BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/11214 21. Wahlperiode 12.12.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Carola Ensslen (DIE LINKE) vom 05.12.17 und Antwort des Senats Betr.: Arbeitslosengeld im Supermarkt – Bald auch in Hamburg? Vor Kurzem wurden Pläne der Bundesagentur für Arbeit (BA) bekannt, Leistungen nach dem SGB II und SGB III in Einzelfällen an Supermarktkassen auszahlen zu lassen. Eine Sprecherin der BA kündigte die Einführung dieses Verfahrens bis Ende 2018 an. Hierzu sei ein Vertrag mit dem Berliner Unternehmen Cash Payment Solutions geschlossen worden. Empfänger von Sozialleistungen hätten dann in dringenden Fällen oder falls der Empfänger kein eigenes Konto hat, die Möglichkeit, sich Leistungen in bar an der Kasse auszahlen zu lassen. Hierzu erhielte man beim Jobcenter einen Zettel, der dann an der Kasse eines der am Programm beteiligten Supermärkte oder Drogerien vorgelegt werde und zur Auszahlung des entsprechenden Betrages durch die Mitarbeiter berechtige. Das Verfahren begegnet jedoch erheblichen datenschutzrechtlichen Bedenken . So kann insbesondere der Sozialdatenschutz kaum gewährleistet werden , wenn diese hoheitliche Aufgabe an private Unternehmen ausgelagert wird. Hintergrund der Umstellung sei vor allem, dass die Automaten in den Jobcentern , an denen bisher Bargeld ausgezahlt wird, aus Kostengründen abgeschafft werden sollen. Die Rede war von Kosten in Höhe von 8 Euro pro Transaktion. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen teilweise auf Grundlage von Auskünften von Jobcenter team.arbeit.hamburg (Jobcenter) und der Agentur für Arbeit Hamburg (Agentur) wie folgt: 1. Inwieweit sind die Pläne dem Senat beziehungsweise der zuständigen Behörde bekannt? Welche Anweisungen gibt es genau? 2. Sollen diese auch in Hamburg so umgesetzt werden? Wenn ja, schildern Sie bitte das genaue Verfahren sowie den Zeitplan. 3. Inwieweit gäbe es für Hamburg die Möglichkeit, diese Pläne nicht umzusetzen ? Die Pläne der Bundesagentur für Arbeit (BA) wurden durch eine Information der BA in einer Sitzung der Unterarbeitsgruppe Verwaltung des Bund-Länder-Ausschusses (§ 18 c SGB II) am 7.11.2017 bekannt. Drucksache 21/11214 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Die BA testest derzeit das Verfahren. Ein Pilotversuch bei fünf bis zehn gemeinsamen Einrichtungen und Arbeitsagenturen ist von Juni bis August 2018 geplant, anschließend erfolgt eine Evaluierung und abschließende Entscheidung über die Einführung. 4. Wird vor der Einführung des Verfahrens in Hamburg eine Stellungnahme des Hamburgischen Datenschutzbeauftragten eingeholt werden? Wenn ja, welchen Einfluss hätten datenschutzrechtliche Bedenken auf das weitere Vorgehen? Wenn nein, wie wird dem Datenschutz Genüge getan? Das SGB II sieht die Datenschutzkontrolle durch den Bundesbeauftragen für den Datenschutz vor (§ 50 Absatz 4 Satz 3 SGB II). Die ausgestellten Zahlungsbelege sind neutral, ohne Logo, lediglich mit einem Barcode versehen. Die Auszahlung erfolgt also anonym und ohne jegliche Kaufverpflichtung . Andere Firmen und Behörden, wie zum Beispiel Stadtwerke, Energieversorger, Versicherungen und Banken, nutzen dieses Verfahren bereits und Kunden können schon heute Online-Einkäufe und Stromrechnungen bar an der Ladenkasse bezahlen. Weder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der beteiligten Ladenketten können erkennen, um was für eine Auszahlung es sich handelt, noch die Person, die hinter dem Kunden in der Schlange steht. Der Dienstleister, die Berliner Firma Cash Payment Solutions GmbH, erhält keinerlei personenbezogene Daten und hat daher keine Kenntnis über die Person, die diese Dienstleistung in Anspruch nimmt. 