BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/11277 21. Wahlperiode 15.12.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Heike Sudmann (DIE LINKE) vom 07.12.17 und Antwort des Senats Betr.: Hamburgs Mietenentwicklung – Von wegen „dynamisch“ „Hamburgs Wohnungsmarkt weiterhin dynamisch“, mit diesem Euphemismus überschreibt der Senat seine Presseerklärung anlässlich der Vorlage des „Mietenspiegels 2017“ am 5. Dezember des Jahres. Schon Ende November 2015, bei der Vorstellung seines Vorgängers, benutzte Stadtentwicklungssenatorin Stapelfeldt dieselben Worte. Getoppt worden war diese Formulierung lediglich 2013, als die Senatorin Blankau das inzwischen geflügelte Wort von der „Stagnation der Mietpreissteigerung“ prägte. All diese Halbsätze können nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir es in Hamburg mit einer galoppierenden Mietenentwicklung zu tun haben. Alleine seit 2011, also dem Jahr des Senatsantritts unter Bürgermeister Olaf Scholz, haben sich die Mieten um sage und schreibe 17,0 Prozent erhöht, zuletzt, das heißt in den vergangenen zwei Jahren, um „dynamische“ 5,2 Prozent auf eine Durchschnittsmiete von 8,44 Euro/Quadratmeter. Erneut hat die durchschnittliche Mietpreissteigerung in Hamburg die Preisentwicklung deutlich überflügelt. Hunderttausende Mieter/-innen müssen heute einen erheblich größeren Anteil ihres dadurch sozusagen dynamisierten Haushaltseinkommens aufbringen, um die Mietkosten bestreiten zu können. Die einzige „Antwort“, die die Stadtentwicklungssenatorin am 5. Dezember auf die Raume stehende Frage, wie diese Entwicklung denn endlich eingedämmt werden könne, gab, war der gebetsmühlenartige Verweis auf die angestrebten 10.000 Neubauwohnungen pro Jahr. Doch wie sollen diese Wohneinheiten, die laut Senatsansage nur zu 30 Prozent öffentlich finanziert sind, dazu beitragen, die Mietenexplosion zu stoppen? Mit dem in den letzten Jahren entstandenen hohen Anteil frei finanzierter Wohnungen wird die Mietenexplosion auch für die nächsten Jahre festgeschrieben, werden sie doch auf dem „freien Markt“ keinesfalls unter 10 oder 12 Euro angeboten. Das Versagen der „Mietpreisbremse“ wird belegt durch die Ohmoor-Studie vom April 2017, in der die faktische Neuvertragsmiete in Hamburg mit durchschnittlich 12,68 Euro/Quadratmeter angegeben wird. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen, teilweise auf Grundlage von Auskünften der SAGA, wie folgt: 1. In den auf der Landespressekonferenz am 5. Dezember 2017 verteilten Unterlagen zum „Mietenspiegel 2017“ ist zu lesen, dass es eine „komplette Aktualisierung aller Wohnlageneinstufungen in Hamburg“ und eine „Erweiterung des Indikatorenkatalogs“ gegeben habe. Drucksache 21/11277 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 1.1. Was meint die in diesem Papier angegebene „Möglichkeit zur flächendeckenden Aktualisierung aller Wohnlageneinstufungen in Hamburg“? Die bisher aus Begehungen gewonnenen Daten konnten erstmals durch amtliche Daten ersetzt werden. Die rein datenbasierte Bewertung der Wohnlagen ist mit erheblich reduziertem Aufwand möglich und schafft damit die Voraussetzungen, für jede Neuerhebung des Mietenspiegels alle Wohnlageneinstufungen zu überprüfen. Mit dem Wohnlagenverzeichnis 2017 ist erstmals seit 1995 eine flächendeckende Überprüfung aller Wohnlageneinstufungen erfolgt. 1.2. Welche Indikatoren sind gegebenenfalls verändert worden, welche neu in die Wohnlageneinstufung eingeflossen? 