BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/11317 21. Wahlperiode 19.12.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Jörn Kruse (AfD) vom 11.12.17 und Antwort des Senats Betr.: „Kinderehen“ in Hamburg nach der gesetzlichen Neuregelung von April 2017 Diversen Medienberichten zufolge gibt es in Deutschland immer mehr Fälle, in denen erwachsene Männer mit minderjährigen Mädchen verheiratet sind. Im Juli 2016 verzeichnete das Bundesinnenministerium insgesamt 1.475 verheiratete Jugendliche, unter waren ihnen circa 360 Personen jünger als 14 Jahre. Der Jurist und Islamwissenschaftler Professor Mathias Rohe weist darauf hin, dass die tatsächliche Anzahl solcher Kinderehen in Deutschland weit höher liege, weil viele der betroffenen Mädchen in islamischen Parallelgesellschaften lebten und keine Möglichkeit hätten, auf sich aufmerksam zu machen. Nicht selten komme es vor, dass Minderjährige mit Männern verheiratet würden, die 40 Jahre und älter seien.1 Da das Mindestalter für eine legitime Eheschließung in Deutschland ursprünglich bei 16 Jahren lag, konnten Kinderehen bislang nicht konsequent verhindert werden. Aus diesem Grund hat der Bundestag im April 2017 ein Heiratsverbot für Jugendliche erlassen. Das Gesetz, bei dem es sich um eine Neuregelung handelt, ist explizit gegen Kinderehen gerichtet, die nun nicht mehr anerkannt werden dürfen. Schließlich sollen auch Verbindungen gerichtlich annulliert werden, wenn ein Gatte zum Zeitpunkt der Eheschließung zwischen 16 und 18 Jahren alt war. Dass Kinderehen auch in Hamburg vorkommen, hat der Senat in Drs. 21/4861 bestätigt. Demnach waren 2016 insgesamt 15 Kinderehen in der Hansestadt aktenkundig. Bei diesen handelte es sich um Verbindungen, bei denen die Ehegattinnen zwischen 16 und 17 Jahren alt waren, wodurch sie theoretisch unmittelbar vom neu erlassenen Gesetz betroffen sind. Überdies stellte sich heraus, dass die betroffenen Mädchen aus muslimischen Ländern beziehungsweise aus Staaten mit muslimischer Bevölkerung stammten. Fünf von ihnen kamen demnach aus Afghanistan, drei aus Syrien, zwei aus Bulgarien , jeweils eine aus Mazedonien, Kosovo und Irak, während die Herkunft in zwei Fällen nicht ermittelt werden konnte. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie viele „Kinderehen“ sind dem Senat in Hamburg gegenwärtig bekannt? Bitte für die folgenden Konstellationen beantworten: a) einer der Ehegatten ist bis 14 Jahre alt; b) einer der Ehegatten ist zwischen 14 und 16 Jahre alt; 1 Confer Interview mit Mathias Rohe: Kinderehen meist in patriarchalisch geprägten Kulturen. Qantara.de, 9. September 2016. Drucksache 21/11317 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 c) einer der Ehegatten ist zwischen 16 und 17 Jahre alt. 2. In wie vielen Fällen sind beide Ehegatten minderjährig? a) In wie vielen Fällen ist nur der Ehegatte minderjährig? b) In wie vielen Fällen ist nur die Ehegattin minderjährig? 3. Aus welchen Ländern stammen die jeweiligen Ehepartner? Die Frage bitte für beide Geschlechter beantworten. Minderjährige Bevölkerung nach Staatsangehörigkeit mit Familienstand "verheiratet" unter 18 Jahren zum 30.06.2017 Staatsangehörigkeit unter 14 Jahre 14 bis unter 16 Jahre 16 bis unter 18 Jahre männlich weiblich männlich weiblich männlich weiblich Deutschland - - - - - 1 Afghanistan - - - - - 3 Irak - - - - - 2 Syrien - - - - - 3 insgesamt - - - - - 9 Quelle: Melderegister Die Staatsangehörigkeit des Ehemannes der Deutschen ist aus dem Melderegister nicht ermittelbar. Bei den übrigen Ehen gehören beide Ehegatten demselben Staat an. 4. In wie vielen Fällen sind die Ehegatten von als „Kinderehen“ identifizierten Verbindungen während ihres Aufenthalts in Deutschland voneinander getrennt worden? Hierzu liegen den zuständigen Behörden in Hamburg keine Erkenntnisse vor. 5. Wie viele der in Drs. 21/4861 genannten „Kinderehen“ sind durch die gesetzliche Neuregelung im Nachhinein annulliert worden? Keine. Nach der gesetzlichen Neuregelung in § 1303 Satz 2 BGB sind nur Ehen von unter 16-Jährigen unwirksam und damit nichtig. Die in der Drs. 21/4861 für den Stichtag 31.12.2015 aufgeführten 15 Fälle Minderjähriger mit dem Familienstand „verheiratet “ betrafen jedoch ausschließlich Mädchen im Alter von 16 bis unter 18 Jahren. Anträge nach § 1316 Absatz 3 Satz 2 BGB auf Aufhebung der Ehe sind in diesen Fällen nicht gestellt worden. 6. Wie viele behördlich beantragte Eheschließungen von Minderjährigen beziehungsweise Verbindungen mit einem minderjährigen Partner konnten durch die neue gesetzliche Regelung bis heute unterbunden werden ? Zwei. 7. Ist die gesetzliche Neuregelung seit ihrem Inkrafttreten konsequent in Hamburg angewandt worden oder hat es Ausnahmen gegeben? Falls ja, welche? Ja, ausnahmslos. 8. Gedenkt der Senat, Kinderehen künftig im Sinne der neuen gesetzlichen Regelung konsequent zu begegnen oder besteht die Möglichkeit, in speziellen Fällen Ausnahmen zu erlassen, wie zum Beispiel in Düsseldorf, wo im März 2017 eine 15-Jährige mit ihrem Ehemann verheiratet bleiben durfte, weil das Gericht die Aufrechterhaltung der ehelichen Verbindung im Sinne des Kindeswohls für angemessen hielt? Das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen vom 17. Juli 2017 ist ein Bundesgesetz und somit für den Hamburger Senat gemäß Artikel 20 Absatz 3 Grundgesetz vollständig anzuwenden.