BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/11186 21. Wahlperiode 08.12.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 01.12.17 und Antwort des Senats Betr.: Dealer-Paradies und Straftaten aus der Justizvollzugsanstalt Glasmoor heraus? Unter Bezugnahme auf meine Schriftlichen Kleinen Anfragen Drs. 21/276, 21/358 und 21/5544, 21/7245 und zuletzt vom 22. September 2017, Drs. 21/10391, sowie dem Bericht in der „Hamburger Morgenpost“ vom 1. Dezember 2017 scheint nicht nur reger Konsum von Drogen in Haft die Normalität hinter Hamburgs Gefängnismauern, sondern die JVA Glasmoor außerdem eine Schule der Dealer zu sein. Wegen Betäubungsmittelhandels verurteilte Straftäter lernen dort die Dinge, die sie vorher noch nicht wussten, und professionalisieren ihr strafbares „Gewerbe“ aus dem offenen Vollzug heraus. Aber nicht nur das Dealen soll von dort aus bestens organisiert werden , sondern auch die Führung von Bordellen. Insassen sollen sich sogar einen Freigängerstatus erschleichen, indem sie Gefälligkeits-Bescheinigungen über Arbeitsplätze vorlegen und sich dabei Arbeitgebern bedienen, die den Hells Angels nahestehen. Der Senat will nun den offenen Vollzug in der Justizvollzugsanstalt Glasmoor weiter ausbauen und dafür rund 33 Millionen Euro investieren, wie gestern im Justizausschuss beschlossen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Gemäß § 11 des Hamburgischen Strafvollzugsgesetzes (HmbStVollzG) sollen Gefangene im offenen Vollzug untergebracht werden, wenn sie hierfür geeignet sind. Der offene Vollzug bietet die besten Voraussetzungen für eine an den Lebensverhältnissen in Freiheit orientierte Vollzugsgestaltung. Er fördert zugleich die Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Gefangenen und erleichtert ihnen den Übergang in die Freiheit. Insbesondere sollen durch eine schrittweise Überleitung in die Freiheit ein mögliches „Entlassungsloch“ vermieden und die Rückfallgefahr vermindert werden. Mit seiner Öffnung nach außen beugt er zudem schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs vor. Hierzu zählen zum Beispiel die drohende Unselbständigkeit der Gefangenen beziehungsweise des Gefangenen infolge der strengen Reglementierung des geschlossenen Vollzuges oder der Verlust sozialer Beziehungen. Der offene Vollzug bietet inhaftierten Straftäterinnen und Straftätern aber auch die Chance, im Wege vollzuglicher Lockerungen den bisherigen Arbeitsplatz zu erhalten oder neue Arbeitsfelder zu erschließen, wobei potenzielle Arbeitgeber streng überprüft werden. Bei der Prüfung der Eignung der Gefangenen für den offenen Vollzug wird ein strenger Maßstab angelegt. Gefangene, bei denen eine Flucht- oder Missbrauchsgefahr angenommen werden muss, sind von einer Verlegung ausgeschlossen. Im Rahmen der Eignungsprüfung muss darüber hinaus auch festgestellt werden, dass der jeweilige Gefangene voraussichtlich den Anforderungen des offenen Vollzugs gewachsen Drucksache 21/11186 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 ist. Kriterien wie zum Beispiel Zuverlässigkeit, ein angemessenes Sozialverhalten und die Bereitschaft, die geplanten entlassungsvorbereitenden Maßnahmen umzusetzen, gehören dazu. Die Prüfung und Genehmigung von Freigang zum Zweck einer Arbeitsaufnahme außerhalb der Anstalt erfolgt gesondert, wobei sich die Eignungskriterien für den offenen Vollzug und den Freigang grundsätzlich überschneiden Das vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Welche Erkenntnisse liegen dem Senat beziehungsweise der zuständigen Behörde darüber vor, ob von der JVA Glasmoor aus Straftaten, insbesondere im Zusammenhang mit BtM-Delikten außerhalb der Anstalt, begangen werden? Straftaten von Gefangenen der JVA Glasmoor während Lockerungen kommen vor und führen zur Rückverlegung in den geschlossenen Vollzug. Seit 2013 sind bei einer Kapazität von 209 Haftplätzen, regelmäßiger Vollbelegung und regelmäßiger Fluktuation der Gefangenen lediglich fünf Gefangene durch Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz während der Unterbringung im offenen Vollzug der JVA Glasmoor auffällig geworden. 