BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/11241 21. Wahlperiode 12.12.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 06.12.17 und Antwort des Senats Betr.: Gestiegene Betreuungskosten und nicht verbrauchte Personalkosten in Millionenhöhe in Hamburgs Justiz – Weshalb spart der Senat an Personal bei den Gerichten und der Staatsanwaltschaft, während die Mitarbeiter zeitgleich in Arbeit ersticken? Mit der Mitteilung Drs. 21/11212 beantragt der Senat Nachbewilligungen nach § 35 LHO und bittet die Bürgerschaft darum, die in der Anlage aufgeführten Änderungen des Haushaltsplans 2017/2018 zu beschließen. Unter Ziffer 2.6 „Haushaltsneutrale Umschichtung“ heißt es dort: „In der Produktgruppe 233.02 „Justizkasse“ sind Erlöse und Kosten in Rechtssachen geplant, die als gesetzliche Leistungen nicht steuerbar sind. Für das Haushaltsjahr 2017 wurden die Erlöse und Kosten in Rechtssachen auf Grundlage der Ist-Entwicklung der vergangenen Jahre geplant. Nach Auswertung der abgeschlossenen Periode 10/2017 werden die Erlöse deutlich übersteigende Kosten erwartet, wie es sich in dieser Form in den Vormonaten noch nicht abgezeichnet hat. Die prognostizierten Mehrkosten in Höhe von rd. 10 Mio. Euro ergeben sich vor allem durch Kostensteigerungen in Betreuungsangelegenheiten (rd. 6 Mio. Euro) und höhere Verfahrensauslagen bei den Staatsanwaltschaften sowie in den Strafverfahren der Amtsgerichte und des Landgerichts (insgesamt rd. 4 Mio. Euro Euro). Ein Ausgleich des sich abzeichnenden Defizits ist mit den bestehenden haushaltsrechtlichen Vermerken nicht zu erreichen. Daher wird eine Nachbewilligung in Höhe von 10 Mio. Euro für den Kontenbereich Kosten aus laufender Verwaltungstätigkeit in der Produktgruppe 233.02 Justizkasse beantragt. Zur Deckung des Mehrbedarfes sollen die Personalkosten mehrerer Produktgruppen im Einzelplan 2 der Justizbehörde herangezogen werden, vgl. Anlage 1.“ Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Im laufenden Haushaltsjahr sind sämtliche freigewordenen und frei werdenden Stellen bei Staatsanwaltschaften und Gerichten nachbesetzt worden beziehungsweise die Besetzungsverfahren eingeleitet worden. Das gilt auch für die verschiedenen personellen Verstärkungsmaßnahmen, die in diesem Jahr bereits vorgenommen wurden. Gleichwohl weisen die Hochrechnungen Überschüsse bei den Personalkosten aus, die zur Deckung herangezogen werden können, ohne die Personalkörper der betroffenen Produktgruppen zu beeinträchtigen. Auf die Lage bei den Kosten in Rechtssachen ist bereits im Halbjahresbericht der Produktgruppe 233.02 Justizkasse hingewiesen worden. Konsequenterweise ist aber auch darauf verwiesen worden, dass der Saldo des Gesamtbudgets des Einzelplans 2 auskömmlich sein wird, da noch Deckung im eigenen Budget vorhanden ist; so zuletzt im 3. Quartalsbericht 2017. Der Nachbewilligungsantrag mit der Drs. 21/11212 ist gestellt worden, um diese Deckung zu realisieren. Drucksache 21/11241 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie hat sich die Anzahl der gerichtlich bestellten Betreuungen in Hamburg bislang im Jahre 2017 entwickelt? 2. Wie hat sich die Anzahl der neu gestellten Anträge auf Betreuungen gemäß § 1896 BGB in Hamburg bislang im Jahre 2017 entwickelt? Die Entwicklung der Betreuungen, der Anzahl der Anträge und die Anzahl der erledigten Verfahren sind in der folgenden Tabelle dargestellt: Stand: 31.10.2017 Eingänge Beendete Betreuungen Bestand Amtsgerichte 7.147 7.266 26.781 3. Wie hat sich die Anzahl der Betreuer, differenziert nach Berufsbetreuern, Vereinsbetreuern, ehrenamtlichen Betreuern und Behördenbetreuern an den einzelnen Gerichten bislang im Jahr 2017 entwickelt? Die Anzahl der Betreuer wird statistisch nicht erfasst. Die folgenden Daten sind aufgrund einer Datenbankabfrage aus dem Vorgangs- und Geschäftsstellenprogramm des Betreuungsgerichts erstellt worden. Die Daten sind abhängig von der Qualität der Pflege der hierfür erforderlichen Merkmale im Datenbanksystem und stammen aus einer Jahresmeldung, die