BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/11099 21. Wahlperiode 01.12.17 Schriftliche kleine Anfrage des Abgeordneten Martin Dolzer (DIE LINKE) vom 23.11.17 und Antwort des Senats Betr.: Fortführung des Code of Conduct? In einer Pressemitteilung der GEW Hamburg vom 08. November 2017 heißt es: „(…) Die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen an den Hochschulen sind geprägt von Zeitverträgen, unsicheren Berufsperspektiven, mangelnder Ausstattung der Arbeitsplätze und einer zunehmenden Arbeitslast. In Hamburg wurde 2013 von Seite der Behörde eine AG „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ eingerichtet, die gesetzliche Änderungen sowie einen „Code of Conduct“ (CoC) für die Hochschulen auf den Weg brachte. (…) Verbesserungen wurden in Aussicht gestellt – und erste, wenn auch kleinere, Erfolge sind erzielt. In einer Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft vom Januar 2017 wird ein Sachstand zur Umsetzung des CoC gegeben, der jedoch insbesondere im Abschnitt zur Uni Hamburg besser klingt, als es dort tatsächlich ist. Noch immer dominieren prekäre Stellen, wenn überhaupt auf Stellen und nicht auf Stipendien, Lehraufträgen oder „selbstfinanziert “ gelehrt und geforscht wird, und das im Gegensatz zum Leitbild „Stadt der Guten Arbeit“ und den Intentionen des CoC. Dies haben wir – die GEW, ver.di und die Konferenz des akademischen Personal an der UHH (KAP) – zum Anlass genommen, eine Veranstaltungsreihe durchzuführen, bei der wir mit den verantwortlichen Akteuren aus Politik und Hochschulen ins Gespräch kommen und darüber diskutieren wollen, was gut läuft und wo noch wie nachgesteuert werden muss. Am Montag, 6.11. fand eine Diskussionsrunde mit VertreterInnen der Bürgerschaftsparteien statt. (…) Direkt zu Beginn wurde von Seite der Veranstalter Innen darauf hingewiesen, dass die Ergebnisse der AG gut seien, es jedoch an der Umsetzung hapere und es völlig unverständlich sei, dass der Prozess nun abgebrochen und in ein Monitoring überführt werde. (…) Diskutiert wurde darüber hinaus zu den „heißen“ Themen der Lehrbeauftragten-Vergütung sowie zu der Frage, wie Dauerstellen zu definieren sind. Da laut Hochschulgesetz für Daueraufgaben Dauerstellen bereitzuhalten sind gibt es aktuell verschiedene Vermeidungsstrategien der Hochschul-Personalverantwortlichen , möglichst wenige dieser Stellen anzubieten.“ Auch die Vergütung der Lehrbeauftragten ist trotz einer neuen Obergrenze von 60 Euro weiterhin problematisch, da viele Hochschulen beziehungsweise deren Fakultäten oder Fachbereiche weiterhin lediglich den vorherigen Satz von 40 Euro zahlen, da von der Behörde ein Rahmen zwischen 30 und 60 Euro festgelegt wurde. Mit Vorbereitungszeiten, Betreuung der Studierenden (Sprechstunden und E-Mail-Verkehr) und Korrekturen ergeben sich damit weiterhin faktisch Stundensätze unter dem Niveau des gesetzlichen Mindest- Drucksache 21/11099 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 lohns und eine prekäre Beschäftigung bei denjenigen, die ihren Lebensunterhalt überwiegend aus Lehraufträgen bestreiten. Seitens der GEW, ver.di und der weiteren Akteure/-innen wird darüber hinaus insbesondere kritisiert, dass die oben genannte AG nicht in die Evaluierung einbezogen wird und sogar darüber nachgedacht werde, den Code of Conduct zu beenden. Ein dynamischer Prozess wie die Umsetzung des CoC kann am besten mit den beteiligten entwickelt werden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die AG Code of Conduct ist von der zuständigen Behörde für Vertreterinnen und Vertreter des wissenschaftlichen Personals, der Hochschulleitungen sowie der Personalräte und der Gewerkschaften gegründet worden, um ein gemeinsames Verständnis über die Beschäftigungssituation des wissenschaftlichen Mittelbaus und über Handlungsoptionen zu ihrer Weiterentwicklung herzustellen und Ziele festzulegen. Ein zentraler Aspekt ist die Vermeidung prekärer Beschäftigung in der Wissenschaft. Unter prekärer Beschäftigung hatte die AG Beschäftigungsbedingungen von kurzer Dauer (bis zu einem Jahr), die kaum eine angemessene Qualifizierung und/oder Vergütung in der Qualifizierungsphase gewährleisten, verstanden. Jede Hochschule ist dabei für eine präzisierende Umsetzung und Kommunikation der Vereinbarung unter Berücksichtigung ihrer spezifischen Gegebenheiten selbst verantwortlich. Bundesweit haben sich die Beschäftigungsverhältnisse von wissenschaftlichem Personal verändert, weil sich das Verhältnis von staatlicher Grundfinanzierung und staatlicher Projektförderung verschoben hat. Um diesen Wandel so zu gestalten, dass unter den neuen Bedingungen die Grundsätze von guten Beschäftigungsverhältnissen an Hochschulen Geltung haben, wurde auf Bundesebene das Wissenschaftszeitvertragsgesetz angepasst, das im März 2017 in Kraft getreten ist, und auf Ebene des Landes seit 2013 die AG Code of Conduct eingesetzt. