BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10943 21. Wahlperiode 17.11.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Sabine Boeddinghaus (DIE LINKE) vom 09.11.17 und Antwort des Senats Betr.: Senator Rabes Versprechen zur Verbesserung des Schulschwimmkonzepts – Aktuelle Belege? (III) Hinsichtlich der Senatsantwort auf meine Schriftliche Kleine Anfrage zu Belegen für die angeblichen Verbesserungen des Schulschwimmkonzeptes in Hamburg (Drs. 21/10666) besteht weitergehender Klärungsbedarf. Ich frage den Senat: Der in der Primarstufe durchgeführte Schwimmunterricht im Schuljahr 2016/2017 ist so erfolgreich wie nie zuvor seit Umsetzung der Optimierung des Konzepts für das Schulschwimmen. Insbesondere die erzielten Quoten für die DJSA Bronze und höher übertreffen sämtliche ermittelten Quoten seit Neuordnung des Schulschwimmens an den allgemein bildenden Schulen (siehe Drs. 18/4119) deutlich und erreichen mit 64 Prozent erstmals nahezu die anspruchsvollen Ziele für dieses Abzeichen. Dies ist ein deutlicher Beleg für den Erfolg des Hamburger Schulschwimmkonzepts, das bereits innerhalb der universitären Forschung zum Schulschwimmunterricht als vorbildhaft dargestellt wird (siehe Drs. 21/10666). Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf Grundlage von Auskünften der Bäderland Hamburg GmbH (BLH) und des Vereins Aktive Freizeit e.V. (VAF) wie folgt: 1. Zu Frage 4. in Drs. 21/10666 wird impliziert, dass die im Schulschwimmunterricht auch gegenwärtig jeweils pro Schwimmeinheit erteilte reale Wasserzeit bei 30 Minuten Unterrichtszeit liegt. Ist das korrekt? Wenn ja, wieso beträgt diese nicht zumindest eine volle Unterrichtsstunde zu 45 Minuten? (Bitte sachlich und fachlich begründen.) Nein. 2. Zur Frage 6. in Drs. 21/10666 hinsichtlich der Innovationen wird vom Senat einzig und allein das neue Screeningverfahren zur Verbesserung des Schulschwimmens angeführt. Inwiefern ist darin nach Ansicht des Senats die angemessene und ausreichende Verbesserung erreicht und umgesetzt? Warum gibt es sonst keine weiteren Ansätze? (Bitte sachlich und fachlich erläutern.) 3. Auf Frage 6. in Drs. 21/10666 hinsichtlich der Innovationen (angeblich Screeningverfahren) wird vom Senat keine der gestellten Fragen zu den konkreten Kriterien, den genauen Abläufen, den individuellen Schwimmförderungsdifferenzierungen sowie den durch diese ausgelösten Maßnahmen und den durchführenden Akteuren nebst deren Qualifikation beantwortet. Weshalb erfolgte diese Beantwortung nicht? Ich bitte des- Drucksache 21/10943 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 halb nochmals darum, diese Aspekte jeweils im Einzelnen konkret zu erläutern, also: a. Nach welchen Kriterien ist dieses Screening wie genau gestaltet? b. Welche genauen Abläufe kennzeichnen es? c. Welche individuelle Schwimmförderungsdifferenzierung wird vorgenommen ? d. Welche konkreten Maßnahmen werden dadurch ausgelöst? e. Durch wen genau, mit welcher Qualifikation werden diese Differenzierungen des Schwimmförderbedarfs vorgenommen und dokumentiert ? Im Schuljahr 2017/2018 wird mithilfe eines einheitlichen Kriterienkatalogs der Stand der Wassergewöhnung ermittelt. Dieser umfasst sieben Kriterien, die sich auf Angst und Panik im Umgang mit Wasser beziehen. Die sieben Kriterien sind folgende: 1. Kind kann kaum angstfrei die Treppe im Lehrschwimmbecken (LSB) runtergehen (zum Beispiel: hält sich verkrampft am Geländer fest). 