BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/10966 21. Wahlperiode 21.11.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Nebahat Güçlü (fraktionslos) vom 13.11.17 und Antwort des Senats Betr.: Effektivität der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) in Hamburg Die „tageszeitung“ titelte kürzlich „Mindestlohn ist oft nur Theorie“ (Ausgabe vom 09.11.2017, Seite 44). Gewerkschaftsverbände kritisieren fehlende flächendeckende Kontrollen durch die Behörden. Vor allem die Erkenntnis, dass die Anzahl der Kontrollen durch die FKS im vergangenen Jahr bundesweit gesunken ist, ist bitter. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Kontrollen wegen der Einhaltung des oben genannten Mindestlohngesetzes (Mi- LoG) obliegen den Vollzugsdienststellen der Zollverwaltung, hier dem Hauptzollamt Hamburg-Stadt, Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS). Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften des Bundesministeriums der Finanzen wie folgt: 1) Wie hat sich die Anzahl der Kontrollen bei der für Hamburg zuständigen FKS 2015, 2016 und 2017 je Branche entwickelt? In der nachfolgenden Tabelle sind die von der FKS in Hamburg durchgeführten Arbeitgeberprüfungen nach Branchen dargestellt. Arbeitgeberprüfungen Branche 2015 2016 Jan-Sep 2017 Abfallwirtschaft 0 6 8 Arbeitnehmerüberlassung 8 7 8 Auf- und Abbau von Messen und Ausstellungen 1 4 1 Bauhaupt- und Baunebengewerbe 229 155 173 Briefdienstleistungen 0 1 0 Fleischwirtschaft 10 2 2 Friseur- und Kosmetiksalons1 0 0 17 Gaststätten und Beherbergungsgewerbe 60 77 49 Gebäudereinigung 58 28 40 Getränkeeinzelhandel, Kioske und Tankstellenshops 1 0 0 2 Landwirtschaft 1 0 0 Personenbeförderungsgewerbe 10 39 12 Pflegebranche 3 6 5 Schaustellergewerbe 4 4 37 Sicherheitsdienstleistungen 12 37 22 Speditions-, Transport- und damit verbundenes Logistikgewerbe 72 121 125 Drucksache 21/10966 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Arbeitgeberprüfungen Branche 2015 2016 Jan-Sep 2017 Wäscherei und Reinigung 6 3 0 Sonstige 127 123 130 Insgesamt 601 613 631 1 Die Branche wird erst seit 2017 gesondert erfasst. Für 2015 und 2016 liegen keine Zahlen vor. 2) Wie viele Hinweise sind beim Hauptzollamt Hamburg 2015, 2016 und 2017 eingegangen? Wenn möglich, nach Art des Verstoßes auflisten. Eine detaillierte Fachstatistik über die Menge der eingehenden Hinweise und deren inhaltliche Zielrichtung wird von der FKS nicht geführt. Nach Schätzung wurden in den Kalenderjahren 2015 und 2016 circa 1.500 bis 2.000 Hinweise pro Jahr registriert. Im laufenden Kalenderjahr 2017 sind bislang circa 1.300 Hinweise bei der FKS Hamburg eingegangen. Inhaltlich betreffen die Hinweise im Schwerpunkt den Verdacht auf Leistungsmissbrauch sowie die Nichtzahlung des Mindestlohnes nach Arbeitnehmer- Entsendegesetz, Mindestlohngesetz und Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. 3) Wie wird entschieden, welchen Hinweisen nachgegangen wird? Grundsätzlich ist eine risikoorientierte Auswahl der zu prüfenden Hinweise erforderlich . Hierbei können einzelne oder mehrere Kriterien wie zum Beispiel Präventivwirkung , mögliche oder wahrscheinliche Zuwiderhandlungen, konkrete Hinweise oder Häufung konkreter Hinweise im Einzelfall, branchenspezifische Erkenntnisse oder regionale Gegebenheiten ausschlaggebend sein. 4) Wie viele Verstöße gegen das Mindestlohngesetz (MiLoG) wurden 2015, 2016 und 2017 in Hamburg in welchen Branchen festgestellt? Ein Verstoß gegen das Mindestlohngesetz führt zur Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens . In der nachfolgenden Tabelle sind die Ordnungswidrigkeitenverfahren dargestellt, die von der FKS in Hamburg wegen Verstößen gegen das Mindestlohngesetz eingeleitet wurden. Eine statistische Auswertung der eingeleiteten Ordnungswidrigkeitenverfahren nach Branchen ist in der für eine Parlamentarische Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Eingeleitete Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen 2015 2016 Jan-Sep 2017 Zahlung Mindestlohn § 21 (1) Nr.9 MiLoG 12 46 30 Anmeldung, Änderung, Versicherung § 21 (1) Nr.4,5,6 MiLoG 1 0 0 Aufzeichnung, Unterlagen § 21 (1) Nr.7,8 MiLoG 15 22 33 Mittelbarer Verstoß § 21 (2) MiLoG 0 0 0 Summe 28 68 63 5) Wie viele Fälle von Schwarzarbeit wurden 2015, 2016 und 2017 in Hamburg in welchen Branchen registriert? In der Arbeitsstatistik der FKS wird die Anzahl der Ermittlungsverfahren (Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren) erfasst, die im Rahmen der Zuständigkeit der FKS eingeleitet wurden. Darin enthalten sind Fälle von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung. Eine gesonderte Erfassung der Fälle von Schwarzarbeit findet nicht statt. In der nachfolgenden Tabelle sind die von der FKS in Hamburg eingeleiteten Ermittlungsverfahren dargestellt. Eine statistische Auswertung der eingeleiteten Ermittlungsverfahren nach Branchen ist in der für eine Parlamentarische Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 2015 2016 Jan-Sep 2017 Eingeleitete Ordnungswidrigkeitenverfahren 401 435 528 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10966 3 2015 2016 Jan-Sep 2017 Eingeleitete Strafverfahren 2.320 2.318 1.524 Summe 2.721 2.753 2.052 Die Zentrale Leitstelle zur Bekämpfung der Schwarzarbeit des Bezirksamtes Hamburg -Mitte (ZLS) hat im Jahr 2015 90 Fälle, im Jahr 2016 79 Fälle und im Jahr 2017 (bis 15.11.2017) 53 Fälle der sogenannten Schwarzarbeit im Zusammenhang mit der Nichteinhaltung von Vorschriften der Handwerksordnung und Gewerbeordnung registriert . Eine Differenzierung nach Branchen im Sinne der Fragestellung erfolgt in der Statistik nicht. Eine nachträgliche händische Durchsicht der Vorgänge ist in der für eine Parlamentarische Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 6) Welche Möglichkeiten haben die Behörden bei Feststellung wiederholter Verstöße von Arbeitgebern gegen das MiLoG? Verstöße gegen die im MiLoG normierten Pflichten des Arbeitgebers – insbesondere die Pflicht, ihren im Inland beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein Arbeitsentgelt mindestens in Höhe des Mindestlohns zu zahlen – stellen Ordnungswidrigkeiten dar, die von der FKS mit einem Bußgeld geahndet werden können. Die Ahndung wiederholter Verstöße kann im Rahmen der Bußgeldzumessung nach § 17 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten berücksichtigt werden. Darüber hinaus hat die FKS bei der Feststellung eines Anfangsverdachts wegen einer Straftat ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren einzuleiten. Wiederholte Verstöße können durch die jeweilige Staatsanwaltschaft oder das Amtsgericht im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt werden. Im Baubereich lassen sich die zuständigen Behörden die Einhaltung des Mindestlohns und die Beachtung des Arbeitnehmerentsendegesetzes sowie des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes auch von Bietern in Vergabeverfahren vertraglich zusichern. Diese Zusicherungen sind mit Vertragsstrafen belegt. Darüber hinaus können wiederholte Verstöße zu einer