BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10958 21. Wahlperiode 17.11.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Thilo Kleibauer (CDU) vom 10.11.17 und Antwort des Senats Betr.: Ist der Senat bei der EU-Eckpunktevereinbarung zur HSH Nordbank von falschen Annahmen ausgegangen? Angesichts des extrem hohen finanziellen Schadens der Freien und Hansestadt Hamburg aus der Beteiligung an der HSH Nordbank ist es wichtig, auch transparent darzulegen, wann welche Entscheidungen unter welchen Annahmen getroffen worden sind. Eine der wesentlichen Entscheidungen ist dabei Ende 2015 mit der EU-Eckpunktevereinbarung getroffen worden. In der Drs. 21/2177 hatte der Senat dargestellt, dass die Umsetzung dieser Vereinbarung mit der Fortführung der HSH Nordbank die aus Sicht der Länder vermögensschonendere Handlungsmöglichkeit sei. Dies wurde insbesondere mit der dadurch erfolgten Reduzierung der Gewährträgerhaftung zum Jahresende 2015 begründet. Um diese Reduzierung zu erreichen, sind die Bundesländer allerdings mit der Erhöhung der Garantie, der direkten Übernahme von Schiffskrediten über die hsh portfoliomanagement AöR und der Gründung der neuen Holdinggesellschaft gleichzeitig neue Risiken eingegangen (bei denen der von Hamburg zu tragende Anteil höher ausfällt als bei einer Inanspruchnahme aus der Gewährträgerhaftung). In der unterjährigen Berichterstattung hatte die HSH Nordbank im Jahr 2015 eine Inanspruchnahme der Ländergarantie durch Verluste aus dem entsprechenden Sunrise-Portfolio von 2,1 Milliarden Euro prognostiziert. Im Zuge der Beratungen der Drs. 21/2177 hatten die Senatsvertreter dann ausgeführt, dass eine Inanspruchnahme aus der Garantie von mehr 7 Milliarden Euro auch bei pessimistischen Annahmen unwahrscheinlich sei (siehe Wortprotokoll der Sitzung des Haushaltsausschusses vom 4.12.2015: „Und wenn man eben diesen durch die Bank errechneten Stress Case, der noch einmal verschärft wurde, zugrunde legt, kommen wir zu keiner Inanspruchnahme über die 7 Milliarden Euro hinaus.“ „Aber klar ist, dass selbst unter sehr pessimistischen Annahmen zum weiteren Verlauf der Markbedingungen, also bei einem besonderen Stressszenario, würden nach Einschätzung unserer Berater im Wesentlichen diese ersten 7 Milliarden Euro in Anspruch genommen .“). Bereits im ersten Halbjahr 2016 wurde dann die Prognose der Inanspruchnahme aus der Garantie auf 7,5 Milliarden Euro angepasst und kurz danach weiter erhöht. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Beratung des Haushaltsausschusses vom 4. Dezember 2015 bezieht sich auf den Inhalt der Drs. 21/2177 beziehungsweise die damit beschriebene sogenannte Eckpunktevereinbarung mit der Europäischen Kommission (EU-Kommission) vom 19. Oktober 2015. Der Fragesteller stellt die zitierten Aussagen in einen unzutreffenden Zusammenhang, da in der Ausschussberatung keine präzisen stichtagsbezogenen Drucksache 21/10958 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Stände der Gewährträgerhaftung mitgeteilt, sondern der jährliche Ablauf der Gewährträgerhaftung seit 2009 bis zum Abschluss der Verhandlungen über eine Eckpunktevereinbarung mit der EU-Kommission dargestellt wurde. Die präzisen stichtagsbezogenen Angaben zur Gewährträgerhaftung beziehungsweise deren Ablauf wurden der Bürgerschaft bereits mit Drs. 21/769 vom 23. Juni 2015 mitgeteilt. Die entsprechenden Angaben unterliegen Schwankungen aufgrund der jeweiligen Währungswechselkurse zum Berichtszeitpunkt. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf Grundlage von Auskünften der hsh finanzfonds AöR und der HSH Nordbank (HSH) wie folgt: 1. Wie hoch war jeweils die Prognose der Inanspruchnahme der Garantie der hsh finanzfonds AöR für Verluste aus Altgeschäften der HSH Nordbank am 19.10.2015 (Eckpunktevereinbarung der Landesregierungen mit der EU-Kommission) sowie am 09.12.2015 (Beschlussfassung der Bürgerschaft über die Drs. 21/2177)? 2. Von welcher Inanspruchnahme der Garantie ist der Senat oder die zuständige Fachbehörde im Rahmen der Einschätzung der in Drs. 21/2177 dargestellten Verständigung mit der EU-Kommission als vermögensschonendere Möglichkeit im Vergleich zu einer Abwicklung ausgegangen ? 