BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/11189 21. Wahlperiode 08.12.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Thilo Kleibauer (CDU) vom 01.12.17 und Antwort des Senats Betr.: Kahlschlag in den Walddörfern – Hat die Stadt die ersatzlose Rodung einer Waldfläche genehmigt? In der Sitzung des Regionalausschusses Walddörfer am 16.11.2017 wurde bekannt, dass die Wirtschaftsbehörde offenbar die umfangreiche Rodung beziehungsweise den Kahlschlag einer über 1 Hektar großen privaten Waldfläche zwischen den Straßen Duvenwischen und Schmalenremen (Flurstück 412 in Volksdorf) genehmigt hat. Ich frage den Senat: Die hier genannte Waldfläche ist circa 1,3 ha groß und hat einen schmalen Zuschnitt. Im Norden grenzen Lauben einer Kleingartensiedlung unmittelbar an; im Süden befinden sich Wohnhäuser direkt am Waldrand. Im Westen verläuft die Straße Schmalenremen , im Osten die Straße Duvenwischen. Zu allen Grenzen hin hat der Waldbesitzer die Verkehrssicherheit zu gewährleisten und haftet im Fall von Schäden. Aufgrund vermehrter Starkastabbrüche auf die Wohn- und Kleingartengrundstücke in den letzten Jahren hat der Grundeigentümer eine fachliche Stellungnahme zur Waldrand- und Waldbestandskontrolle erstellen lassen. Diese ergab eine hohe Gefährdung durch Baum- und Astbruch und die Notwendigkeit zu Maßnahmen für circa 60 Prozent des Alt-Baumbestandes. Aufgrund der daraus abgeleiteten Empfehlung des Gutachters zur Fällung des Gesamtbestandes hat der Waldbesitzer bei der Behörde für Wirtschaft , Verkehr und Innovation (BWVI) einen Antrag auf Kahlhieb des Bestandes nach § 6 Absatz (1a) Landeswaldgesetz gestellt. Im Unterschied zur Rodung, bei der auch die Wurzelstöcke entfernt werden, ist der Kahlhieb nicht mit einer Umwandlung in eine andere Nutzungsart verbunden. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Seit wann ist das oben genannte Grundstück eine Waldfläche? Die bestandsbildenden Rotbuchen weisen ein Alter von 85 bis 130 Jahren auf, wonach die Fläche mindestens seit dem frühen 20. Jahrhundert wieder bewaldet sein muss. 2. Wie setzt sich der Baumbestand auf der Fläche im Einzelnen zusammen ? Die Rotbuche ist bestandsbildend; Mischbaumarten sind Sandbirke, Stieleiche, Hainbuche , Traubenkirsche, Bergahorn, Rotfichte. 3. Wie werden der Baumbestand und die Funktion des Waldes an dieser Stelle bewertet? Das Waldstück stellt eine Biotopverbundfläche zwischen den Waldflächen im Osten und Westen dar und ist als naturschutzfachlich wertvoll eingestuft. Es ist gemäß der Drucksache 21/11189 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) als Lebensraumtyp Waldmeister- Buchenwald kartiert worden. 4. Welche Maßnahmen zum Erhalt und zur Pflege des Waldes wurden auf dieser Fläche in den letzten zehn Jahren mit dem Eigentümer vereinbart und umgesetzt? Die Pflege und Bewirtschaftung nach den Bestimmungen des Landeswaldgesetzes obliegt dem Waldeigentümer. So ist er nach § 6 des Hamburgischen Landeswaldgesetzes verpflichtet, den Wald zu erhalten und die Bestände nachhaltig, strukturreich, standortgerecht und naturnah zu bewirtschaften. Dabei hat er einen überwiegenden Anteil standortheimischer Forstpflanzen am Zielbestand zu gewährleisten. 