2. Kind hält sich im flachen Wasser nur am Beckenrand fest. 3. Kind kann nicht selbstständig und sicher durch stehtiefes Wasser gehen. 4. Kind reagiert auffällig auf Wasserspritzer im Gesicht. 5. Kind reagiert sehr ängstlich auf den Wasserdruck im brusttiefen Wasser. 6. Kind bekommt Panikattacke und verweigert den Unterricht. 7. Kind traut sich nicht, sich an der LSB-Treppe selbstständig auf den Rücken zu legen. Auf dieser Grundlage werden Schülerinnen und Schüler für das Förderschwimmen empfohlen. Es wurde zudem festgelegt, dass für das Screening ein Mindestzeitraum von zwei bis drei Unterrichtsstunden zu verwenden ist, um eine treffende Aussage zu gewährleisten. Die fundierten Empfehlungen für die Förderkurse werden anschließend an die Schulen weitergegeben. Diese Maßnahmen zielen darauf ab, möglichst homogene Lerngruppen zu bilden, in denen der Prozess der Wassergewöhnung und der Angstbewältigung als grundlegende Voraussetzung des Schwimmenlernens vertieft verfolgt werden kann. Das Gesamtkonzept befindet sich in der Erprobung. Zur geplanten Evaluierung siehe Drs. 21/10666. 4. In der Antwort auf Frage 7. in Drs. 21/10666 wird angegeben, dass vom 19.1. bis 10.10.2017 995 Gutscheine an Schüler/-innen in IV-Klassen und vom 15.6. bis 10.10.2017 525 Gutscheine für Schüler/-innen in AvM Dual-Klassen ausgegeben wurden. Wie viele Schüler/-innen befanden sich im angegebenen Zeitraum jeweils insgesamt in IV- und AvM-Dual- Klassen? Siehe dazu Drs. 21/10676, Frage 8. und Anlage 3. a. Wie viele davon hatten bereits jeweils eine Schwimmbefähigung von Bronze oder besser? (Bitte für beide Gruppen in absoluten Zahlen und in Prozent angeben.) b. Wie viele der ausgegebenen Gutscheine wurden jeweils bei Bäderland eingelöst? (Bitte für beide Gruppen in absoluten Zahlen und in Prozent angeben.) c. Wie viele die Schüler/-innen, die einen Gutschein eingelöst haben, konnten jeweils das DSJA-Bronze-Abzeichen oder besser erreichen ? (Bitte für beide Gruppen in absoluten Zahlen und in Prozent angeben.) Die erfragten Daten werden in der für Schule und Berufsbildung zuständigen Behörde nicht zentral erfasst. Die Durchführung einer Schulabfrage war nicht möglich, da die Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10943 3 betroffenen Schülerinnen und Schüler großenteils an andere Schulen gewechselt haben und die Schülerakten bei einem Schulwechsel an die neue Schule abgegeben werden. Die ausgegebenen Gutscheine sind über einen Zeitraum von 15 Monaten einlösbar. Die Auswertung der Einlöse- und Abzeichenquoten erfolgt nicht vor dem 3. Quartal 2018. 5. In Frage 8. in Drs. 21/10666 gefragt nach den konkreten Maßnahmen des Senats/der BSB im Schulschwimmen, um insbesondere wasserfremde Schüler/-innen besser beim Erlernen der Schwimmfähigkeit zu unterstützen, antwortet der Senat lediglich mit dem Verweis auf die vagen Aussagen zum Screeningverfahren in Frage 6. Inwiefern stellt diese Sondierungsmethode allein eine effektive Maßnahme im Sinn der Frage dar? (Bitte sachlich und fachlich erläutern.) Siehe Antwort zu 2. bis 3. e. 6. Wie viele Schüler/-innen nahmen im Schuljahr 2016/2017 insgesamt am Förderschwimmprogramm für Kinder mit besonderer Vorbehaltlichkeit beziehungsweise Ängsten gegenüber dem Element