BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/11040 21. Wahlperiode 24.11.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Thering (CDU) vom 17.11.17 und Antwort des Senats Betr.: Hat Rot-Grün kürzlich neue Einsatzkräfte und Fahrzeuge für die Verkehrsdirektion der Polizei vom Himmel fallen lassen? Oder: Aus welchem Hut zaubert der Senat plötzlich die Ressourcen für seine Blitzeroffensive bis zum Jahresende? Rücksichtslose Raser stellen eine erhebliche Gefährdung für sich selbst und andere Verkehrsteilnehmer dar. Stationäre und mobile Geschwindigkeitskontrollen sind daher sowohl für die präventive als auch für die repressive Verkehrssicherheitsarbeit äußerst wichtig. Während die Wirksamkeit der stationären Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen (GÜA) auf das Verhalten ortskundiger Verkehrsteilnehmer aufgrund der ständigen Präsenz der GÜA aber mit der Zeit gemindert wird, ist dies bei der mobilen Geschwindigkeitsmessung nicht der Fall. Es war daher bereits äußerst unverständlich, dass die Zahl der durchgeführten Messeinheiten der mobilen Geschwindigkeitsmessung im vergangenen Jahr auf den niedrigsten Stand seit 2011 gesunken ist, wie eine erste CDU-Anfrage (Drs. 21/8356) aus dem Frühjahr ergeben hatte: Jahr 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Anzahl 5.177 5.051 4.924 5.623 5.186 4.606 Schwer zu verstehen ist auch, dass von diesen 4.606 mobilen Geschwindigkeitskontrollen aus dem vergangenen Jahr nur 117 und damit gerade einmal 2,5 Prozent zwischen 22 – 6 Uhr durchgeführt wurden, wie eine zweite CDU- Anfrage (Drs. 21/10542) kürzlich aufgedeckt hat. Und im laufenden Jahr droht ein neuer Tiefstand, denn bis zum 30. September 2017 wurden demnach nur 2.821 der sogenannten Messeinheiten durchgeführt und davon sogar nur 45 nachts. Diese Zahlen sind alarmierend. Denn erst Ende September hatte eine Studie des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) ergeben , dass Hamburg die „Raserhauptstadt“ unter Deutschlands Großstädten ist und dass die Raser zudem vor allem nachts Gas geben. Es passt ins Bild, dass der Senat sich in seiner Antwort auf eine dritte CDU-Anfrage (Drs. 21/10629) um eine inhaltliche Bewertung der Zahlen und Schlüsse aus der GDV-Studie herummogelt. Eingedenk dieser Umstände ist es umso erstaunlicher, dass der Vizepräsident der Polizei Hamburg in einem Interview mit der „Hamburger Morgenpost “ (MOPO) vom 16. November 20171 eine „Offensive gegen Schnellfah- 1 https://www.mopo.de/hamburg/polizei/offensive-gegen-schnellfahrer-so-geht-die-hamburgerpolizei -jetzt-auf-raser-jagd-28857416. Drucksache 21/11040 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 rer“, so die Umschreibung der MOPO, angekündigt hat. Gefragt, was hierbei konkret geplant sei, wird der Vizepräsident mit den Worten zitiert: „Wir werden bis zum Jahresende alles in die Waagschale werfen, was wir im Bereich der Geschwindigkeitskontrollen aufrufen können. Die Verkehrsstaffeln werden noch stärker als bisher stationäre und mobile Verkehrskontrollen durchführen und vermehrt sogenannte Provida-Fahrzeuge einsetzen. Das sind zivile Streifenwagen, mit denen Tempoverstöße gerichtsverwertbar dokumentiert werden können. Die Polizeikommissariate sind zudem angehalten, bei der Verkehrsüberwachung verstärkt ihre Lasergeräte vor allem im Umfeld von Schulen und Kitas zu nutzen. Darüber hinaus sind weitere hamburgweite Rotlichtkontrollen und Maßnahmen im Bereich des Schwerlastverkehrs geplant.