5. Wann genau wurde für die Rodung beziehungsweise den Kahlhieb des Waldbestandes an dieser Stelle die Genehmigung bei der zuständigen Behörde beantragt? Der Antrag auf Genehmigung des Kahlhiebes ging am 12. Januar 2017 bei der zuständigen Behörde ein. 6. Wann genau wurden welche Genehmigungen nach dem Landeswaldgesetz erteilt? Wurden dabei Auflagen oder Nebenbestimmungen in der Genehmigung festgelegt? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Der Kahlhieb wurde am 14. Februar 2017 von der zuständigen Behörde mit folgenden Nebenbestimmungen genehmigt: „Vorhandene Bäume, die absehbar längerfristig verkehrssicher erhalten werden können, sind auf der Fläche zu belassen. Die Naturverjüngung ist zu erhalten. Bei den Fäll- und Rückemaßnahmen ist die Naturverjüngung zu schonen und zu erhalten. Vor Beginn der Maßnahmen ist eine Rückegasse auf der Fläche festzulegen und ausschließlich zu befahren. Die Fläche ist dauerhaft als Waldfläche zu erhalten. Sollte die Naturverjüngung längerfristig nicht für die Wiederbewaldung der Fläche ausreichen, sind Ergänzungspflanzungen mit standortgerechten , einheimischen Laubbäumen vorzunehmen.“ 7. Welche Stellen waren im Einzelnen an der Prüfung und Genehmigung des Antrags beteiligt? Die Prüfung und Genehmigung erfolgten durch die BWVI. Der Bescheid weist ausdrücklich darauf hin, dass die Kahlhiebsgenehmigung andere gesetzliche oder Verordnungstatbestände unberührt lässt. 8. Wurde der Kahlhieb der gesamten Fläche genehmigt oder sind Teile des Baumbestandes davon ausgenommen? Siehe zu Antwort zu 6. 9. Aus welchen Gründen ist der Kahlhieb an dieser Stelle forstfachlich erforderlich? Welche bestandsschonenden Alternativen zum Kahlhieb wurden an dieser Stelle geprüft? Der Kahlhieb ist zur Herstellung der Verkehrssicherheit für die angrenzenden Grundstücke erforderlich. Alternativ zum Kahlhieb müssten häufig wiederkehrende Fällungen und Maßnahmen an einzelnen Bäumen erfolgen. Diese Möglichkeit wurde seitens der zuständigen Behörde mit dem Waldeigentümer erörtert. 10. Wann, in welcher Form und in welchem Umfang wurde auf Basis der gesetzlichen Bestimmungen vor der Genehmigung des Kahlhiebs eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt? Eine Umweltverträglichkeitsprüfung für einen Kahlhieb nach § 6 Absatz 1a Landeswaldgesetz ist nicht vorgeschrieben. 11. Welche Gutachten und ähnlichen Untersuchungen wurden im Zuge der Genehmigungsprüfung im Einzelnen jeweils wann und durch wen mit Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/11189 3 welchen Fragestellungen beauftragt? Was sind die Ergebnisse dieser Gutachten im Einzelnen? Der Waldeigentümer hat eine „Fachliche Stellungnahme zur Waldrand- und Waldbestandskontrolle “ durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Baumsachständigen beauftragt. Diese wurde am 16. Oktober 2016 erstellt. Demnach wurden 275 Bäume erfasst, angesprochen und bewertet. Für 151 Bäume wurde die Notwendigkeit von Maßnahmen ermittelt, davon 42 akute Fällungen und 51 weitere Fällungen aufgrund bruchgefährdeter Zwieselbildung. Für weitere 58 Bäume wurde die Notwendigkeit der Totholzbeseitigung gesehen. Das Ergebnis des Gutachtens wurde durch die zuständige Behörde als fachlich nachvollziehbar gewertet. Außerdem wurde ein artenschutzrechtliches Gutachten vom Eigentümer der Fläche beauftragt. Das Gutachten wurde am 26. Oktober 2017 vorgelegt. Verbotstatbestände nach § 44 Absatz 1 Nummer 1 – 3 Bundesnaturschutzgesetz konnten ausgeschlossen werden. 