BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/11157 21. Wahlperiode 05.12.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Jörn Kruse (AfD) vom 29.11.17 und Antwort des Senats Betr.: Rückfälligkeitsquote bei Häftlingen Aktuellen Erkenntnissen zufolge werden bundesweit 40 Prozent der entlassenen Häftlinge innerhalb eines Jahres rückfällig. In Hamburg hat dieser Befund unlängst zu dem Ansinnen geführt, diese Quote zu senken. Um dieses Ziel zu erreichen, will der Senat das sogenannte Resozialisierungs- und Opferhilfegesetz auf den Weg bringen, das zum 1. Januar 2019 in Kraft treten und ehemalige Strafgefangene nach ihrer Entlassung bei der Rückkehr in ein Leben jenseits der Kriminalität unterstützen soll. Mit dieser Initiative folgt der Senat dem Grundsatz der Resozialisierung, der in Paragraf 2 Satz 1 des Strafvollzugsgesetzes festgeschrieben ist. Dort heißt es: „Im Vollzug der Freiheitsstrafe soll der Gefangene fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Strafe zu führen.“1 Gemäß den Planungen des Senats soll künftig jeder Strafgefangene einen Rechtsanspruch auf ein Übergangsmanagement erhalten, der es ihm ermöglicht, sechs Monate vor und sechs Monate nach seiner Entlassung Unterstützung bei der Rückkehr in die Gesellschaft zu erhalten. In der JVA Billwerder wird dieses Übergangsmanagement bereits seit 2014 erprobt. Von den 1.529 Insassen haben seither 1.286 Personen an dem Projekt teilgenommen, was zur Erstellung von circa 500 Eingliederungsprofilen geführt hat. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Nach der vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im Jahr 2016 herausgegebenen bundesweiten Rückfalluntersuchung „Legalbewährung nach strafrechtlichen Sanktionen – Eine bundesweite Rückfalluntersuchung 2010 bis 2013 und 2004 bis 2013“ werden entlassene Strafgefangene zwar überwiegend erneut straffällig , dennoch kehrt nur ein Drittel (nach Jugendstrafe) beziehungsweise ein Viertel (nach Freiheitsstrafe) wieder in den Strafvollzug zurück. Die Rückfälle sind also überwiegend nicht von so großem Gewicht, dass die Strafjustiz mit Freiheitsentziehungen reagiert, die in einer Haftanstalt vollstreckt werden muss. Durch das im Hamburgischen Resozialisierungs- und Opferhilfegesetz (HmbResOG) vorgesehene Übergangsmanagement werden Gefangene noch besser darauf vorbereitet , ein Leben ohne Straftaten zu führen. Mit der damit verbundenen Verknüpfung stationärer und ambulanter Maßnahmen zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft nimmt Hamburg im Bundesvergleich die Spitzenposition bei den Bemühungen zur Resozialisierung ein. Den Gefangenen wird auch nach der Haftentlassung ein Netzwerk unterstützender und aufeinander abgestimmter Hilfeangebote an die Seite gestellt, um das sogenannte Entlassungsloch zu vermeiden. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1 Confer Strafvollzugsgesetz Paragraf 2 Satz 1. Drucksache 21/11157 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 1. Wie hoch liegt die Rückfälligkeitsquote von Häftlingen in Hamburg innerhalb der folgenden Zeiträume nach Haftentlassung (bitte für die Zeit seit dem 1. Januar 2010 beantworten): a) sechs Monate, b) ein Jahr, c) eineinhalb Jahre, d) zwei Jahre, e) zweieinhalb Jahre, f) drei Jahre, g) vier Jahre, h) fünf Jahre? Eine auf Hamburg bezogene „Rückfallstatistik“ wird derzeit nicht geführt. „Rückfallstatistiken “ werden aufgrund der Besonderheiten bei der Erhebung der erforderlichen Daten und des wissenschaftlichen Anspruchs in der Regel im Rahmen von Forschungsprojekten erstellt, wie zum Beispiel der Studie zur Legalbewährung des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz. Dort wurden die Rückfallquoten anhand des Bundeszentralregisters erhoben, aber keine Aussagen zum Erfolg von Resozialisierungsmaßnahmen geliefert. Die Leistung des Strafvollzugs kann ohnehin