BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/11311 21. Wahlperiode 19.12.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Alexander Wolf (AfD) vom 11.12.17 und Antwort des Senats Betr.: Ausgrenzung von AfD-Mitgliedern im Bereich der Kindertagespflege Die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) preist vor dem Hintergrund des „bundesweit vorbildlichen Rechtsanspruchs auf Kinderbetreuung “ die Kindertagespflege vor allem für Eltern mit kleinen Kindern als eine interessante Alternative zur Kita an und fördert entsprechende Einrichtungen im Rahmen des Gutscheinsystems auch finanziell. Wiederholt ist es nun zu Fällen gekommen, in denen Verträge unter Hinweis auf die Anhänger- oder Mitgliedschaft eines Elternteils in der AfD gekündigt wurden oder aus diesem Grunde gar nicht erst zustande kamen. Im jüngsten Fall wurde die Kündigung vor allem mit der Kandidatur eines Vaters für die Bürgerschaft auf der Landesliste der AfD begründet. AfD-Mitglieder wolle man „im Kreise unserer Elternschaft nicht sehen“. In diesem Fall erfolgte die Kündigung offensichtlich nach Rücksprache oder zumindest mit Billigung der Abteilungen „Tagespflegebörse“ und „Kindertagesbetreuung“ des Bezirksamtes Hamburg-Nord, wie dem Fragesteller vorliegende E-Mails zeigen. Diese Ausgrenzung von Personen aufgrund ihres Engagements in unserem demokratischen Gemeinwesen durch staatlich geförderte Einrichtungen stellt eine nicht hinzunehmende Diskriminierung dar und kann nicht im Sinne der Freien und Hansestadt Hamburg und eines gedeihlichen Miteinanders sein. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Rechtsansprüche auf Kindertagesbetreuung nach § 24 SGB VIII und § 6 KibeG gelten für alle Kinder, unabhängig von den politischen Überzeugungen und Aktivitäten ihrer Eltern. Die Verpflichtung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe geht dahin, dem Kind einen Betreuungsplatz in einer Kindertageseinrichtung oder – bei entsprechendem Wunsch der Personensorgeberechtigten – in Kindertagespflege nachzuweisen . Es gibt keinen Anspruch auf Betreuung in einer bestimmten Kita oder durch eine bestimmte Kindertagespflegeperson. Die zwischen den Personensorgeberechtigten und der Kindertageseinrichtung respektive den Tagespflegepersonen abzuschließenden Betreuungsverträge sind privatrechtlicher Natur. Eine Einflussnahme der zuständigen Behörde auf die Vertragsgestaltung zwischen Personensorgeberechtigten und Tagespflegepersonen griffe in die Freiheit der Berufsausübung aus Artikel 12 Absatz 1 GG ein. Die Berufsausübungsfreiheit umfasst auch die Freiheit, zu entscheiden, ob überhaupt ein Vertrag geschlossen werden soll. Eine Einflussnahme des öffentlichen Jugendhilfeträgers auf die Entscheidung von Tagespflegepersonen, die das ob und wie der Modalitäten zum Betreuungsvertrag betreffen, wäre deshalb nur zulässig, wenn es hierfür eine gesetzliche Ermächti- Drucksache 21/11311 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 gungsgrundlage gäbe. Weder die Bestimmungen des 8. Sozialgesetzbuches (Kinderund Jugendhilfe) noch die des Hamburger Kinderbetreuungsgesetzes enthalten eine Aufnahmeverpflichtung für Tagespflegepersonen. Anders als in einer Kindertageseinrichtung handelt es sich bei der Kindertagespflege um eine höchstpersönliche Betreuung durch die Tagespflegeperson, in einem familienähnlichen Betreuungssetting, in dem die Tagespflegeperson in der Regel zeitgleich höchstens fünf fremde Kinder betreut. Die Tagespflegeperson und die Eltern gehen eine Erziehungspartnerschaft ein, die eine tragfähige und vertrauensvolle Beziehung zwischen Tagespflegeperson und Eltern voraussetzt. Eine Aufnahmeverpflichtung , wie sie für Kitas in § 12 des Landesrahmenvertrags „Kinderbetreuung in Tageseinrichtungen“ festgelegt ist, gibt es für Kindertagespflegepersonen daher nicht. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Von wie vielen derartigen Vorgängen hat der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde Kenntnis und wie bewertet er beziehungsweise sie diese? Stimmt der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde insbesondere der Aussage zu, dass die Kandidatur auf der Landesliste einer zur Bürgerschaftswahl zugelassenen Partei kein (Negativ-)Kriterium für die Vergabe von Betreuungsplätzen sein sollte? Wenn nein, warum nicht? Die für Kindertagesbetreuung zuständige Behörde hat Kenntnis von einem entsprechenden Vorgang. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 2. Bestehen Anweisungen, Richtlinien, Verwaltungspraktiken oder Ähnliches , wie in solchen Fällen vorzugehen ist? Wenn ja, welche? Nein. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 3. Von welchen Kriterien macht der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde die staatliche Förderung im Bereich der Kindertagespflege abhängig? Gehört insbesondere ein diskriminierungsfreier Zugang zu diesen Kriterien? Wenn ja, welche Folgen hat ein Verstoß? Wenn nein, warum nicht? Die öffentliche Förderung in Kindertagespflege ist insbesondere abhängig von der Feststellung der Eignung der Tagespflegeperson. Geeignete Tagespflegepersonen zeichnen sich gemäß § 43 SGB VIII und § 2 KTagPflVO durch ihre Persönlichkeit, Sachkompetenz, Kooperationsbereitschaft sowie ihre fachliche Qualifikation als auch die Nutzung kindgerechter, sicherer Räume aus. Unter anderem nennen die „Standards für die Beratung, Qualifizierung, Eignungsfeststellung und Vermittlung von Kindertagespflegepersonen“ unter dem Punkt „Persönliche Voraussetzungen“ Aspekte wie beispielsweise die Toleranz und Akzeptanz gegenüber anderen Erziehungsstilen, Lebenssituationen und Lebensentwürfen. Auch werden die Offenheit zum Austausch und zur Zusammenarbeit mit anderen sowie die Fähigkeit zu konstruktivem Umgang mit Konflikten thematisiert. Ein Verstoß beziehungsweise ein Nichterfüllen von Anforderungen an Eignungskriterien zieht Beratungsgespräche mit Fachberaterinnen beziehungsweise Fachberatern der Tagespflege-Börse nach sich. Gegebenenfalls werden gemeinsam Entwicklungsziele formuliert und entsprechend überprüft. 4. Welche Möglichkeiten haben Betroffene, um sich gegen solche Diskriminierungen zu wenden? Erziehungsberechtigte und Tagespflegepersonen haben Anspruch auf Beratung in allen Fragen der Kindertagespflege (§ 23 Absatz 4 SGB VIII). Treten im Kontext des Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/11311 3 Betreuungsverhältnisses Konflikte oder Krisen auf, beraten und vermitteln die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der bezirklichen Tagespflege-Börsen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 5. Wie möchte der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde sicherstellen , dass zukünftig alle Bürger unabhängig von etwaigen Mitgliedschaften in einer Partei den Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung wahrnehmen können? Hamburg verfügt über ein sehr gut ausgebautes Angebot an Betreuungsplätzen in Kitas und bei Tagespflegepersonen. Daher ist sichergestellt, dass alle anspruchsberechtigten Kinder einen für sie geeigneten Betreuungsplatz erhalten. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.