12. In welchem Zusammenhang steht der genehmigte Kahlhieb des Waldbestandes an dieser Stelle mit dem direkt angrenzend geplanten Naturschutzgebiet „Duvenwischen“ und welche Auswirkungen ergeben sich für dieses Schutzgebiet? Wie sind der genaue Stand und der Zeitplan für die Ausweisung dieses Naturschutzgebiets? Es gibt keinen Zusammenhang des genehmigten Kahlhiebs mit dem geplanten Naturschutzgebiet „Duvenwischen“ und ebenfalls keine etwaigen Auswirkungen auf das geplante Naturschutzgebiet. Die Vorarbeiten für das geplante Naturschutzgebiet „Duvenwischen“ sind abgeschlossen . Die Ausweisung als Naturschutzgebiet ist für das Jahr 2018 vorgesehen. 13. Inwiefern werden Nutzungsänderungen auf diesem Flurstück zwischen Duvenwischen und Schmalenremen geprüft oder erwogen? Wann und in welcher Form gab es Anfragen bezüglich einer Bebauung dieser Fläche ? Dem zuständigen Bezirksamt lag am 10. Februar 2010 eine Anfrage vor, mit der geklärt werden sollte, ob eine Bebauung des Grundstücks Schmalenremen 0 (Flurstücks -Nummer 412) mit Doppel- oder Reihenhäusern möglich wäre. Die Anfrage wurde am 10. März 2010 negativ beantwortet, da die Fläche als Außenbereich nach § 35 BauGB zu beurteilen ist. Eine Bebauung ist folglich nicht zulässig. 14. Ist es zutreffend, dass die Fläche im Zuge der Suche nach Standorten für Flüchtlingsunterkünfte der Stadt angeboten wurde? Wenn nein, um welches andere Flurstück handelt es sich bei der in Drs. 21/5124 genannten Adresse „Duvenwischen/Schmalenremen“? Ja. 15. Welche genauen Verpflichtungen zur Wiederaufforstung in welchem Zeitraum ergeben sich bei einer Durchführung des Kahlhiebs für diese Fläche? Die Fläche ist dauerhaft als Waldfläche zu erhalten. Sollte die Naturverjüngung längerfristig nicht für die Wiederbewaldung der Fläche ausreichen, sind Ergänzungspflanzungen mit standortgerechten, einheimischen Laubbäumen vorzunehmen. Eine Kontrolle der Waldentwicklung auf der Fläche ist frühestens fünf Jahre nach dem Kahlhieb vorgesehen. 16. Die Bezirksversammlung Wandsbek hat am 30.11.2017 gefordert, die Genehmigung zum Kahlhieb auszusetzen, bis weitere Prüfungen stattgefunden haben und sämtliche Gutachten vorgelegt werden. Ist eine Aussetzung der Genehmigung möglich und wird diese vorgenommen? Die Genehmigung zum Kahlhieb wurde am 14. Februar 2017 rechtswirksam erteilt. Eine Aussetzung ist nicht möglich. Drucksache 21/11189 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 17. Für welche weiteren Waldflächen im Wahlkreis Alstertal/Walddörfer wurden werden seit 2012 Anträge auf Rodung, Umwandlung oder Kahlhieb nach dem Landeswaldgesetz geprüft und jeweils wann und mit welchem Ergebnis beschieden? Folgende Anträge auf Rodung und Umwandlung von Wald nach § 4 Landeswaldgesetz wurden gestellt: Flurstück 3951 teilweise, Gemarkung Volksdorf, für den Neubau eines Brunnens, genehmigt am 3. September 2013 Flurstück 1407, Gemarkung Bergstedt, für ein Wohnbauvorhaben, abgelehnt am 18. Dezember 2015 Flurstück 9030, Gemarkung Sasel, für die Erweiterung einer Tennisanlage, abgelehnt am 12. Juli 2016 Flurstück 7886 Gemarkung Volksdorf, für eine temporäre Baustraße, abgelehnt am 23. August 2016 Flurstück 487, Gemarkung Lemsahl-Mellingstedt, für den Neubau eines Doppelhauses , genehmigt am 7. Oktober 2016 Flurstück 6533 teilweise, Gemarkung Volksdorf, für den Neubau eines Brunnens, genehmigt am 14. September 2017 Es wurden im genannten Zeitraum keine weiteren Anträge auf Kahlhieb nach § 6 Absatz 1a Landeswaldgesetz gestellt.