nicht allein anhand von Rückfallstatistiken beurteilt werden. Um die Wirksamkeit von Resozialisierungsmaßnahmen messen zu können, müssen aufwändige Struktur- und Prozessevaluationen über mehrere Jahren erfolgen, die den persönlichen Entwicklungen der untersuchten Personen Rechnung tragen und gleichzeitig kriminalitätsrelevante Merkmale berücksichtigen. Derartige Wirksamkeitsüberprüfungen werden auch im Hamburger Justizvollzug für einzelne Vollzugseinrichtungen oder -maßnahmen durchgeführt. Nach Inkrafttreten des ResOG werden die dort zu etablierenden Prozesse regelmäßig überprüft werden. 2. Wie viele Häftlinge könnten durch die Ratifizierung des Gesetzes nach gegenwärtigem Sachstand einen Rechtsanspruch auf ein Übergangsmanagement geltend machen? Jährlich werden durch das geplante Gesetz in Hamburg circa 1.400 Menschen einen Rechtsanspruch auf die Erstellung eines Eingliederungsplans bekommen. 3. Wie hoch belaufen sich die Kosten, die für die Einstellung und Bezahlung von involviertem Fachpersonal pro Jahr anfallen? Für die Einstellung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Fachamt Straffälligenund Gerichtshilfe sowie für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der einzusetzenden freien Träger wird unter Anrechnung bisheriger Kofinanzierungsmittel mit folgenden Kosten kalkuliert: Jahr Kosten in Euro 2019 1.500.000 2020 1.500.000 2021 1.800.000 4. Für welche Straftätergruppen ist das Resozialisierungs- und Opferhilfegesetz gedacht? Gibt es womöglich Ausnahmen? Falls ja, welche? Das Gesetz soll auf alle Straftätergruppen einschließlich der Sicherungsverwahrten Anwendung finden, jedoch ohne andere Insassen des Maßregelvollzugs (§ 2 Absatz 2 des HmbResOG-E). 5. Welche Maßnahmen umfasst das Übergangsmanagement im Detail? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/11157 3 Das Übergangsmanagement ist in mehrere Phasen unterteilt: 1. Erstkontakt, 2. Assessment, 3. Planung, 4. Intervention, 5. Monitoring, 6. Evaluation. Im Rahmen des Übergangsmanagements werden die Gefangenen beziehungsweise Untergebrachten bei der Ordnung ihrer persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten unterstützt. Die Maßnahmen richten sich nach den Erfordernissen des Einzelfalls. Im Rahmen der Eingliederungsplanung werden die Bedarfe der Klientinnen und Klienten und die notwendigen Handlungsschritte erfasst. Der Eingliederungsplan kann Maßnahmen zu den Themen Wohnen, Gesundheit, Sucht, ärztliche/ therapeutische Maßnahmen, Arbeit/Ausbildung/Qualifizierung, Einkommen/Leistungsansprüche /Unterhalt, soziales Umfeld, Schulden/Forderungen/Pfändungen und Einbindung in das soziale Hilfesystem umfassen. 6. Inwieweit lässt sich das Übergangsmanagement mit dem Freigang aus dem Strafvollzug vereinbaren? Beide Instrumente lassen sich sehr gut miteinander vereinbaren. Auch Freigänger haben die Möglichkeit, am Übergangsmanagement teilzunehmen. Beide Instrumente dienen der Förderung der Wiedereingliederung. 7. Warum gibt es in Hamburg bis heute keine veröffentliche Rückfallstatistik für Straftäter? 8. Wie wird die Rückfälligkeitsquote von Straftätern in Hamburg bislang wissenschaftlich erfasst? Falls vorhanden, hierzu bitte jeweils einzelne Projekte beziehungsweise Studien nennen. Siehe Antwort zu 1. 9. Ist der Senat der Ansicht, dass sich Aussagen zur Rückfälligkeitsquote von Straftätern aus anderen Bundesländern auf Hamburg übertragen lassen? Falls ja, warum? Nein. 10. Auf welcher Datengrundlage basiert die Ausarbeitung des Resozialisierungs - und Opferhilfegesetzes? Die zugrunde liegenden Daten stammen aus den mit Mitteln des Europäischer Sozialfonds (ESF) durchgeführten Projekten „Begleitung Übergang in Freiheit“ (BÜF) und „Berufliche Eingliederung Strafgefangener“ (BEST) und wurden im Hinblick auf die Ausdehnung des Angebots in Verbindung mit der Zahl zu erwartender Haftentlassungen gesetzt.