BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/11220 21. Wahlperiode 12.12.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Michael Kruse und Dr. Kurt Duwe (FDP) vom 05.12.17 und Antwort des Senats Betr.: Wirtschaftliche Veränderungen verkürzter Betriebszeiten am Hamburger Flughafen Eine Verkürzung der Betriebszeiten hat wirtschaftliche Folgen für den gesamten Flughafen und seine Fluggäste. Während die FHG 2014 Mindererlöse in Höhe von 18,1 Millionen Euro schätzte, geht die Bürgerinitiative von deutlich geringeren wirtschaftlichen Folgen aus. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Die Regelung, unvermeidbare Verspätungen nach 23 Uhr zu gestatten, ist ein Bestandteil der Betriebsgenehmigung am Hamburg Airport. Darauf zählen vor allem Fluggesellschaften, die in Hamburg stationierte Flugzeuge betreiben. Eine Ausweichlandung in Hannover oder auch Rostock-Laage zieht für die Fluggesellschaft beträchtliche Folgekosten nach sich, abgesehen von den damit verbundenen Unannehmlichkeiten und dem hohen Imageschaden bei den Fluggästen. Gleiches gilt für Luftverkehrsgesellschaften, deren Flugzeuge an anderen Flughäfen in Europa stationiert sind und am Abend nicht mehr zu ihrer Basis fliegen können. Hier ist zu erwarten, dass Fluggesellschaften Hamburg aus ihren Umläufen am Nachmittag /Abend streichen werden, wenn sie Gefahr laufen, Hamburg am Abend nicht mehr verlassen zu können. Dies wäre mit entsprechend großen Auswirkungen auf Passagiere , Crew und Umläufe verbunden. Welche Fluglinien konkret Umläufe streichen würden, kann seitens der zuständigen Behörde nicht beurteilt werden. Fluggesellschaften, die in Hamburg Flugzeuge stationiert haben, stünden vor wesentlichen Entscheidungen. Ist bei einem in Hamburg stationiertem Flugzeug mehrmals pro Jahr eine Landung nach 23.30 Uhr nicht auszuschließen und muss infolge dessen der Flug zu einem Ausweichflughafen umgeleitet werden, kann der Umlauf aufgrund der durch die Umleitung entstehenden Folgekosten höchst unwirtschaftlich sein. In der Folge würde die Luftverkehrsgesellschaft gegebenenfalls das gesamte Flugzeug abziehen . Stationierte Flugzeuge, deren Crews überwiegend in Hamburg wohnen, machen rund zwei Drittel aller Flugbewegungen am Hamburg Airport aus. Bei einem Nachtflugverbot ab 22 Uhr würden einige der am Flughafen stationierten Flugzeuge abgezogen und an einem anderen Flughafen stationiert werden. Es wäre davon auszugehen, dass neben dem Passagierverlust auch das Streckennetz ausgedünnt werden würde, da mit dem Verlust von stationierten Flugzeugen auch der potenzielle Verlust von Destinationen einhergehen würde. Unter der Annahme, dass lediglich sechs stationierte Flugzeuge abgezogen werden, entsteht ein Umsatzrückgang von rund 20 Millionen Euro pro Jahr. Der Verlust an Passagieren läge in diesem Fall bei bis zu 1,8 Millionen Passagiere pro Jahr. Drucksache 21/11220 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der Flughafen Hamburg GmbH (FHG) wie folgt: 1) Welche wirtschaftlichen Auswirkungen hat eine Verkürzung des Flugplans auf: a) Erlös des Flughafens, i) konsequentes Nachtflugverbot ab 22.00 Uhr, ii) Verbot von Starts ab 23.00 Uhr, iii) Verbot von Landungen ab 23.30 Uhr? Die FHG hat über die wirtschaftlichen Auswirkungen einer Verkürzung des Flugplans bereits im Jahr 2014, im Rahmen der damaligen Beratungen im Umweltausschuss geschätzt, dass jährlich rund 5.400 Flüge mit 660.000 Passagieren und Erlöse in Höhe von 18,1 Millionen Euro wegfallen würden. Da Hamburg als Notlandeflughafen eine 24-stündige Betriebspflicht hat, würden die Kosten weitgehend unverändert