2. Sind der zuständigen Behörde folgende Fälle bekannt: a. Ein 30-Jähriger, der 2012 wegen Handels mit 15 Kilogramm Marihuana zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und nach einiger Zeit von der JAV Billwerder in die JVA Glasmoor verlegt wurde und dort als Freigänger einer Tätigkeit in einem Malerbetrieb nachging? Falls ja, welche Erkenntnisse liegen konkret vor? Falls ja, welche Informationen hat sie darüber, ob er während dieser Zeit weiterhin dealte? Wurde der Mann zwischenzeitlich erneut verurteilt ? Falls ja, wann aufgrund welcher Delikte und zu welcher Strafe? b. Ein Mann, der 2010 wegen des Betriebs einer großen Marihuana- Plantage verurteilt wurde und bereits vom offenen Vollzug aus bei Geesthacht eine neue Plantage anlegte? Falls ja, welche Erkenntnisse liegen konkret vor? Wurde der Mann, der 2015 erneut gefasst worden sein soll, zwischenzeitlich erneut verurteilt? Falls ja, wann aufgrund welcher Delikte und zu welcher Strafe? c. Ein Mann, der 2014 zu drei Jahren Haft verurteilt wurde, weil er mit Drogen gedealt hatte, von der Haft aus einen Direktbezug aus Holland organisiert haben soll und sich gleichzeitig um eine Marihuana- Plantage bei Buchholz gekümmert haben soll? Falls ja, welche Erkenntnisse liegen konkret vor? Wurde der Mann zwischenzeitlich erneut verurteilt? Falls ja, wann aufgrund welcher Delikte zu welcher Strafe? Eine Zuordnung zu konkreten Gefangenen ist aufgrund dieser Hinweise nicht möglich. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. 3. Wie und durch wen werden (potenzielle) Arbeitgeber, bei denen sich die Insassen der JVA Glasmoor bewerben, überprüft? Die jeweiligen Arbeitgeber werden von den dafür zuständigen Bediensteten der Anstalt eingehend überprüft. Es werden im Vorfeld der Arbeitsvertrag geprüft, Informationen über die Firma eingeholt, zum Beispiel über das Internet, das Handelsregister und das Insolvenzregister. Des Weiteren kann häufig auf langjährige Erfahrungen mit zuverlässigen Arbeitgebern zurückgegriffen werden, in denen regelmäßig Freigänger beschäftigt werden. Die Prüfung erfolgt auch direkt vor Ort. Dabei werden zum Beispiel die besonderen Rahmenbedingungen eines Arbeitsverhältnisses für Freigänger Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/11186 3 erörtert und verbindliche Regelungen getroffen und schriftlich festgelegt. Besondere Bedeutung hat dabei die konkrete Vereinbarung von Benachrichtigungspflichten durch den Arbeitgeber gegenüber der Anstalt bei zeitlichen Abweichungen von der festgelegten Arbeitszeit oder betriebsbedingte örtliche Arbeitseinsatzänderungen. Bei diesen Terminen geht es auch darum, einen persönlichen Eindruck über die Geschäftstätigkeit und Absprachebereitschaft des jeweiligen Unternehmers beziehungsweise zuständigen Ansprechpartners eines Betriebes zu gewinnen. 