3. Ist der Senat oder die zuständige Fachbehörde bereit, die vor der Verständigung mit der EU-Kommission am 19.10.2015 ermittelte Gegenüberstellung der prognostizierten finanziellen Auswirkungen der Fortführung der Bank gemäß Eckpunktevereinbarung im Vergleich zur Abwicklung der Bank öffentlich vorzulegen? Wenn nein, aus welchen gesetzlichen oder weiteren Gründen ist dies im Einzelnen nicht möglich? Zu den genannten Zeitpunkten ging die HSH von einer Inanspruchnahme der sogenannten Sunrise-Zweitverlustgarantie (Garantie) in Höhe von 2,1 Milliarden Euro im Base Case beziehungsweise von 6,4 Milliarden Euro im Stress Case aus. In der ökonomischen Bewertung der Länder zum Zeitpunkt der Eckpunktevereinbarung ergab sich der Vorteil einer Fortführung der HSH gegenüber einer Abwicklung der Bank nicht aus einer konkreten Höhe der voraussichtlichen Inanspruchnahme aus der Garantie, sondern aus einer möglichen Inanspruchnahme aus der Gewährträgerhaftung. Letztere betrug Anfang Oktober 2015 rund 12,4 Milliarden Euro und Ende Dezember 2015 rund 2,6 Milliarden Euro. Höhere beziehungsweise niedrigere kalkulierte Inanspruchnahmen aus der Garantie wirken sich im Abwicklungs- und Fortführungsszenario in entsprechender Weise aus, sodass diese Annahmen im Hinblick auf den Abschluss der Eckpunktevereinbarung mit der EU-Kommission nicht entscheidungsrelevant waren. Die der Eckpunktevereinbarung zugrunde liegenden konkreten Berechnungen wurden den Abgeordneten der Bürgerschaft unter den üblichen Regelungen der Vertraulichkeit zur Kenntnis gegeben und im Rahmen des nicht öffentlichen beziehungsweise vertraulichen Teils der Sitzungen des zuständigen Ausschusses eingehend erläutert. Von einer Veröffentlichung der Daten sieht der Senat auf Grundlage von Artikel 30 der Hamburgischen Verfassung mit Blick auf das Staatswohl ab, da dieses den Erfolg des Privatisierungsverfahrens beeinträchtigen und mit erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen zu Lasten der Freien und Hansestadt Hamburg verbunden sein könnte. 4. Lagen dem Senat seit 2012 zwischenzeitlich Prognosen einer Inanspruchnahme der Garantie der hsh finanzfonds AöR für Verluste aus Altgeschäften der HSH Nordbank vor, die von den jeweiligen Prognosen der HSH Nordbank abwichen? Wenn ja, welche Prognose von welchen Stellen zu welchen Zeitpunkten ? Nein. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. bis 3. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10958 3 5. Seit wann genau sind jeweils dem Senat, der zuständigen Fachbehörde sowie dem für Finanzen zuständigen Senatsmitglied bekannt, dass die im Rahmen der Vorbereitung und Beratung getroffenen Annahmen zur Garantieinanspruchnahme eine falsche Einschätzung waren? 6. Seit wann genau sind jeweils dem Senat, der zuständigen Fachbehörde sowie dem für Finanzen zuständigen Senatsmitglied bekannt, dass die voraussichtliche Garantieinanspruchnahme bei mehr als 7 Milliarden Euro liegt? Die voraussichtliche Inanspruchnahme aus der Garantie hat sich nach den Prognosen der HSH seit der Übernahme der Garantie durch die Länder im Jahr 2009 fortlaufend erhöht. Die entsprechenden Prognosen wurden den Parlamenten beziehungsweise deren zuständigen Ausschüssen jeweils zeitnah berichtet und von der HSH in ihrer regelmäßigen Finanzberichterstattung veröffentlicht. Eine Inanspruchnahme von über 7 Milliarden Euro hat die HSH erstmalig im Juni 2016 prognostiziert, der Finanzbehörde und damit dem zuständigen Senatsmitglied anschließend im Rahmen der laufenden Unterrichtung zur Kenntnis gegeben und im August 2016 im Rahmen der Finanzberichterstattung veröffentlicht. 7. In der Sitzung des Haushaltsausschusses am 4.12.2015 hatte der Finanzsenator ausgeführt, dass die Gewährträgerhaftung „derzeit 12 Milliarden Euro“ beträgt und mit dem Jahresende 2015 auf dann „2,5 bis 3 Milliarden Euro“ zurückgeht. Laut der Antwort der Schleswig- Holsteinischen Landesregierung auf eine Anfrage des Abgeordneten Wolfgang Kubicki (Drs. 18/5080 des Schleswig-Holsteinischen Landtags) lag die Höhe der Gewährträgerhaftung am 30.11.2015 jedoch bereits nur noch bei 10,5 Milliarden Euro, bevor sie sich mit dem 31.12.2015 auf 2,6 Milliarden Euro reduziert hat. Demnach hat sich die Gewährträgerhaftung Ende 2015 nicht, wie vom Senat dargestellt, um 10 Milliarden Euro, sondern lediglich um 8 Milliarden Euro verringert. 7.1. Hat der Finanzsenator den Haushaltsausschuss am 4.12.2015 zutreffend über die Höhe der Gewährträgerhaftung für die HSH Nordbank zu diesem Zeitpunkt und die Verringerung der Gewährträgerhaftung zum Jahresende 2015 informiert? Wenn nein, warum nicht? Ja. Siehe Vorbemerkung. 7.2. Wie hoch war die Gewährträgerhaftung für die HSH Nordbank jeweils am 30.09.2015, am 31.10.2015, am 30.11.2015 sowie am 31.12.2015? 7.3. Welche genaue Kenntnis und welche Annahmen hatte die Finanzbehörde zum Stand und zur Entwicklung der Gewährträgerhaftung bei der Entscheidung zur EU-Eckpunktevereinbarung und der anschließenden Erstellung, Beratung und Beschlussfassung der Drs. 21/2177? 12,4 Milliarden Euro am 30. September 2015, 11,1 Milliarden Euro am 31. Oktober 2015, 10,6 Milliarden Euro am 30. November 2015 und 2,6 Milliarden Euro am 31. Dezember 2015. Im Übrigen siehe Vorbemerkung und Antworten zu 1. bis 4.