“ Diese Ankündigungen einer Intensivierung der mobilen Verkehrsüberwachung sind in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. So schrieb der Senat beispielsweise in Drs. 21/8356: „Die Einsätze der Polizei finden mit den zur Verfügung stehenden personellen und technischen Ressourcen täglich rund um die Uhr statt und sind stark von der jeweiligen Lage geprägt, sodass derartige Planzahlen nicht sinnvoll sind.“ Diese Ressourcen müssen sich also im Laufe des Jahres bereits geändert haben oder sich kurzfristig bis zum Jahresende noch ändern. Dies wäre allerdings ein Bruch mit der Praxis beziehungsweise der Entwicklung der vergangenen Jahre. So ging aus Drs. 21/8356 nämlich ebenfalls hervor, dass zum 1. März 2017 bei der Verkehrsdirektion (VD) für die mobile Verkehrsüberwachung 176 mit einem Besetzungsumfang von 131,78 Vollzeitäquivalenten (VZÄ) und 145 Beschäftigten existierten. Das waren allerdings knapp 13 VZÄ und drei Beschäftigte weniger als zum 1. Januar 2011. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Fahren mit überhöhter oder nicht angepasster Geschwindigkeit stellt eine der Hauptursachen von Verkehrsunfällen mit Personenschäden dar. Die Polizei setzt zur Bekämpfung dieses Phänomens einen ihrer Schwerpunkte in der Geschwindigkeitsüberwachung . Neben der Durchführung von mobilen Geschwindigkeitskontrollen wird ein gewichtiger Beitrag zur Verkehrssicherheit durch die Geschwindigkeitsüberwachung mit stationären Anlagen geleistet. Im Jahr 2016 wurden 268.864 Geschwindigkeitsverstöße durch stationäre Anlagen und 218.865 durch mobile Kontrollen der Polizei gemessen und angezeigt. Um diesen Bereich deutlich zu stärken, wurden in diesem Jahr an fünf neuen Standorten stationäre Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen aufgestellt und die Anlagen an fünf bestehenden Standorten mit moderner Technik ausgestattet. Es ist daher mit einer Steigerung der gemessenen Geschwindigkeitsverstöße zu rechnen. Daneben wurde im Rahmen der Schwerpunktsetzung der Bereich der Geschwindigkeitsüberwachung für die letzten Wochen des Jahres 2017 nochmals priorisiert. Durch gezielte Steuerung des Personals und der Verkehrsüberwachungstechnik der Verkehrsdirektion in diesen Bereich wird die angekündigte Erhöhung des Überwachungsdrucks erreicht. Daher werden mit allen hierfür verfügbaren Kräften der Verkehrsdirektion zu unterschiedlichen Tageszeiten verstärkt mobile Geschwindigkeitskontrollen im Rahmen der technischen und personellen Ressourcen durchgeführt. Dadurch kann die Anzahl der Geschwindigkeitsmessungen durch höchstmögliche Auslastung der Überwachungstechnik erhöht werden. Ergänzend werden auch verstärkt Mitarbeiter der Polizeikommissariate auf örtlicher Ebene bei Geschwindigkeitsmessungen mit den Handlaser-Messgeräten zur Geschwindigkeitsüberwachung eingesetzt. Des Weiteren verfügt die Polizei insgesamt über neun ProViDa-Fahrzeuge, 13 mobile Geschwindigkeitsmessgeräte und 21 Handlaser-Geschwindigkeitsmessgeräte. Durch die Übernahme der Bildauswertung der mobilen Geschwindigkeitsüberwachung und der stationären Geschwindigkeits- und Rotlichtüberwachung durch den Landes- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/11040 3 betrieb Verkehr (LBV) ist dieser Aufgabenteil für die Angestellten der Polizei entfallen. Sie stehen damit in entsprechend größerem Umfang für Maßnahmen der Geschwindigkeits - und Rotlichtüberwachung zur Verfügung. Dementsprechend können die bisher hierfür eingesetzten Polizeibeamten für andere Aufgaben der Verkehrsdirektion oder eine Intensivierung der Geschwindigkeits- und Rotlichtüberwachung zur Verfügung gestellt werden. Siehe auch Drs. 21/10923. Zusätzlich werden seit September 2017 Mitarbeiter der sogenannten Kontrollgruppe „Autoposer“ eingesetzt, die auch Geschwindigkeitsüberwachungen durchführen und dabei regelmäßig erhebliche Geschwindigkeitsverstöße mit ProViDa-Fahrzeugen dokumentieren. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Was konkret werfen der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde und/oder die Polizei Hamburg bis zum Jahresende bei den Geschwindigkeitskontrollen zusätzlich in die Waagschale? Siehe Vorbemerkung. 2. Inwiefern haben sich die der Polizei Hamburg für die mobile Geschwindigkeitsmessung und für Einsätze mit ProViDa-Fahrzeugen zur Verfügung stehenden a) personellen, b) technischen Ressourcen im laufenden Jahr verändert? 3. Inwiefern werden die der Polizei Hamburg für die mobile Geschwindigkeitsmessung und für Einsätze mit ProViDa-Fahrzeugen zur Verfügung stehenden a) personellen, b) technischen Ressourcen bis zum Jahresende verändert? 4. Wie hat sich der Bestand an ProViDa-Fahrzeugen bei der Polizei Hamburg seit 2011 entwickelt und wie viele dieser Fahrzeuge waren jeweils aus welchen Gründen nicht einsatzfähig? (Bitte jahresweise und auch für das laufende Jahr jeweils zu den Stichtagen 1.1. und 1.7. sowie aktuell angeben.) Seit dem Jahr 2011 stehen unverändert 13 mit mobilen Geschwindigkeitsüberwachungsgeräten ausgestattete Messfahrzeuge zur Verfügung. Zurzeit sind davon drei Geschwindigkeitsmessgeräte (Radargeräte der älteren Generation) nicht in Betrieb. Eines der drei Messfahrzeuge wird derzeit mit einem Lasergerät der neusten Generation ausgestattet und soll bis Ende des Jahres wieder einsetzbar sein. Für die verbleibenden zwei Messfahrzeuge ist die Instandsetzung unwirtschaftlich. Sie werden im Rahmen einer angedachten Modernisierung der Geschwindigkeitsmesstechnik kurzfristig durch Neubeschaffung ersetzt. Der Bestand an ProViDa-Fahrzeugen beläuft sich seit 2011 durchgängig auf neun Kraftfahrzeuge (davon acht Pkws und ein Krad). Seit dem 29. September 2017 sind zwei der ProViDa-Fahrzeuge ausgemustert. Deren ProViDa-Anlagen werden zurzeit in neue Fahrzeuge eingebaut. Nach aktueller Planung werden diese am 2. Dezember 2017 in Betrieb genommen. Längere Ausfallzeiten durch erforderliche Eichungen, Reparaturen, technische Veränderungen , Modernisierungen des Fuhrparks oder der Messtechnik sind unvermeidbar. Über Ausfallzeiten der Fahrzeuge wird keine Statistik geführt. 5. Wie viele Einsätze mit den Videonachfahrsystemen (ProViDa) wurden von der Polizei Hamburg seit 2011 zur Vermeidung von Aggressionsund Geschwindigkeitsdelikten durchgeführt? (Bitte jahresweise und auch für das laufende Jahr aufschlüsseln.) Drucksache 21/11040 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Im Jahr 2017 wurden bis zum 31. Oktober 2017 von der Polizei 809 Einsätze mit dem Videonachfahrsystem durchgeführt. Im Übrigen siehe Drs. 21/8356. 6. Wie viele ProViDa-Fahrzeuge wurden im laufenden Jahr neu beziehungsweise zusätzlich in den Dienst der Polizei Hamburg gestellt, welche Kosten sind dadurch entstanden und welche Stellen haben diese Kosten zu welchen Anteilen getragen? Bisher keine. 