weiterlaufen . Hinzu kämen Umsatzeinbußen bei Gastronomie, Einzelhandel, Speditionen, Abfertigern, Airlines und anderen Dienstleistern. Diese Zahlen dürften aufgrund der gestiegenen Passagierzahlen inzwischen deutlich höher liegen. Im Übrigen siehe Antwort zu 2) und Drs. 20/11143. b) die Durchführung von mehreren Tagesrotationen eines Flugzeugs? Wie viele Rotationen müssten gestrichen werden, damit eine Verkürzung auf jeden Fall eingehalten werden kann? Welche Fluglinien wären davon betroffen? i) Konsequentes Nachtflugverbot ab 22.00 Uhr ii) Verbot von Starts ab 23.00 Uhr iii) Verbot von Landungen ab 23.30 Uhr Diese Frage kann nur durch die Luftverkehrsgesellschaften beantwortet werden. 2) Kann man durch einen verkürzten Flugplan auf 22.00 Uhr, 23.00 Uhr beziehungsweise 23.30 Uhr eine Reduktion der Kosten des Flughafens realisieren? Wenn ja, welche Reduktionen sind möglich? Wenn nein, warum nicht? Die FHG stellt Infrastruktur bereit und hat hier überwiegend Fixkosten. Hierzu zählen zum Beispiel Abschreibungen und Zinsen, Grundstücksmieten an die Stadt Hamburg, Versicherungen, Unterhaltskosten der gesamten Infrastruktur und die Personalkosten im hierfür betrieblich relevanten Bereich. Da der Flughafen Hamburg als Notlandeflughafen eine 24-stündige Betriebspflicht (auch wenn er nicht 24 Stunden geöffnet ist) hat, müssten die Personalkosten der hierfür Verantwortlichen weitgehend unverändert weiterlaufen. Im Übrigen siehe Antwort zu 4) a) und Drs. 20/11143. 3) Wie bewerten Senat, die zuständige Behörde und der Flughafen Hamburg das Risiko, dass bei der oben genannten Verkürzung der Betriebszeiten vermehrt Passagiere in Hamburg „stranden“? Wie viele Passagiere würde das pro Monat betreffen? Das Risiko „gestrandeter“ Passagiere wäre bei abgehenden Flügen kurzfristig sehr hoch, jedoch wäre davon auszugehen, dass Fluggesellschaften aufgrund der massiven negativen Auswirkungen (Imageschaden, Ersatzansprüche, Überführungskosten des Flugzeugs, Verschiebungen des Flugplans) bereits nach kurzer Zeit die Flüge dauerhaft streichen beziehungsweise die stationierten Flugzeuge auf andere Flughäfen umlegen würden. Eine konkrete Zahl von betroffenen Passagieren pro Monat kann daher nicht genannt werden. 4) Welche Auswirkungen hätten verkürzte Betriebszeiten auf Arbeitsplätz am Flughafen? a) Bei der Flughafen Hamburg GmbH? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/11220 3 Aufgrund zu erwartender Umsatzeinbußen und Ergebnisrückgänge wäre davon auszugehen , dass zur Kostenreduktion Personal im nicht betrieblich relevanten Bereich abgebaut werden müsste. Dieser Personalabbau würde insbesondere die Bereiche Verwaltung und Service betreffen. b) Bei Gastronomen, Einzelhandel und Speditionen? Bei der Verkürzung der Betriebszeit wäre davon auszugehen, dass Verkehr am Flughafen Hamburg wegfallen und sich das zukünftige Wachstum deutlich abschwächen würde. Eine derartige Entwicklung würde zudem für den Wirtschaftsstandort eine Schwächung bedeuten. Unter dieser Voraussetzung würde auch ein deutlicher Passagierrückgang zu erwarten sein. In der Konsequenz wäre von erheblichen Umsatzausfällen im Einzelhandel, in der Gastronomie, Speditionen, Abfertigern, Fluggesellschaften und Dienstleisterinnen und Dienstleistern am Flughafenstandort auszugehen, was sich wiederum in einem Personalabbau widerspiegeln würde. c) Bei Dienstleistern (zum Beispiel CATS Cleaning and Aircraft Technical Services GmbH & Co. KG oder AHS Aviation Handling Services GmbH)? Bei jährlich rund 1 Million Euro Erlösen der Bodenverkehrsdienste pro stationiertem Flugzeug müssten die Bodenverkehrsdienste pro Verlust eines stationierten Flugzeugs etwa 36 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abbauen (bei sechs Flugzeugen wären dies mehr als 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter). 