BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/11095 21. Wahlperiode 01.12.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Heike Sudmann (DIE LINKE) vom 23.11.17 und Antwort des Senats Betr.: Salamitaktik beim Überseequartier-Einkaufszentrum und Kreuzfahrtterminal in der HafenCity: Klein anfangen, nach und nach immer größer und belastender werden Die Planungen für das Südliche Überseequartier (ÜSQ) zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass zu Beginn mit niedrigen, nicht so erschreckend wirkenden Zahlen agiert wird. Im Laufe der Zeit gibt es dann erhebliche Vergrößerungen , teilweise Verdoppelungen. So war ursprünglich von knapp 40.000 Quadratmeter Einzelhandelsflächen die Rede, jetzt sind es gut 80.000 Quadratmeter . Die Gesamtfläche des ÜSQ ist von knapp 200.000 über circa 228.000 (Drs. 20/14066 vom 16.12.2014) auf nunmehr fast 270.000 Quadratmeter angewachsen. Das Kreuzfahrterminal HafenCity, ebenfalls im Südlichen Überseequartier geplant, ist mit 4.600 Quadratmetern (Drs. 20/14066) gestartet und soll nunmehr bei 7.600 Quadratmetern landen. Mit den hinzukommenden zwei Ebenen mit jeweils 1.300 Quadratmetern ist der aktuelle Endwert 8.200 Quadratmeter . Lag die ursprüngliche maximale Größe der abzufertigenden Kreuzfahrtschiffe bei 3.600 Passagieren/-innen, soll sie jetzt bis zu 6.000 betragen können. Da innerhalb von drei Stunden ein kompletter Wechsel der Schiffspassagiere /-innen erfolgen soll, geht es also um bis 12.000 Passgiere/-innen, die in dieser Zeit mit dem Schiff ankommen oder wegfahren (alle Zahlen sind der Drs. 21/10347 „Weiterentwicklung des Kreuzschifffahrtsstandortes Hamburg “ entnommen). Erstaunlich angesichts dieser Entwicklungen ist die nachfolgende Behauptung des Senats: „Im Ergebnis ist die Abwicklung der Verkehrsströme am Kreuzfahrtterminal HafenCity gesichert.“ (Drs. 21/10347, Nummer 2.3, Seite 7.) Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Mit der Veränderung von Flächengrößen einzelner Nutzungsarten geht nicht notwendigerweise eine proportionale Änderung entsprechender Verkehrszahlen einher. Im Kontext der Verkehrsmengen stellt sich das Überseequartier wie folgt dar: Aufgrund der Planung des südlichen Überseequartiers „alt“ wurden in 2010 insgesamt circa 21.800 Fahrzeugbewegungen in der Prognose zugrunde gelegt, für die aktuelle Planung beläuft sich der Wert auf circa 24.300 Fahrzeugbewegungen. Verkehrslenkende Maßnahmen, die eine Minderung der Fahrzeugbewegungen im Bereich Überseequartier bewirken können, sind gegenwärtig in Prüfung. Darüber hinaus resultiert aus der Umplanung des südlichen Überseequartiers eine verkehrliche Neuorganisation. So sollen der gesamte Lieferverkehr, der Busverkehr Drucksache 21/11095 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 des Kreuzfahrtterminals sowie der Taxiverkehr lärm- und emissionsschonend unterirdisch abgewickelt werden. Lediglich die Lkws zur Belieferung der Schiffe sollen über die Chicagostraße oberirdisch auf die Kaioperationsfläche geführt werden. Gleichzeitig ist die ÖPNV-Anbindungsqualität außerordentlich gewachsen: Verglichen mit der alten Planung (Annahme einer U-Bahn-Verbindung vom Hauptbahnhof kommend nur bis HafenCity Universität) ist nun durch die Weiterführung der U4 bis zur Haltestelle Elbbrücken und die Schaffung eines Umsteigepunktes zu den S-Bahn-Linien S3 und S31 eine sehr gute ÖPNV-Integration im Entstehen. In Bezug auf die Verkehrserzeugung durch Kreuzfahrtpassagiere ist die Hotelentwicklung in der HafenCity zu berücksichtigen, die mit circa 1.100 Zimmern alleine im nördlichen und südlichen Überseequartier Gäste zum Aufenthalt in Hamburg einladen und dadurch zu einer weiteren Entzerrung von Verkehrsspitzen führen kann. In Abstimmung zwischen dem Bauherrn Unibail-Rodamco sowie Vertretern eines benachbarten Baufeldes ist eine Schließung der Tiefgaragenzufahrt in der San- Francisco-Straße in der Zeit nach 21 Uhr konkret vorgesehen, was zu einer Minderung von Verkehr und Emissionen zugunsten der Wohnnutzungen beitragen soll. Gleichzeitig wird von Unibail-Rodamco geprüft, ob ein Teil der einzelhandelsbasierten Lieferverkehre durch Konzentration und (Vor-)Bündelung der Anlieferung an einem Logistikstandort zusätzlich reduziert werden kann. Weiter strebt der Bauherr nach Gesprächen an, einen nicht unerheblichen Teil der Stellplätze mit E-Ladesäulen auszustatten . Die Verträglichkeit des Pkw-Verkehrs soll durch die Steigerung des E-Mobilitätsanteils auf absehbare Zeit deutlich gesteigert werden. Durch diese Maßnahmen soll eine hohe Verträglichkeit des Verkehrsaufkommens generiert werden. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen auf der Grundlage von Auskünften der HafenCity Hamburg GmbH (HCH) und der Hamburg Port Authority AöR (HPA) wie folgt: 1. Wie verteilen sich nach der in der Drs. 21/10347 zitierten Studie die prognostizierten 1,3 Millionen Passagiere/-innen jeweils auf die drei Kreuzschifffahrt-Standorte Altona, Steinwerder und HafenCity? Falls es mehrere Varianten gibt, bitte jeweils die maximale und minimale Zahl angeben. Die Prognose betrachtet das Potenzial für den gesamten Kreuzfahrtstandort Hamburg . Die Verteilung auf die Kreuzschifffahrtsstandorte war nicht Gegenstand der Studie . 2. Für den Standort HafenCity soll die Option für einen Ausbau auf Kreuzfahrtschiffe mit bis zu 6.000 Passagiere/-innen möglich sein (Drs. 21/10347, Nummer 2.4, Seiten 7 – 8). Wie viele Passagiere/-innen können nach einem erfolgten Ausbau maximal innerhalb von 24 Stunden abgefertigt werden? Soweit der genannte Ausbau realisiert würde, wäre je Anlauf eine Abfertigung von 6.000 Passagieren ankommend sowie 6.000 Passagieren abreisend innerhalb der Liegezeit vorgesehen. Die meisten Schiffe, welche Hamburg anlaufen, kommen morgens und verlassen am Abend wieder den Hafen. 3. Die Verkehrsprognosen für das ÜSQ sind umstritten, insbesondere die Anwohner/-innen, aber auch verschiedene Verbände stellen die Zahlen infrage. a. Welche Änderungen des Verkehrskonzepts beziehungsweise der Verkehrsplanung ergeben sich aus den Neuplanungen für das Kreuzfahrtterminal? Bitte veränderte Prognosezahlen, abweichende Planungen et cetera angeben. Das Verkehrskonzept der äußeren wie der inneren Erschließung des südlichen Überseequartiers bleibt von der Veränderung der Terminalgröße unberührt. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/11095 3 Die „Verkehrsuntersuchung zur äußeren Erschließung Südliches Überseequartier“ (ARGUS 2016) berücksichtigt bereits 8.560 m² Bruttogeschossfläche (BGF) Terminalflächen mit einer Verkehrserzeugung von circa 3.060 Kfz/Tag. Grundsätzlich ist zu beachten, dass diese Verkehre zu einem großen Teil am Vormittag und frühen Nachmittag auftreten, also zu Zeiten allgemein geringerer Verkehrsbelastung. Sie addieren sich damit nicht zur Spitzenbelastung. Die Prognose wird gestützt durch die vertiefende Untersuchung „Verkehrserhebung Kreuzfahrtterminal HafenCity“ (ARGUS 2015), die Anlage zur Verkehrsuntersuchung ist. Sie berücksichtigt durch Zählungen belegte Werte zum Fahrzeugaufkommen und der Verteilung der Fahrten auf verschiedene Verkehrsträger. Die „Verkehrsuntersuchung zur äußeren Erschließung Südliches Überseequartier“ (ARGUS 2016) wurde von der HCH in verschiedenen kleineren und größeren Runden, zum Beispiel im HafenCity Infocenter im Kesselhaus im Rahmen von HafenCity-Bewohnerveranstaltungen, öffentlich vorgestellt. Die Untersuchung samt Anlagen ist im Transparenzportal abrufbar. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. b. Bisher wurde von Kreuzfahrtschiffen mit bis zu 2.500 Passagieren/ -innen ausgegangen. Wie viel Pkw-, Minibus-, Taxen- und Busfahrten wurden jeweils für den Passagierwechsel berechnet? c. Mit wie vielen der vorgenannten Fahrten wird bei Kreuzfahrtschiffen mit bis zu 3.600 Passagieren/-innen gerechnet? d. Mit wie vielen der vorgenannten Fahrten wird bei Kreuzfahrtschiffen mit bis zu 6.000 Passagieren/-innen berechnet? Die Verkehrserhebung „Kreuzfahrtterminal HafenCity“ (ARGUS 2015) stellt für den beobachteten Anlauf eines Schiffs mit circa 2.300 Passagieren einen Quell- und Zielverkehr von circa 2.200 Fahrten (circa 1.200 Pkw-, 770 Taxi-, 169 Bus- und 50 Lkw- Fahrten) fest. Weitere Daten liegen nicht vor. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. e. Wo wurde das gegebenenfalls veränderte Verkehrskonzept veröffentlicht oder öffentlich vorgestellt? Falls die steigenden Passagierzahlen zu keinem Anwachsen der prognostizierten Verkehre und des Verkehrskonzept führen sollen, was ist die Begründung hierfür? Siehe Antwort zu 3. a. 4. Waren bei der Ursprungsgröße für das Kreuzfahrtterminal von 4.600 Quadratmeter auch die zwei „Ebenen mit jeweils 1.300 Quadratmeter Geschossfläche für Taxi/Pkw und Busanbingung“ enthalten? Die Größe von 4.600 m² bezog sich bei Abschluss des Dauernutzungsrechtsvertrages ausschließlich auf die beiden Abfertigungsebenen. Nicht enthalten waren die darunter liegenden Taxi-, Pkw- und Busflächen. 5. Sind bei den Mehraufwendungen von 10 Millionen Euro, die die Freie und Hansestadt Hamburg über das Sondervermögen Stadt und Hafen tragen will, auch Aufwendungen enthalten, die nicht ausschließlich dem Ausbau des Terminals dienen, also Folgekosten? Wenn ja, welche und in welcher Höhe? Die Kostenpositionen umfassen Mehrkosten im Bereich der Transportanlagen im Gebäude, Mehrkosten für die Haustechnik sowie für die Logistikflächen für Pkws/ Taxen, Kiss and Ride, Busflächen sowie exklusiv genutzte Gepäckhandlingflächen. 6. Sollen die Mehraufwendungen von bis zu 10 Millionen Euro die Rohbaukosten ganz oder teilweise abdecken? Nein. Im Übrigen siehe Antwort zu 5. 7. Laut Drs. 20/14066, Nummer 5.3, Seite 19, wurde eine Heimfallregelung vereinbart. Wenn weniger als 25 Kreuzfahrtschiffe innerhalb von zwei Jahren das Terminal anlaufen, kann Unibail nach einem weiteren Jahr Drucksache 21/11095 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 gegen eine Entschädigungszahlung von 10.000 Euro die Übertragung des Dauernutzungsrechts auf sich verlangen. Bleibt diese Regelung bestehen? Wenn ja, weshalb erfolgt keine Anpassung, zum Beispiel der Anzahl der Schiffe, der Entschädigungssumme et cetera? Wenn nein, welche Änderungen sind geplant? Die Anlaufprognosen geben keinen Anlass, die Heimfallregelung anzupassen. 8. Laut Drs. 20/14066, Nummer 4.7, Seite 14, sollte die Unternehmensgruppe „... Unibail die Terminalflächen ab dem Zeitpunkt des Rohbaus zum Ausbau und zum anschließenden Betrieb des Terminals durch die FHH zur Verfügung stellen.“ Alle Vertragsregelungen in Bezug auf die Errichtung durch Unibail-Rodamco beziehen sich auf den sogenannten geschlossenen Rohbau, das heißt inklusive geschlossener thermischer Fassade, dem inneren Abschluss gegenüber anderen Nutzungen und zentraler Teile der technischen Gebäudeausrüstung. a. Wie hoch wurden die Kosten für den Rohbau angesetzt? b. Wer hatte nach dem damaligen Stand die Kosten des Rohbaus zu tragen? c. Falls eine Beteiligung der Freien und Hansestadt Hamburg vorgesehen war: in welcher Höhe? Die Kosten des geschlossenen Rohbaus werden von Unibail-Rodamco getragen und nicht vertraglich bestimmt. 9. Ist die Errichtung einer zweiten Landstromanlage in der HafenCity unabdingbare Voraussetzung für die Steigerung der Schiffs-Abfertigungszahlen ? Falls nein, weshalb nicht? Nein. Die Steigerung der Schiffs-Abfertigungszahlen ist maßgeblich durch die Nachfrage der Reedereien bestimmt. Hierfür ist die Energieversorgung der Schiffe keine unabdingbare Voraussetzung. 10. Wird die geplante Landstromanlage groß genug sein, um die maximale Anzahl von Kreuzfahrtschiffen innerhalb von 24 Stunden mit Landstrom zu versorgen? a. Falls nein, wie viele Schiffe welcher Größenordnung können maximal innerhalb von 24 Stunden versorgt werden? b. Falls ja, wird es für alle Schiffe eine Pflicht zur Landstromnutzung geben? Es ist geplant, die Landstromanlage so zu dimensionieren, dass auch große Kreuzfahrtschiffe mit Landstrom versorgt werden können. Eine Pflichtnutzung ist nicht geplant.