Wasser im Rahmen des Schulschwimmkonzeptes teil? Wie viele von diesen erreichten das DJSA Bronze oder besser, wie viele erreichten keine Schwimmunterrichtsausgangsqualifikation ? (Bitte in absoluten Zahlen und Prozent angeben.) Die Konzeption und Zielsetzung des Förderunterrichts ist auf die Wassergewöhnung, Vertrautheit mit dem Element Wasser und daraus resultierend die Gewinnung erster motorischer Bewegungserfahrungen ausgerichtet, siehe Antwort zu 2. und 3. Anzahl der Schülerinnen mit Schwimmförderbedarf in den Jahrgangsstufen 3 und 4 im Schuljahr 2016/2017 Anzahl der Schülerinnen und Schüler mit Schwimmförderbedarf der Jahrgangsstufen 3 und 4 Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die nach Abschluss des Förderschwimmunterrichts als höchstes Abzeichen Seepferdchen besaßen Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die nach Abschluss des Förderschwimmunterrichts ein DJSA (Bronze oder höher) besaßen Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die nach Abschluss des Förderschwimmunterrichts kein Schwimmabzeichen besaßen 725 126 17,4% 7 1% 592 81,6% Quelle: BLH 7. Zu Frage 8. in Drs. 21/10666 antwortet der Senat, für konzeptionelle Optimierungen im Bereich Schwimmförderung sei die AG Förderschwimmen zuständig. Wer genau gehört dieser AG an, welche Qualifikation und welche institutionelle Zugehörigkeit besitzen die AG-Mitglieder ? a. Wie oft tagte diese AG und welche konkreten Arbeitsschwerpunkte wurden in 2015/2016 und 2016/2017 jeweils von ihr befasst? b. Welche Ergebnisse und konkreten Maßnahmen brachten diese Befassungen je Schuljahr im Schulschwimmen hervor? (Bitte einzeln nennen und erläutern.) c. Wie wird die Umsetzung der betreffenden Maßnahmen in 2015/2016 und 2016/2017 beurteilt? (Bitte jeweils pro ergangener Maßnahme darlegen.) Siehe dazu Drs. 21/9895 sowie das fachliche Rahmenkonzept Schulschwimmen durch Schwimmlehrerinnen oder -lehrer der Bäderland Hamburg GmbH (BLH) im Schulschwimmvertrag, http://suche.transparenz.hamburg.de/dataset/ schulschwimmvertrag-mit-baederland-hamburg-gmbh. 8. In Frage 10. der Drs. 21/10666 wird mittels der Aussagen von Prof. Dr. Stemper darauf zu verweisen versucht, dass Hamburg ein seltenes Beispiel des richtigen Ansatzes im Schulschwimmen sei, zum einen weil es Drucksache 21/10943 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 das Ziel des DJSA Bronze im Schulschwimmen formuliere, das „(…) eine Quote von 95 Prozent aller Kinder (…)“ nenne, „ (…) die die Bedingungen des „Seepferdchen“-Abzeichens erreichen können sollen, von denen dann wiederum (…)“ laut Anmerkung BSB tatsächlich „(…) 70% auch zusätzlich noch die Bedingungen des „Bronze“-Abzeichens schaffen sollen (…)“. Wieso wird die Tatsache, dass seitens des Senats und der BSB lediglich von allen „Seepferdchen“-Kindern ausgehend die 70 prozentige DJSA-Bronze-Zielmarke besteht, also nur gut 80 Prozent (belegte Zahl aus 2015/2016) aller Teilnehmenden am Schwimmunterricht dabei berücksichtigt werden (und somit ein Fünftel nicht), als Erfolg angepriesen, insbesondere angesichts der real erreichten (in 2015/2016) belegten Quote von 50 Prozent aller Teilnehmenden, die überhaupt Bronze – und damit Schwimmtauglichkeit – erlangen konnten? (Bitte jeweils sachlich und fachlich Stellung nehmen.) Die Grundgesamtheit sind alle Schülerinnen und Schüler, die am