zu einem Stichtag im Januar aus dem lebenden Datenbestand erstellt wird. Deshalb ist eine nachträgliche Überprüfung und Reproduktion der Daten nicht möglich. Aufgrund von Abfragen aus dem Januar 2017 für 2016 und vom 5. Dezember 2017 hat sich die Zahl der ehrenamtlichen Betreuer von 9.617 auf 9.350 verringert und die Anzahl der Berufsbetreuer von 3.575 auf 3.596 erhöht. Die relativ niedrige Anzahl der Berufsbetreuer erklärt sich daraus, dass die Auswertung einzelne Betreuer je Gericht nur einmal zählt. Die gleiche Person wird aber ein zweites Mal erfasst, wenn sie in einem anderen Hamburger Amtsgericht als Betreuer bestellt wird. 4. Wie haben sich die Kosten für Betreuungen bislang im Jahr 2017 entwickelt ? Bis zur Periode 10/2017 sind 27,7 Millionen Euro Kosten in Betreuungsangelegenheiten angefallen. 5. Wie erklärt die zuständige Behörde den unerwarteten Anstieg in Betreuungsangelegenheiten um rund 6 Millionen Euro? Die Planung der Kosten in Betreuungssachen erfolgte im Jahr 2016 auf der Basis der Entwicklung der Vorjahre. Die Planung war auch beeinflusst durch die Annahme, dass die Anzahl der Betreuungen und der Betreuungskosten wieder sinken, weil verstärkt ehrenamtliche Betreuungen gewonnen und Vorsorgevollmachten erteilt werden könnten . Die Betreuungskosten steigen aber unabhängig von der Entwicklung der Fallzahlen. Aufgrund eines informellen Austausches mit anderen Ländern ist bekannt, dass dieses Phänomen nicht nur in Hamburg beobachtet wird. Um die Entwicklung besser analysieren zu können, ist seit Anfang 2016 die Justizstatistik in Betreuungsangelegenheiten deutlich erweitert worden. Auf dieser Basis soll die im Mehrländerverbund entwickelte Auswertungssoftware Daten für die Analysen liefern. 6. Wie erklären sich die unerwartet gestiegenen Kosten für Verfahrensauslagen bei den Staatsanwaltschaften sowie in den Strafverfahren der Amtsgerichte und des Landgerichts um insgesamt rund 4 Millionen Euro? Bitte detailliert erläutern. Eine sichere Analyse ist auch im Strafverfahren schwierig. Der Anstieg im Strafverfahren ist vor allem bei den Verteidiger-, den Dolmetscher- sowie den Sachverständigenkosten festzustellen. Als Ursache wird sowohl ein Anstieg der erstinstanzlichen Strafverfahren beim Landgericht und beim Oberlandesgericht als auch ein Anstieg bei den Haftsachen angenommen, der sich auch in der Entwicklung der Gefangenenzahlen widerspiegelt. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/11241 3 7. Zur Deckung des Mehrbedarfs in Höhe von 10 Millionen Euro sollen die Personalkosten mehrerer Produktgruppen im Einzelplan 2 der Justizbehörde herangezogen werden, im Einzelnen: a. Produktgruppe 233.01 – Steuerung und Service Personalkosten Kosten für Bezüge –2.000,0 b. Produktgruppe 234.01 – Staatsanwaltschaften Personalkosten Kosten für Bezüge –2.000,0 c. Produktgruppe 235.01 – Hanseatisches Oberlandesgericht Personalkosten Kosten für Bezüge –2.000,0 d. Produktgruppe 235.02 – Landgericht Hamburg Personalkosten Kosten für Bezüge –1.000,0 e. Produktgruppe 235.03 – Amtsgerichte Personalkosten Kosten für Bezüge –3.000,0 Wie ist es zu erklären, dass 10 Millionen Euro an für das Haushaltsjahr 2017 veranschlagten Personalkosten im Einzelplan 2 nicht verbraucht wurden beziehungsweise verfügbar sind? Bitte detailliert pro Produktgruppe erläutern. In der folgenden Tabelle werden die aktuellen Budgetstände gemäß der Hochrechnung basierend auf dem Monatsergebnis Oktober 2017 unter Berücksichtigung von Mehrerlösen (zum Beispiel Personalkostenerstattungen) aufgeführt. Personalkosten in der Produktgruppe Plan 2017 Soll 10/2017 Ist 10/2017 hochgerechnetes Ist 2017 Soll minus hochgerechnetes Ist in Tsd. Euro 233.01 Steuerung und Service 13.862 19.313 10.860 13.032 6.281 234.01 Staatsanwaltschaften 40.455 43.566 33.699 40.439 3.127 235.01 Hanseatisches Oberlandesgericht 21.076 22.856 17.509 20.270 2.586 235.02 Landgericht Hamburg 39.284 41.571 34.178 38.861 2.710 235.03 Amtsgerichte 95.225 99.394 80.072 96.086 3.308 Im Übrigen siehe Vorbemerkung.