4. Welche Voraussetzungen müssen die Arbeitgeber erfüllen, damit einer Tätigkeit durch einen Insassen zugestimmt werden kann? Es muss sich um ein Arbeitsverhältnis handeln, das der vollzuglichen Planung zur Resozialisierung des Gefangenen förderlich ist. Die Arbeitgeber müssen angemessene Arbeitsverträge vorlegen und bereit sein, eine Vereinbarung mit der Anstalt zu unterzeichnen und einzuhalten, in der die Zusammenarbeit mit der Anstalt geregelt ist. 5. Wie häufig wurden in diesem Jahr Zustimmungen zu Arbeitsverträgen aus jeweils welchen Gründen verweigert? Es wird statistisch nicht erfasst, zu welchen und wie vielen Arbeitsverträgen die Zustimmung nicht erteilt wird. In den meisten Fällen klärt sich die Frage der Zustimmung oder Verweigerung bereits in den Gesprächen der Gefangenen mit der Vollzugsabteilungsleitung und mit dem Arbeitsinspektor. Auffällig wurde ein Gefangener in diesem Jahr, der zwei nicht zu akzeptierende Arbeitsverträge vorlegte. Im ersten Fall war der Ansprechpartner in dem Betrieb nicht akzeptabel, da er wegen Betäubungsmittelhandels in der JVA Fuhlsbüttel inhaftiert gewesen war und Zweifel an einer vertrauenswürdigen Zusammenarbeit mit der Anstalt bestanden. Im zweiten Fall entstanden aus der Betriebsüberprüfung erhebliche Zweifel an der wirtschaftlichen Ergiebigkeit des Arbeitsverhältnisses. Die Anstalt verfügt über eine umfangreiche Sammlung von Namen von unzuverlässigen Arbeitsgebern, mit denen keine Arbeitsverhältnisse eingegangen werden. 6. Wie viele Insassen haben in diesem Jahr Wochenend-Ausgänge erhalten ? Bitte pro Monat angeben. a. Wie viele dieser Insassen kamen nicht pünktlich zurück? b. Welche Maßnahmen wurden daraufhin jeweils ergriffen? Die Vollzugsstatistik erfasst Freistellungen gemäß § 12 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 HmbStVollzG nach Wochentagen, nicht nach Personen. In der nachfolgenden Tabelle wird die jeweilige Anzahl der Freistellungen für Samstag und für Sonntag, addiert im entsprechenden Monat, dargestellt. Jan. Febr. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. 1072 925 923 1108 893 858 1100 870 969 1074 864 Die Gewährung von Ausgängen gemäß § 12 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 HmbSt- VollzG wird in der Vollzugsstatistik dagegen nur pro Monat und nicht nach Wochentagen erfasst. Für eine über die oben stehende Tabelle hinausgehende Beantwortung und die Angabe der Anzahl der Gefangenen, die aus Vollzugslockerungen nicht pünktlich in die Anstalt zurückkehrten, müssten von mehreren Hundert Gefangenen die Daten für jede in 2017 gewährte Vollzugslockerung einzeln ausgewertet werden. Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Die folgenden Maßnahmen werden im Fall einer verspäteten Rückkehr ergriffen: Versuch, den Gefangenen telefonisch zu erreichen Gespräch mit dem Gefangenen bei erstmaliger oder geringer Verspätung Disziplinarmaßnahmen bei wiederholter oder erheblicher Verspätung Rückverlegung in den geschlossenen Vollzug bei wiederholter Verspätung trotz Disziplinarmaßnahmen Drucksache 21/11186 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Einleitung der polizeilichen Fahndung bei Verspätung über drei Stunden ohne Meldung des Gefangenen 7. Wie viele Rückverlegungen in den geschlossenen Vollzug hat es seit Beginn des Jahrs jeweils monatlich aus welchen Gründen gegeben? Jan. Febr. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez.* 6 4 6 2 4 7 2 5 3 3 6 0 * Stichtag: 4. Dezember 2017 Die Gründe für die Rückverlegungen sind Feststellungen über die Nichteignung für den offenen Vollzug, in diesem Jahr explizit Suchtmittelmissbrauch in Bezug auf Alkohol und illegale Drogen, neuer Straftatverdacht, schwerwiegende Weisungsverstöße, Nichtrückkehr nach Lockerungen. 8. Welche Maßnahmen planen Senat oder zuständige Behörde, um das Begehen von Straftaten aus dem offenen Vollzug heraus besser zu verhindern ? Inwiefern sind verstärkte Kontrollen geplant? Der Missbrauch von Lockerungen im offenen Vollzug lässt sich nicht vollständig ausschließen . Die zuständige Behörde überprüft die Entwicklung von Missbräuchen im offenen Vollzug kontinuierlich und ergreift die angemessenen Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Sicherheitsbedingungen.