1.3. Welche (prozentualen) Anteile haben die genannten neun Indikatoren bei der „Berechnung“ der Wohnlageneinstufung neuerdings? Folgende neun Indikatoren liegen der Wohnlageneinstufung 2017 zugrunde. Die Prozentzahl beschreibt den Einfluss des jeweiligen Merkmals für die Wohnlagenbewertung 1. Statusindex (circa 26 Prozent), Bodenrichtwert (circa 20 Prozent), Grünfläche (circa 16 Prozent), Einwohnerdichte (circa 13 Prozent), Art der Straße (4+ Spuren) (circa 11 Prozent), Entfernung U-/S-Bahn/AKN (circa 6 Prozent), Lärmbelastung (circa 5 Prozent), Entfernung zum MetroBus (circa 3 Prozent), Entfernung zum Einzelhandel (circa 1 Prozent). Beim Wohnlagenverzeichnis 2017 wurde auf Mischindikatoren, wie den zuvor verwendeten „Gebietsstatus“ und die „Verdichtung“, verzichtet. Der Bodenrichtwert, der zuvor Teilindikator des Gebietsstatus war, fließt nunmehr als Einzelindikator ein. Ebenso der Statusindex des Sozialmonitorings, der die Bevölkerungsstruktur, die ebenfalls Teilindikator des Gebietsstatus war, ersetzt. Die Einwohnerdichte ersetzt den Indikator Verdichtung. Die Indikatoren „Entfernung zum Metrobus“ und „Entfernung Einzelhandel“ sind neu. Im Übrigen siehe Drs. 21/499. 1.4. Wie „berechnet“ sich der sogenannte Statusindex, wie berechnen sich die Bodenrichtwerte? In den Statusindex des Sozialmonitorings fließen die folgenden Indikatoren ein: 1. Anteil der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund an der Bevölkerung unter 18 Jahren 2. Anteil der Kinder von Alleinerziehenden an allen unter 18-Jährigen 3. Anteil der SGB-II-Empfänger/-innen an der Bevölkerung insgesamt 4. Anteil der Arbeitslosen (SGB III und SGB II) an der Bevölkerung zwischen 15 und 65 Jahren 5. Anteil nicht erwerbsfähiger Hilfebedürftiger (SGB II) an der Bevölkerung unter 15 Jahren 6. Anteil der Empfänger/-innen von Mindestsicherung im Alter (SGB XII) an der Bevölkerung 65 Jahre und älter 1 Aufgrund von Rundungen ergibt sich eine Summe von 101 Prozent. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/11277 3 7. Anteil der Schülerinnen und Schüler ohne Schulabschluss, mit erstem allgemeinbildenden oder mittlerem Schulabschluss an allen Schulabschlüssen Für den Statusindex werden die Statistischen Gebiete in Hamburg danach untersucht, wie stark die Werte der genannten Indikatoren dort vom Hamburger Durchschnitt abweichen. Anschließend werden die Ergebnisse zu den Statistischen Gebieten in Statusklassen eingruppiert („hoch“, „mittel“, „niedrig“, „sehr niedrig“). Das Sozialmonitoring richtet die Aufmerksamkeit besonders auf Statistische Gebiete mit einem niedrigen oder sehr niedrigen Status, siehe http://www.hamburg.de/contentblob/4596628/ 3146eccd0cc179a290ad5f17bb721d2d/data/sozialmonitoring-bericht-2014.pdf. Für die Wohnlagenberechnung wurde jeder Adresse zunächst der Statusindex des statistischen Gebietes zugerechnet, in dem die Adresse liegt. Um die Grenzbereiche der statistischen Gebiete zu glätten und die sogenannte Grenzproblematik zu reduzieren , wurde für den Indikator „Statusindex“ der Berechnungswert für die Adresse aus dem Mittel der umliegenden zehn Adressen ermittelt. Die Bodenrichtwerte für Mehrfamilienhausgrundstücke werden vom Gutachterausschuss für Grundstückswerte in Hamburg jährlich auf der Grundlage der Kaufpreise für unbebaute Mehrfamilienhausbauplätze ohne Mietbindung ermittelt. Zur Lagedifferenzierung werden darüber hinaus die regional unterschiedlichen Neubaumieten und Kaufpreise von Eigentumswohnungen herangezogen. Näheres siehe unter http://www.hamburg.de/bsw/gutachterausschuss/. Der Bodenrichtwert erfasst den Normschichtwert „Wohnen“ (Bodenrichtwert für Wohnnutzung, umgerechnet auf eine wertrelevante Geschossflächenzahl (WGFZ) von 1,0) in Euro pro Quadratmeter Grundstücksfläche auf Ebene der Bodenrichtwertzonen , die weitgehend mit den Blockseiten übereinstimmen. Um die auf der kleinräumigen Ebene der Bodenrichtwertzonen teilweise bestehenden hohen Volatilitäten zu verringern, werden im Indikator „Bodenrichtwert“ die Bodenrichtwerte der letzten drei verfügbaren Jahre gemittelt. Zur Übernahme der Werte der Bodenrichtwertzonen in die Adressdatenbank erfolgt eine räumliche Verschneidung der Datensätze mittels eines Geoinformationssystems (GIS). 