BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10930 21. Wahlperiode 17.11.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Deniz Celik (DIE LINKE) vom 09.11.17 und Antwort des Senats Betr.: Erteilung von Ausnahmegenehmigungen nach Arbeitszeitgesetz bei NXP Semiconductors Die Firma Nexperia (vormals NXP Semiconductors, vormals Philips) stellt Halbleiter an sieben Tagen in der Woche im 24-Stunden-Betrieb her. Dieses ist nach Unternehmensangaben erforderlich, um einen zu hohen Produktionsausschuss durch das Hoch- und Runterfahren der Anlagen zu vermeiden. Die Schichten an den Wochenenden dauern zwölf Stunden und werden von Arbeitnehmern/-innen geleistet, die seit Jahren nur an den Wochenenden arbeiten und ihr Lebensmodell darauf eingerichtet haben. Eine andere Gruppe innerhalb der Belegschaft arbeitet montags bis freitags im Drei-Schicht- System. In der Belegschaft besteht der eindeutige Wunsch, die bisherige Regelung beizubehalten, die für die Arbeitnehmer/-innen im Drei-Schicht-Betrieb zu einem verlässlich freien Wochenende führt und den Wochenend-Beschäftigten drei – vier arbeitsfreie Tage pro Woche ermöglicht. Das Amt für Arbeitsschutz hat diese Arbeitszeitform seit 1984 immer wieder genehmigt, beziehungsweise nicht beanstandet. Erst im Jahr 2014 erließ das Amt eine Anordnung, die eine Veränderung dieser langjährigen Praxis anordnete. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Weshalb und auf welcher rechtlichen Grundlage hat das Amt für Arbeitsschutz der Einführung dieser Wochenendschichten vor 2014 zugestimmt und über Jahrzehnte genehmigt beziehungsweise nicht beanstandet? War diese Praxis gesetzeskonform? Der Wochenendschicht wurde 1984 auf Antrag des Unternehmens vom Amt für Arbeitsschutz zugestimmt. 1988 wurde auf Antrag des Unternehmens bestätigt, dass die Arbeiten an Sonn- und Feiertagen aufgrund von § 105 c Absatz 1 Gewerbeordnung zulässig waren, um das Misslingen von Arbeitsergebnissen zu verhüten. Heute sind diese Arbeiten nach § 10 Absatz 1 Nummer 15 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) ebenfalls zulässig. Regelmäßige Anträge sind hierfür im Arbeitszeitgesetz nicht vorgesehen . 2. Weshalb beanstandet das Amt für Arbeitsschutz im Jahr 2014 eine Regelung, die es noch im Jahr 2008 unbeanstandet ließ? Bereits im Jahr 2008 wurde die Firma in einem Gespräch darauf hingewiesen, dass für alle Arbeitnehmer, also auch für die Wochenendschichtarbeiter nach § 11 (1) Arbeitszeitgesetz 15 Sonntage pro Jahr beschäftigungsfrei sein müssen. 2014 wurden dem Amt für Arbeitsschutz von der Firma erstmals konkrete Schichtpläne der Wochenendschichten zur Prüfung übersandt. Dadurch erlangte das Amt für Arbeits- Drucksache 21/10930 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 schutz Kenntnis davon, dass den Mitarbeitern der Wochenendschicht nur sechs bis sieben freie Sonntage pro Jahr gewährt werden. Daraufhin ordnete das Amt für Arbeitsschutz mit Schreiben vom 10. Juli 2014 an, dass für jeden Arbeitnehmer 15 Sonntage pro Jahr beschäftigungsfrei sein müssen. 3. Welche Änderungen an relevanten Gesetzen oder Verordnungen sind zwischen dem 6.5.2008 und dem 10.7.2014 in Kraft getreten? Änderungen der relevanten Gesetzesgrundlage hat es zwischen 2008 und 2014 nicht gegeben, wohl aber diverse Rechtsprechungen, die den hohen Stellenwert des Sonntags als Tag der Arbeitsruhe nochmals verdeutlichen. 4. Welche ermessensgeleiteten Weisungen wurden zwischen dem 6.5.2008 und dem 10.7.2014 erlassen? Siehe Antwort zu 2. 5. Wann hat das Unternehmen NXP zuletzt einen Antrag auf Ausnahmegenehmigung gemäß § 15 II ArbZG beim Amt für Arbeitsschutz eingereicht ? Wie hat das Amt für Arbeitsschutz über den Antrag entschieden? (Bitte jeweils auch das Datum angeben.) Das Unternehmen NXP stellte mit Schreiben vom 03. September 2014 einen Antrag nach § 15 Absatz 2 ArbZG, mit dem die Beibehaltung von mindestens sechs beschäftigungsfreien Sonntagen beantragt wurde. In einem gemeinsamen Gespräch am 28. Januar 2015 wurde Vertretern der Unternehmensleitung und des Betriebsrates durch das Amt für Arbeitsschutz erläutert, dass es keine Genehmigungsmöglichkeit für den Antrag gibt. In dem Gespräch wurde vereinbart, dass NXP durch eine Arbeitszeitberatung untersuchen lässt, wie eine gesetzeskonforme Schichtgestaltung zu erreichen ist. Ergebnisse sollten bis zum 31. Dezember 2015 vorgelegt werden. Die Bearbeitung des Antrags wurde zwischenzeitlich ausgesetzt. In der Folge verhandelte die Unternehmensleitung veränderte Schichtmodelle, die den gesetzlichen Anforderungen genügen, im Rahmen einer Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat. 6. Hat das Amt für Arbeitsschutz eine Stellungnahme vom Betriebsrat in Bezug auf einen Antrag auf Ausnahmegenehmigung erhalten? Wenn ja, wann und mit welchem Inhalt? Ja. Mit Schreiben vom 09. September 2014 unterstützte der Betriebsrat den Antrag des Unternehmens vom 03. September 2014 auf sechs beschäftigungsfreie Sonntage . Es wurden Befürchtungen geäußert, dass die betroffenen Kollegen und Kolleginnen ihr Lebensmodell umstellen müssten und es zu Störungen der Produktion kommen könnte, sodass der Standort gefährdet würde. 7. Hat es vonseiten der Firma NXP Vorstöße beim Amt für Arbeitsschutz oder in der Wirtschaftsbehörde gegeben, das Arbeitszeitmodell zu beenden beziehungsweise zu verändern? Nein. 8. Hat es beim Amt für Arbeitsschutz Anzeigen beziehungsweise Beschwerden im Hinblick auf das Arbeitszeitmodell gegeben? Ja. 9. Was spricht gegen die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung, wenn sich die Tarifpartner oder Betriebsparteien auf ein Arbeitszeitmodell nach Vorstellungen der Belegschaft schon geeinigt haben? Es gibt keine gesetzliche Grundlage für eine Ausnahme. Nach § 11 Absatz 1 ArbZG muss der Arbeitgeber grundsätzlich für jeden einzelnen Beschäftigten sicherstellen, dass 15 Sonntage im Jahr beschäftigungsfrei sind. Eine tarifrechtliche Abweichungsmöglichkeit ist im ArbZG nicht gegeben.