5) Welche Auswirkungen haben der oben genannte Arbeitsplatzverlust und der zu erwartende Rückgang der Erlöse auf den Wirtschaftsstandort Hamburg? Welche Risiken für die Anbindung Hamburgs an den europäischen und internationalen Flugverkehr bestehen bei der oben genannten Verkürzung der Betriebszeiten? Die regionalwirtschaftliche Bedeutung des Flughafens Hamburg hat das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) mit einer im September 2017 erschienen Studie untersucht (siehe http://www.hwwi.org/publikationen/policy-paper/publikationeneinzelansicht /die-regionalwirtschaftliche-bedeutung-von-hamburgairport .html?no_cache=1). Danach sichert ein Arbeitsplatz am Flughafen etwa 1,8 Arbeitsplätze in Hamburg. 1 Euro Wertschöpfung am Flughafen erzeugt etwa 2,4 Euro Wertschöpfung in Hamburg . Die Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort wären erheblich. Der Flughafen Hamburg hat einen besonders hohen Anteil an Geschäftsreisenden (35 Prozent), die wesentlich davon abhängig sind, eine gute Anbindung an das nationale und internationale Verkehrsnetz zu haben. Der Flughafen Hamburg hat ausgeprägte Anbindungen an sowohl nationale als auch internationale Drehkreuze, unter anderem Kopenhagen, Paris, London, Frankfurt und München. Wenn Rotationen aufgrund der verkürzten Betriebszeit wegfallen würden, würde der Anschluss an insbesondere internationale Verkehre eingeschränkt beziehungsweise wegfallen. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass das Streckennetz einiger Fluggesellschaften ausgedünnt werden würde, da mit dem Verlust von stationierten Flugzeugen auch der potenzielle Verlust einiger Destinationen einhergehen würde. 6) Inwiefern droht bei der oben genannten Verkürzung der Betriebszeiten eine Verlagerung der Flugbewegungen in andere Tageszeiten, weil beispielsweise umgeleitete Flugzeuge am nächsten Morgen wieder ihren Einsatzort Hamburg erreichen müssen? Wenn ja, wie viele Flugzeuge würde das in etwa betreffen? Wenn nein, warum nicht? Ein Flugzeug, das aufgrund einer verkürzten Betriebszeit nicht mehr in Hamburg landen kann und daher zu einem anderen Flughafen umgeleitet wird, ist tags darauf in Drucksache 21/11220 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 aller Regel wieder fest eingeplant. Es müsste daher am frühen Morgen zum letzten Ziel des Vortags – also nach Hamburg – fliegen, auch ohne Passagiere an Bord. Von einer dauerhaften Verlagerung der Flugbewegungen in andere Tageszeiten ist nicht auszugehen, da die Fluggesellschaften ihre Flugpläne aus wirtschaftlichen Gründen so aufstellen müssen, dass die Flugzeuge für eine im scharfen Wettbewerb betrieblich sinnvolle Zeit pro Tag in der Luft sind. Daraus folgt in dem Verkehrssegment der FHG eine Zeitspanne zwischen 17 bis 18 Stunden, in der eine verlässliche Nutzung des Flughafens möglich sein muss. Dauerhafte Umleitungen von Flugzeugen sind für die Fluggesellschaften sowohl wirtschaftlich als auch logistisch nicht darstellbar . Vor dem dargestellten Hintergrund werden die bestehenden Betriebszeiten des Hamburger Flughafens durch die Fluggesellschaften möglichst umfangreich genutzt. Bei einer Verkürzung der Betriebszeit wäre nicht von einem Wegfall einzelner Flugbewegungen am Tagesrand auszugehen, vielmehr würden die am Flughafen Hamburg stationierten Flugzeuge mit im Schnitt drei bis vier Umläufen pro Tag abgezogen werden.