7. Wie viele weitere ProViDa-Fahrzeuge sollen bis zum Jahresende neu beziehungsweise zusätzlich in den Dienst der Polizei Hamburg gestellt werden, welche Kosten entstehen dadurch und welchen Stellen tragen diese Kosten zu welchen Anteilen? Anfang Dezember 2017 werden zwei neue ProViDa-Fahrzeuge als Ersatzbeschaffung in Betrieb genommen. Die Kosten für die Fahrzeuge setzen sich aus dem Neufahrzeugpreis von etwa je 47.000 Euro und den Einbaukosten der alten ProViDa-Anlagen in Höhe von etwa 26.000 Euro zusammen. Die Kosten werden von der Polizei getragen . 8. Welche Kosten fallen aktuell insgesamt für die Indienststellung eines ProViDa-Fahrzeuges an? Die Kosten für eine Neubeschaffung variieren nach Autohersteller, Ausstattung und verwendeter Verkehrsüberwachungstechnik. 9. Wie viele Verkehrsgroßkontrollen wurden seit 2011 in Hamburg durchgeführt ? (Bitte jahresweise und auch für das laufende Jahr aufschlüsseln.) Im Jahr 2017 wurden bis zum 31. Oktober 2017 von der Polizei 30 Verkehrsgroßkontrollen durchgeführt. Im Übrigen siehe Drs. 21/8356. 10. Wie viele weitere Verkehrsgroßkontrollen sind für das laufende Jahr noch in Hamburg geplant? Im Rahmen der Schwerpunktsetzung wurde die Planung für das laufende Jahr erhöht, sodass noch 15 Verkehrsgroßkontrollen geplant sind. Im Übrigen siehe Vorbemerkung . 11. Zum1. März 2017 stellte sich der Personalbestand bei der für die mobile Verkehrsüberwachung zuständigen Verkehrsdirektion (VD) laut Drs. 21/8356 folgendermaßen dar: Es gab damals 176 Stellen bei einem Besetzungsumfang von 131,78 Vollzeitäquivalenten (VZÄ) und 145 Beschäftigten. Das waren seinerzeit knapp 13 VZÄ und drei Beschäftigte weniger als zum 1. Januar 2011. a) Wie hat sich der Personalbestand bei der mobilen Verkehrsüberwachung in Hamburg zum 1. Juli 2017 dargestellt? (Bitte die Stellenzahl , die VZÄ, die Beschäftigtenzahl, die Zahl unbesetzter Stellen sowie die konkreten Gründe für etwaige Vakanzen angeben.) b) Wie stellt sich der Personalbestand bei der mobilen Verkehrsüberwachung in Hamburg aktuell dar? (Bitte die Stellenzahl, die VZÄ, die Beschäftigtenzahl, die Zahl unbesetzter Stellen sowie die konkreten Gründe für etwaige Vakanzen angeben.) Die mobile Verkehrsüberwachung wird sowohl von der Verkehrsdirektion (VD) als auch den örtlichen PKs durchgeführt. Der Personalbestand kann nur bezogen auf die VD mitgeteilt werden. Darüber hinaus ist die Verkehrsüberwachung grundsätzlich Aufgabenbestandteil aller Vollzugskräfte der Polizei. Im Übrigen siehe Drs. 21/7404. Bei der Bearbeitung dieser Schriftlichen Kleinen Anfrage ist aufgefallen, dass die Anzahl der Beschäftigten in der Drs. 21/8356 (Stichtag: 1. März 2017) aufgrund eines Auswertungsfehlers mit 145 angegeben wurde. Die korrekte Anzahl der Beschäftigten zu diesem Stichtag war 136. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/11040 5 Stichtag Stellen Freie Stellenanteile Verfügbare Personalkapazität/ VZÄ Beschäftigte 01.07.2017 176 6,60 126,89 130 01.11.2017 176 9,28 130,66 134 Bei den Angaben handelt es sich um stichtagsbezogene Momentaufnahmen, die sich permanent ändern. Die freien Stellenanteile ergeben sich aus individuellen, persönlichen Arbeitszeitdispositionen, wie zum Beispiel Teilzeitbeschäftigung von Mitarbeitern. 12. Inwiefern wird sich der Personalbestand bei der mobilen Verkehrsüberwachung in Hamburg bis zum Jahresende gegenüber dem Ist-Stand verändern? (Bitte die geplanten Veränderungen hinsichtlich der Stellenzahl , der VZÄ, der Beschäftigtenzahl und der Zahl unbesetzter Stellen angeben.) Derzeit sind keine Veränderungen geplant. Im Übrigen siehe Antworten zu 1. bis 4.