgung von psychisch kranken Menschen bezieht sich § 10 HmbGDG. Darüber hinaus stellt der Senat durch die Ausgestaltung des Hamburgischen Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (HmbPsychKG) in den § 2 ff (Abschnitt 2 und 3) sicher, dass „hilfebedürftige Personen, die an einer psychischen Krankheit oder deren Folgen leiden, die von einer psychischen Krankheit bedroht sind oder bei denen Anzeichen für eine psychische Krankheit bestehen, angemessene ärztliche und psychosoziale Beratung und Betreuung (Hilfe) erhalten“. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Welche Ämter sind hinsichtlich von psychisch gestörten oder erkrankten Personen mit möglicherweise drohender Eigen- oder Fremdgefährdung Drucksache 21/10894 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 in der Freien und Hansestadt Hamburg für die Einleitung von Maßnahmen in Form von aufsuchenden Hilfsangeboten des sozialpsychiatrischen Dienstes oder für Maßnahmen zur Prüfung einer Unterbringung nach HmbPsychKG zuständig? Zur Gefahrenabwehr nimmt die Polizei Hamburg Personen in Gewahrsam, die aufgrund krankhaften Verhaltens eine unmittelbar bevorstehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung hervorrufen oder bei denen eine gegenwärtige Eigenoder Fremdgefährdung besteht. Anschließend wird die fachlich zuständige Stelle unverzüglich informiert, die in eigener Zuständigkeit über den weiteren Verbleib der Person entscheidet. Innerhalb der Dienstzeit sind dies die jeweiligen Gesundheitsämter der Bezirke mit ihren Sozialpsychiatrischen- und Jugendpsychiatrischen Diensten. Außerhalb der Dienstzeiten und am Wochenende für ganz Hamburg ist es der Zentrale Zuführdienst des Bezirksamts Altona. 2. Gibt es zwischen dem LfV und insbesondere der Staatsschutzabteilung des LKA eingerichtete zuständige Stellen hinsichtlich der Weiterleitung von Erkenntnissen zu psychisch gestörten oder erkrankten Personen mit möglicherweise drohender Eigen- oder Fremdgefährdung, die das LfV oder das LKA zufällig im Rahmen von Aktivitäten im Rahmen ihrer Aufgaben erlangen kann, ohne dass dort ein Bedarf für weitere eigenen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr im originären Zuständigkeitsbereich festgestellt wird? a. Wenn ja, wie genau ist dieses gestaltet und wie wird gewährleistet, dass die notwendigen Informationen möglichst verlustfrei und in optimaler Weise durch persönlichen Kontakt von qualifiziertem Personal weiterfließen? b. Wenn nein, wann plant der Senat ein solches zu etablieren? 3. Welche Maßnahmen für eine Monitoring sind eingerichtet, um Fälle schnell erkennen zu können, in denen eine entsprechend effektive Weiterleitung von Informationen an Friktionen irgendwelcher Art scheiterte? Wenn nein, wann plant der Senat solche zu etablieren? Die Zusammenarbeit des Landesamts für Verfassungsschutz (LfV) Hamburg mit der für Staatsschutzangelegenheiten zuständigen Abteilung des Landeskriminalamtes (LKA) ist fest etabliert. Hierzu gehört auch der Austausch zu psychisch auffälligen Personen im Kontext radikalen Verhaltens. Der Austausch findet unter Berücksichtigung der gesetzlichen Voraussetzungen im Rahmen von wöchentlichen Besprechungen oder bilateral auf Arbeitsebene statt. Der polizeiinterne Umgang mit entsprechenden Hinweisen wurde mit einer Dienstanweisung im August 2017 standardisiert (Drs. 21/10750). Liegen dem LfV im Rahmen der Aufgabenerfüllung Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung vor, erfolgt unter Berücksichtigung der für das LfV geltenden gesetzlichen Voraussetzungen umgehend eine Übermittlung personenbezogener Daten an die sozialpsychiatrischen Dienste. In anderen Fällen, also ohne originäre Zuständigkeit des LfV, erfolgt die Weitergabe von entsprechenden Erkenntnissen an das LKA, welches dann die in Rede stehenden Erkenntnisse an die sozialpsychiatrischen Dienste meldet. Insofern sind der Austausch und eine effektive Weiterleitung von entsprechenden Informationen gewährleistet. Mit den festgelegten Verfahren ist der fachliche Umgang mit entsprechenden Sachverhalten gewährleistet. 