Eintragung in das Register zum Schutz des fairen Wettbewerbs führen mit der Folge, dass die Eignung des betroffenen Unternehmens bei zukünftigen Auftragsvergaben besonders kritisch geprüft wird. Die Möglichkeiten zum Ausschluss von Unternehmen aus öffentlichen Vergabeverfahren ergeben sich aus dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (siehe § 124 Absatz 1 Nummer 1 und § 123 Absatz 4 Nummer 1 GWB) sowie dem Gesetz zur Einrichtung eines Registers zum Schutz fairen Wettbewerbs (GRfW). Schwere oder wiederholte Verstöße gegen arbeits- und sozialrechtliche Vorschriften stellen in erlaubnispflichtigen Gewerben – etwa dem Betrieb von Taxen – typische Zeichen der Unzuverlässigkeit dar und führen zum Entzug beziehungsweise zur Versagung der Taxen-Konzession. 7) Welche Maßnahmen wurden 2015, 2016 und 2017 wegen Verstößen gegen das MiLoG durch die FKS in Hamburg eingeleitet? Siehe Antwort zu 4). 8) Welche Möglichkeiten haben die Behörden im Umgang mit Arbeitgebern, die wiederholt Schwarzarbeiter beschäftigen? Siehe Antwort zu 6). 9) Wie hat sich die Anzahl der Beschäftigten (Vollzeitäquivalente) bei der für Hamburg zuständigen FKS in den Jahren 2015, 2016 und 2017 entwickelt ? Die Anzahl der Beschäftigten bei der für Hamburg zuständigen FKS hat sich wie folgt entwickelt: 2015: 110 Arbeitskräfte (AK), 2016: 124 AK und 2017: 140 AK. Drucksache 21/10966 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 10) Existiert ein Austauschprozess zwischen der FKS und den Behörden und Institutionen des Landes Hamburg? Wenn ja, wie sieht dieser aus? Die Zusammenarbeit zwischen der FKS und den Behörden und Institutionen der Länder ist in den §§ 5 und 6 des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz – SchwarzArbG) geregelt. Die FKS arbeitet intensiv mit allen Behörden des Bundes, der Länder, der Kommunen und sonstigen Stellen zusammen, die in die Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung eingebunden sind. In Hamburg finden ein regelmäßiger Austausch mit der Steuerfahndung und mindestens einmal jährlich eine Besprechung mit der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation in Hamburg statt. Außerdem arbeitet die FKS eng mit der ZLS des Bezirksamts Hamburg-Mitte, der Verkehrsgewerbeaufsicht , der Staatsanwaltschaft, dem Landeskriminalamt, der Finanzbehörde, den Jobcentern sowie der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration zusammen , auch zu Problemlagen der Branchen und zu Lösungsansätzen. Institutionalisierte Formen des Austausches bestehen im „Runden Tisch Fairness und klare Regeln auf dem Hamburger Arbeitsmarkt“ der Servicestelle Arbeitnehmerfreizügigkeit , in dem auch die FKS mitwirkt. Im Übrigen siehe auch Drs. 21/695. Des Weiteren gibt es das „Bündnis gegen illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit in der Gebäudereinigerbranche in Hamburg“, in dem neben der FKS auch die Gewerkschaft IG BAU, die Gebäudereiniger-Innung sowie als Hamburger Behörden die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation und die Finanzbehörde beteiligt sind. Im Übrigen siehe Antwort zu 6). 