1.5. Was meint der Indikator „Art der Straße (4+ Spuren)“ und wie wird der objektive Wert bei der „Berechnung“ der Wohnlageneinstufung gemessen? Der Indikator „Art der Straße (4+ Spuren)“ gibt an, ob eine Blockseite an einer Straße mit mindestens vier Fahrspuren liegt oder nicht. Mit dem Straßennetz der Hamburger Straßeninformationsbank (HH-SIB) liegt hierfür eine städtische Datengrundlage vor, die Angaben zur Anzahl der Fahrspuren einzelner Straßenabschnitte enthält und in einem GIS genutzt werden kann. Mittels einer räumlichen Verschneidung mit den Straßenabschnitten kann jeder Adresse die Zahl der an dieser Stelle bestehenden Fahrspuren zugerechnet werden. Für die Wohnlagenberechnung werden alle Blockseiten , die vier und mehr Fahrspuren aufweisen, mit „1“ und alle Blockseiten mit weniger Fahrspuren mit „0“ bewertet. Die Bewertung mit „0“ bedeutet, dass der Indikator keinen Einfluss auf die Wohnlage hat, wohingegen die Bewertung mit „1“ sich negativ auf die Wohnlageneinstufung auswirkt. 1.6. Wie lässt sich die „Entfernung Einzelhandel“ objektiv messen und welche Geschäftsvielfalt beziehungsweise welcher Grad der Nahversorgung ist nötig, um zu objektiven Daten zu kommen? Mit der Entfernung zum Einzelhandel werden die Versorgungsmöglichkeiten und -qualitäten im näheren Umfeld bestimmt. Dieser Aspekt wurde bisher bei der Wohnlagenzuordnung nicht berücksichtigt. Um nicht nur eine Grundversorgung, sondern eine gewisse Differenzierung des Angebotes als wohnwerterhöhend sicherzustellen, werden die jeweils nächstgelegenen drei Supermärkte in die Betrachtung einbezogen. Mittels GIS wurde die durchschnittliche Entfernung jeder Wohnadresse zu den Adresspunkten der nächstgelegenen drei Supermärkten in Metern ermittelt. 2. Wie hat sich in Hamburg jeweils die Zahl und der Anteil der Mietwohnungen unter nettokalt 6,00 Euro/Quadratmeter, 6,40 Euro/Quadratmeter (Einstiegsmiete im 1. Förderweg) und 8,50 Euro/Quadratmeter Drucksache 21/11277 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 (Einstiegsmiete im 2. Förderweg) im Verhältnis zum Gesamtwohnungsbestand seit dem Jahre 2011 verändert? Bitte jährliche Angaben. Anteil der Mietwohnungen für ausgewählte Nettokaltmieten-Klassen (in Prozent kumuliert) Nettokaltmietenklasse 2011¹² 2013¹² 2015¹³ 2017¹³ unter 6,00 Euro/qm 32,7 24,3 16,4 11,5 unter 6,50 Euro/qm⁴ 44,5 36,5 33,6 22,7 unter 8,50 Euro/qm 75,8 68,3 74,9 67,8 Quelle: Auswertungen der Institute GEWOS (2011, 2013) und F+B (2015, 2017) ¹ Auswertungen im Zuge der jeweiligen Mietenspiegelerstellung. Jährliche Zahlen liegen nicht vor. ² ungewichtete Werte ³ gewichtet mit der Grundgesamtheit ⁴ Zahlen für einen Anteil unter 6,40 Euro/qm liegen nicht vor. Die dargestellten Anteile sind für den jeweils mietenspiegelrelevanten Wohnungsbestand repräsentativ, konkrete Wohnungszahlen für die ermittelten Anteile liegen nicht vor. Sozialwohnungen sind nicht enthalten. 