4. Ist sichergestellt, dass Hinweise und Erkenntnisse von LfV und LKA auf psychisch gestörte oder erkrankte Personen mit möglicherweise drohender Eigen- oder Fremdgefährdung angefragt und gegebenenfalls genutzt werden, um Anträge auf richterliche Anordnung von Unterbringungsmaßnahmen nach HmbPsychKG valide zu begründen? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10894 3 Die richterliche Entscheidung zur Unterbringung erfolgt nach dem § 9 HmbPsychKG und basiert auf der Anhörung des Betroffenen, der Anhörung von Verfahrensbeteiligten und der Begutachtung durch medizinische Sachverständige. Liegen Hinweise und Erkenntnisse von LfV und LKA zu psychisch gestörten oder erkrankten Personen vor, werden auch diese entsprechend miteinbezogen. 5. Falls in solchen Fällen Personen betroffen sind, gegen die Maßnahmen zur Beendigung des Aufenthaltes nach Ausländerrecht betreiben werden , werden diese vom Senat abweichend behandelt? 6. Wie schätzt der Senat in solchen Fällen das Risiko ein, dass bei Prüfung von Maßnahmen in Form von aufsuchenden Hilfsangeboten des sozialpsychiatrischen Dienstes oder für Maßnahmen zur Prüfung einer Unterbringung nach HmbPsychKG einen erheblichen Einfluss auf das weitere ausländerrechtliche Betreiben einer Aufenthaltsbeendigung und gegebenenfalls auch Rückführung haben könnten und mit welchen Vorgehensweisen würde der Senat darauf reagieren wollen? Bei Entscheidungen zu aufenthaltsbeendenden Maßnahmen handelt es sich immer um Einzelfallentscheidungen, in die auch gegebenenfalls vorliegende Erkenntnisse zu einer psychischen Erkrankung der betroffenen Person mit einfließen. In Fällen einer Unterbringung der betroffenen Person nach dem HmbPsychKG ist jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit von bestehenden Abschiebungshindernissen auszugehen, sodass eine Rückführung ausgesetzt werden würde. Hier wird dann im Einzelfall geprüft, ob eine Rückführung mit (fach-)ärztlicher Begleitung erfolgen kann. 7. Laut Darstellung im Innenausschuss lässt der Senat gegenwärtig anlässlich des kürzlich mehrfachen Tötungsdeliktes um einen Supermarkt in Barmbek von der Polizei circa 400 Altfälle mit auffälligen Personen prüfen . Wie ist der aktuelle Sachstand dieser Überprüfungen und wie wurde dabei gegebenenfalls im Sinne der nachgefragten Zusammenarbeit mit anderen Ämtern in Bezug auf psychisch auffällige Personen verfahren? 8. Der Senat hatte im Innenausschuss eine nach dem Barmbek-Vorfall neue erlassene Dienstanweisung zur verbindlichen Vorgehensweise bei der Konsultation des kriminalpsychologischen Dienstes des LKA 2 dargestellt . In wie vielen Fällen wurde seit dem Erlass dieser Anweisung ein Handlungsbedarf hinsichtlich psychisch auffälliger Personen festgestellt und welche Zusammenarbeit mit anderen Ämtern im Sinne der Fragestellung erfolgte daraus und mit welchen Ergebnissen? Siehe Drs. 21/10750. Im Übrigen sind der Polizei derzeit vier Fälle im Sinne der Anfrage bekannt. In einem Fall wurde durch das Betreuungsgericht nach Einbindung unter anderem des LfV, des Sozialpsychiatrischen Dienstes an dem örtlich zuständigen Bezirksamt sowie der Ausländerbehörde ein Unterbringungsbeschluss gemäß des HmbPsychKG erwirkt, in zwei Fällen erfolgten bislang Berichte an den jeweils zuständigen Sozialpsychiatrischen Dienst; diese beiden Fälle befinden sich ebenso wie der vierte Fall aktuell bei der Polizei in Bearbeitung. Insofern liegt noch kein abschließendes Ergebnis vor.