11) Welche Möglichkeiten hat das Land Hamburg zum Arbeitnehmerschutz beizutragen, insbesondere in den vom DGB kritisierten Bereichen Gastronomie , Bau- und Taxigewerbe? Das Amt für Arbeitsschutz in der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz überwacht die Einhaltung des Arbeitsschutzrechts im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags und berät die Betriebe entsprechend. Die für die Aufsicht und Genehmigungen im Taxiverkehr zuständige Behörde (Verkehrsgewerbeaufsicht ) prüft in den Genehmigungsverfahren unter anderem, ob Verstöße gegen arbeits- oder sozialrechtliche Pflichten des Unternehmers vorliegen (§ 1 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 Buchstabe b der Berufszugangsverordnung für den Straßenpersonenverkehr ). Dies betrifft neben dem Nachweis über die Steuer- und Abgabenehrlichkeit auch die Einhaltung der Regelungen zum Arbeitszeitgesetz und zum Mindestlohngesetz. Anhand der vorzulegenden Schichtaufzeichnungen und der Jahresabschlüsse können Arbeitszeiten und Lohnzahlungen nachvollzogen werden. Diese Prüfungen, die auch auf dem Einsatz digitaler Aufzeichnungen über Fahrleistungen , Umsätze und Einsatzzeiten beruhen, werden bundesweit als sogenanntes Hamburger Modell der Aufsicht im Taxengewerbe als vorbildlich bewertet. 12) Gibt es Überlegungen oder Ansätze der zuständigen Behörden, wie den schwer kontrollierbaren Branchen adäquater begegnet werden kann? Die Behörden der Zollverwaltung sind nach dortiger Einschätzung für die wirksame Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung in allen Branchen und Wirtschaftsbereichen fachlich sowie personell gut aufgestellt. Die FKS verfolgt dabei einen risikoorientierten Ansatz (vergleiche auch Antwort zu 3)) mit dem Ziel, verstärkt in besonders von Schwarzarbeit betroffenen Bereichen und Branchen, in denen am ehesten mit Schwarzarbeit zu rechnen ist, die Einhaltung von Mindestlöhnen und von sozialversicherungsrechtlichen Pflichten zu überprüfen und die großen Betrugsfälle aufzudecken. Der Senat bekennt sich zum Ziel der „Guten Arbeit“ und tritt für eine gerechte Bezahlung und faire Arbeitsbedingungen ein. So wird auf Bundesebene daran mitgearbeitet, faire Arbeitsbedingungen auch für die Beschäftigungsformen neben den unbefristeten sozialversicherungspflichtigen „Normal“-Arbeitsverhältnissen (zum Beispiel Leiharbeit, Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/10966 5 Werkvertragskonstruktionen, Minijobs, Praktika, befristete Beschäftigungsverhältnisse ) durchzusetzen und Missbrauchsmöglichkeiten zu reduzieren. Darüber hinaus fördert die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration seit mehreren Jahren aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) die Servicestelle Arbeitnehmerfreizügigkeit beim DGB in Hamburg (siehe Antwort zu 13)). Das Bezirksamt Hamburg-Mitte (ZLS) wird die Zusammenarbeit mit der FKS und der Handwerkskammer Hamburg weiterhin pflegen und ggf. intensivieren. Im Übrigen siehe zu 11). 13) Welche Erfahrungen hat der Senat mit der „Servicestelle Arbeitnehmerfreizügigkeit “ bislang zu dieser Problematik gesammelt? Welche Erkenntnisse hat der Senat daraus gezogen und welche Handlungsbedarfe abgeleitet? Die Servicestelle Arbeitnehmerfreizügigkeit arbeitet anlassbezogen vertrauensvoll mit der FKS zusammen. Sie organisiert außerdem den Runden Tisch „Fairness und klare Regeln auf dem Hamburger Arbeitsmarkt“ bei dem die FKS ebenfalls vertreten ist. Darüber hinaus kooperiert die Servicestelle mit den Migrantenorganisationen in der Stadt, mit den Botschaften und Konsulaten und mit den Behörden in den Herkunftsländern von Unionsbürgern, hier insbesondere mit den Arbeitsinspektionsbehörden. Um Arbeitnehmerschutz für Unionsbürger auch präventiv zu ermöglichen, organisiert die Servicestelle in Zusammenarbeit mit den Botschaften unter anderem Informationstage in Hamburg und unterstützt Informationskampagnen in den Herkunftsländern in Zusammenarbeit mit dortigen Partnern.