3. Gibt es inzwischen neuere Angaben als die aus dem Mikrozensus 2014 (siehe Drs. 21/9491 vom 14.7.2017) zu der Frage nach den Anteilen derjenigen Hamburger Haushalte, die mehr als 25 Prozent, 30 Prozent, 40 Prozent, 50 Prozent oder 60 Prozent ihres Einkommens für Wohnkosten (Miet- und Nebenkosten) aufbringen müssen? Wenn ja, welche? Wenn nein, wann ist mit neuen Zahlen aus dem jüngsten Mikrozensus zu rechnen? Nein. Die nächste Erhebung im Rahmen des Mikrozensus zum Bestand und zur Struktur der Wohneinheiten sowie zur Wohnsituation der Haushalte findet im Jahr 2018 statt. Mit Ergebnissen ist in 2019 zu rechnen. 4. Bei wie vielen der frei finanzierten Wohneinheiten der SAGA GWG und in welchen Dimensionen erfolgten in 2014, 2015, 2016 und 2017 Mieterhöhungen ? Bitte die Gesamtzahl der frei finanzierten Wohneinheiten, die Anzahl und den Anteil der frei finanzierten Wohneinheiten mit Mieterhöhungen und die jeweiligen prozentualen und nominalen Veränderungen angeben. Die Mieten der ungebundenen Wohneinheiten der SAGA haben sich seit 2014 wie folgt entwickelt: * bezogen auf den Bestand ungebundener Wohnungen ungebundener Wohnungen  der SAGA im Zeitablauf 31.12.2013 31.12.2014 31.12.2015 31.12.2016 bis 08.12.2017 Bestand ungebundener Wohnungen 94.579 95.967 100.183 103.090 104.293 Anzahl ungebundener Wohnungen mit Mieterhöhung 49.618 21.121 62.190 34.262 Anteil ungebundener Wohnungen mit Mieterhöhung 51,7% 21,1% 60,3% 32,9% Prozentuale Veränderung* 3,0% 1,6% 3,5% 1,9% Nominale Veränderung je m²*  0,18 € 0,10 € 0,22 €  0,13 € ./. ./. ./. ./. Entwicklung der Mieten Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/11277 5 5. Welche Planungen gibt es seitens der SAGA GWG, die Mieten zu verändern ? Bitte die Zahl der betroffenen Mieter/-innen, den Zeitpunkt der Mietenveränderung und deren Höhe angeben. Bei der Mietenbildung der nicht preisgebundenen Wohnungen orientiert sich die SAGA seit vielen Jahren unverändert an den Mittelwerten des jeweils einschlägigen Rasterfelds des aktuellen Hamburger Mietenspiegels. Geplante Änderungen der Mieten werden vorab individuell standortbezogen eingewertet und in sozialverträglichen Schritten umgesetzt. Die Prüfung bei der SAGA ist noch nicht abgeschlossen. 6. Rechnet der Senat mit weiteren signifikanten Mietsteigerungen in den kommenden Jahren? Wenn nein, warum nicht? Der Senat erstellt keine Prognosen über die zukünftige Mietentwicklung, geht aber davon aus, dass die ergriffenen Maßnahmen zu einer Entspannung am Mietmarkt führen, siehe Drs. 21/9491. 7. Die in Hamburg ab 2017 jährlich entstehenden 10.000 Wohneinheiten, abzüglich der 30 Prozent öffentlich geförderten, werden zu einem Großteil Quadratmeterpreise von mindestens 10 bis 12 Euro haben (teilweise auch weit darüber hinaus) und gehen in den kommenden Jahren in die Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete ein. Tragen diese neuen Wohnungen damit zu einem weiteren starken Mietenanstieg in den kommenden Mietenspiegeln bei? Wenn ja, wie gedenkt der Senat, das zu verhindern? Wenn nein, warum nicht? Nein. Die höheren Neubaupreise fließen ausschließlich in die Baualtersklasse 2011 bis 2016 (Spalte N) ein und wirken sich dort auf die Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete aus. In allen anderen Baualtersklassen haben die Neubaumietpreise keinen Einfluss auf die Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete. In die Berechnung der durchschnittlichen Nettokaltmiete über alle Mietenspiegelfelder hinweg fließen auch die Neubaumieten ihrem Anteil entsprechend gewichtet mit ein. Dieser errechnete Durchschnittswert ist jedoch ohne Einfluss auf die Bildung der ortsüblichen Vergleichsmiete, die anhand des jeweils einschlägigen Rasterfelds der Mietenspiegeltabelle erfolgt.