Schwimmunterricht teilnehmen. Erst nach Abschluss der zweiten Schwimmlernphase lässt sich einschätzen , ob der Schwimmunterricht erfolgreich war. Am Ende des Schuljahres 2015/2016 besaßen 87 Prozent der Schülerinnen und Schüler, die ihre zweite Schwimmlernphase absolviert hatten, das Einstiegsabzeichen Seepferdchen, 57,2 Prozent der Schülerinnen und Schüler, die ihre zweite Schwimmlernphase absolviert hatten, besaßen das DJSA Bronze oder besser. Am Ende des Schuljahres 2016/2017 besaßen erneut 87 Prozent der Schülerinnen und Schüler, die ihre zweite Schwimmlernphase absolviert hatten, das Einstiegsabzeichen Seepferdchen, aber 64 Prozent der Schülerinnen und Schüler, die ihre zweite Schwimmlernphase absolviert hatten, das DJSA Bronze oder besser. Wenn in der Ziel- und Leistungsvereinbarung formuliert ist, dass nach der zweiten Schwimmlernphase 70 Prozent der 95 Prozent, die das Schwimmabzeichen Seepferdchen besitzen sollen, auch das DJSA Bronze besitzen sollen, so sind dies bezogen auf die Grundgesamtheit der Kinder, die die zweite Schwimmlernphase absolviert haben (70 x 95/100), 66,5 Prozent. Diese Vorgabe wurde im Schuljahr 2016/2017 mit 64 Prozent nahezu erreicht. 9. In der Antwort auf Frage 11. in Drs. 21/10666 wird suggeriert, dass der Einschätzung der DLRG gefolgt werde (das DJSA Bronze stelle die einzige real anerkannte/gerechtfertigte Mindestschwimmtauglichkeitsstufe dar) und behauptet ein Dissens sei konstruiert und läge nicht vor. Weshalb wird dann seitens des Senats/der BSB immer wieder versucht mit angeblich guten, weil hohen, „Seepferdchen“-Quoten die viel zu geringen DJSA-Bronze-Quoten öffentlich zu beschönigen und zudem unvermindert der Eindruck erweckt und die Aussage verteidigt, das „Seepferdchen “ sei ein Nachweis für die Schwimmfähigkeit? (Bitte jeweils sachlich und fachlich Stellung nehmen.) Es trifft nicht zu, dass die Quoten für das DJSA Bronze zu gering ausfallen. Richtig ist vielmehr, dass im Schuljahr 2016/2017 gemessen an der Grundgesamtheit aller Schülerinnen und Schüler, die die zweite Schwimmlernphase absolviert haben, die Vorgabe der Ziel- und Leistungsvereinbarungen für Seepferdchen um 8 Prozentpunkte, für das DJSA Bronze dagegen nur um 2,5 Prozentpunkte verfehlt wurde. Deshalb trifft auch die in der Frage getroffene Aussage nicht zu, die für Bildung zuständige Behörde verschleiere mit hohen Seepferdchen-Quoten niedrige Bronze-Quoten. Im Übrigen siehe Drs. 21/10666. 10. Insofern der in Frage 9. angeführte Dissens laut Senat/BSB nicht existent sein sollte, weshalb wird dann nicht alleinig die Erreichung des DJSA-Bronze-Niveaus konsequenterweise als einzige reale Schwimmerfolgszahl und Schwimmtauglichkeitsquote eines jeden Schuljahres vom Senat veröffentlicht und sich damit dem angemessenen Verbesserungsbedarf im Schulschwimmen öffentlich gestellt, um entsprechende Veränderungen verantwortungsbewusst anzugehen, wenn nicht deshalb, um vom gegenwärtigen Versagen des Schwimmunterrichtskonzeptes (reale belegte Erreichung in 2015/2016 50,31 Prozent, vergleiche Drs.21/6796 Anlage 1) abzulenken? (Bitte sachlich und fachlich Stellung nehmen.) Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10943 5 Zur Quote für das DJSA Bronze im Schuljahr 2015/2016 siehe Antwort zu 8. Zu Wertigkeit und Funktion des Frühschwimmabzeichens Seepferdchen siehe Drs. 20/8276.