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Plant der Senat, zukünftig die AG in die Evaluierung und Entwicklung des CoC wieder einzubeziehen? Wenn nein, aus welchem Grund? Ja. 2. Gibt es seitens des Senats Planungen, den Prozess der Fortschreibung und Weiterentwicklung des CoC zu beenden? Wenn ja, mit welchem Ziel und welcher Alternative? Nein. Der Code of Conduct befindet sich in der Umsetzung. Die Beteiligten sind auf der Grundlage des eingeführten Reportings im Gespräch. Darüber hinaus tagt die AG Code of Conduct weiterhin. 3. Teilt der Senat die Ansicht, dass der CoC nur umgesetzt werden kann, wenn den Hochschulen ausreichende staatliche finanzielle Mittel – also mehr Mittel als bisher – zur Verfügung stehen? Wenn nein, wie sollen die guten Arbeitsbedingungen finanziert werden? Siehe Vorbemerkung. 4. Teilt der Senat die Sichtweise, dass es bei zeitgebundenen Drittmittelprojekten schwer ist, die Vorgaben des Code of Conduct, insbesondere in Bezug auf unbefristete Arbeitsstellen einzuhalten, obwohl Forschung eine Daueraufgabe ist? Wenn nein, wie bewertet er die oben zitierte diesbezügliche Kritik von Gewerkschaften und Lehrbeauftragten? Eine Beschäftigung in Drittmittelprojekten ist nicht als solche prekär. Drittmittelprojekte sind charakteristischerweise zeitlich begrenzt. So auch die darauf beruhenden Arbeitsverhältnisse. An die Stelle des Qualifizierungsziels tritt bei der Drittmittelbefris- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/11099 3 tung die beschränkte Zeitdauer als Befristungsgrund. Damit steht, anders als bei der Qualifizierungsbefristung, die eigene wissenschaftliche Qualifikation im Rahmen einer Drittmittelbefristung nicht im Vordergrund. Auch wenn Forschung grundsätzlich zu den Kernaufgaben der Wissenschaft zählt, ist das einzelne Forschungsvorhaben im Rahmen von Drittmittelprojekten nicht zwingend gleichbedeutend mit der Wahrnehmung einer Daueraufgabe, für die eine Dauerstelle bereitgehalten werden muss. Anders als bei einer fortwährenden Aufgabe im Wissenschaftsbetrieb ist die Forschung in einem Projekt mit einer klaren Zielstellung umgrenzt. Ob es sich bei den wahrgenommenen Tätigkeiten um eine Daueraufgabe handelt, unterliegt einer Prüfung im Einzelfall. Dies zu überprüfen, obliegt den wissenschaftlichen Einrichtungen bei Einstellung. Die Universität Hamburg zum Beispiel verwendet dafür Qualifizierungsbögen, die mit Hinweis auf die Vorgaben des Code of Conduct eine angemessene Vertragslaufzeit sicherstellen und gemeinsam mit dem Personalrat entwickelt wurden. 5. Teilt der Senat die Sichtweise, dass es bei Lehraufträgen schwer ist, eine Vergütung zu erreichen, die beim tatsächlich erforderlichen Arbeitsaufwand pro Stunde noch über dem Niveau des gesetzlichen Mindestlohns liegt? Wenn nein, wie bewertet er die oben zitierte diesbezügliche Kritik von Gewerkschaften und Lehrbeauftragten? Die zuständige Behörde teilt diese Auffassung nicht. Lehrbeauftragte nehmen die ihnen übertragenen Lehraufgaben selbstständig wahr. Die Lehre wird in eigener Verantwortung weisungsfrei erteilt. Lehraufträge dienen primär der Ergänzung des Lehrangebots , um den Wissenstransfer zwischen Praxis und akademischer Lehre zu ermöglichen. Die Übernahme eines Lehrauftrags erfolgt in der Regel aus einer Berufstätigkeit der betreffenden Person heraus. Teilweise erfolgt die Ausübung unentgeltlich, weil sie die Reputation des Lehrbeauftragten befördert. Der durchschnittlich erforderliche Arbeitsaufwand ist vom jeweiligen Fach und Lehrauftrag abhängig. Den Rahmen für eine angemessene Vergütung hat die Behörde durch die Festlegung der Mindest- und der Höchstgrenzen der Vergütungssätze geschaffen. Die Hochschulen können diesen Rahmen nach eigenem Ermessen ausschöpfen. Neben der Erhöhung der Obergrenze wurde erstmals auch eine Untergrenze eingeführt.