5. Welche Sozialleistungen können bisher in welchen Fällen bar ausgezahlt werden? Grundsätzlich könnten alle Geldleistungen, die das SGB II umfasst, bar ausgezahlt werden, mit Ausnahme der Beiträge der Sozialversicherung (Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge und Beiträge der privaten Kranken- und Pflegeversicherung). Die Regelleistungen werden auf das Bankkonto des Kunden überwiesen. Menschen ohne Konto erhalten ihre Zahlung als Zahlungsanweisung zur Verrechnung (ZzV). Eine Barauszahlung erfolgt nur ausnahmsweise, sofern Leistungsempfänger im Falle einer finanziellen Notlage taggleich Bedarf an Bargeld haben. 6. Welche Möglichkeiten gibt es bisher, sich Sozialleistungen in bar auszahlen zu lassen? Eine Auszahlung erfolgt entweder per Kassenkarte am Kassenautomaten (siehe Antwort zu 7.) in den Arbeitsagenturen oder Jobcenterstandorten oder per „Zahlungsanweisung zur Verrechnung (ZzV)“ zur Einlösung bei einer Bank oder Postfiliale. a) Gibt es Unterschiede in den Bezirken, dann aufgeschlüsselt nach Bezirken. Nein, siehe Antwort zu 7. b) Wie oft wurden in den Jahren 2014, 2015, 2016 und 2017 die jeweiligen Möglichkeiten genutzt? Bitte nach Jahren aufschlüsseln. Die Nutzung (Anzahl der Auszahlungen) der ZzV bei Jobcenter in den Jahren 2014 – 2017 stellt sich wie folgt dar: 2014: 3.299 2015: 635 2016: 853 2017 (Januar bis Oktober): 787 Zur Nutzung des Kassenautomaten siehe Antwort zu 7. c) Wie hoch sind die Kosten pro Transaktion für die jeweiligen Auszahlungsmöglichkeiten ? Eine Zahlung per Kassenautomat kostet 7,22 Euro. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/11214 3 7. Wie viele Barauszahlungs-Automaten gibt es in Hamburg? An welchen Standorten? Für die Nutzung durch die Standorte von Jobcenter sind 21 Barauszahlungsautomaten installiert. Diese befinden sich an folgenden Jobcenter-Standorten: Altona (Kieler Straße 39 und Alte Königstraße 8 – 14), Alstertal, Altstadt, Bergedorf, Billstedt, Bramfeld, Eidelstedt, Eimsbüttel, Harburg, HH-Nord (Langenhorner Chaussee 92 – 94 und Krohnstieg 45), Jobcenter für schwerbehinderte Menschen, Lokstedt, Mitte, Mümmelmannsberg, St. Pauli, Wandsbek, Wilhelmsburg. a) Wie oft wurden sie genutzt in den Jahren 2014, 2015, 2016 und 2017? Bitte nach Jahren aufschlüsseln. Die Nutzung (Anzahl der Auszahlungen) in den Jahren 2014 bis 2017 stellt sich wie folgt dar: 2014: 25.582 2015: 19.743 2016: 13.012 Januar bis Oktober 2017: 9.127 b) Wie viel kosten sie in der Unterhaltung pro Jahr? Die durch Jobcenter team.arbeit.hamburg abgerechneten Kosten der Servicedienstleistung Barzahlungsverkehr SGB II (Kassenautomaten) betrugen in den Jahren 2014 bis 2017: 2014: 129.332,28 Euro 2015: 89.981,56 Euro 2016: 65.315,12 Euro Januar bis Oktober 2017: 51.111,20 Euro c) Wer zahlt die Kosten für die Automaten? Die von Jobcenter zu tragenden Kosten werden aus dem Verwaltungskostenbudget des Jobcenters und damit anteilig aus dem Bundes- und Landeshaushalt bestritten. 8. Welche Leistungen sollen an den Supermarkt-Kassen ausgezahlt werden ? Wie bisher erfolgt eine Barauszahlung ausnahmsweise und ausschließlich in Fällen einer finanziellen Notlage, zum Beispiel Fahrkosten zum Vorstellungsgespräch, Bewerbungskosten, keine Mittel zum Kauf von Lebensmitteln mehr vorhanden. Im Übrigen siehe Antwort zu 5. 9. Mit welchen Märkten genau ist eine Kooperation angestrebt? Inwieweit sind diese verpflichtet, an dem Auszahlungsverfahren teilzunehmen? Die Akzeptanzstellen können unter www.barzahlen.de abgerufen werden.