BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/11321 21. Wahlperiode 19.12.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Jörn Kruse (AfD) vom 11.12.17 und Antwort des Senats Betr.: Staatsbürger der Russischen Föderation und Kriminalität (II) Aufgrund der Migrationskrise aus Ländern des Nahen Ostens und Afrika wird oft übersehen, dass Deutschland seit 2013 verstärkt zum Ziel einer Einwanderung aus der Russischen Föderation geworden ist. Dabei handelt es sich um einen Prozess, der vor allem von Personen aus dem Nordkaukasus geprägt ist, der als ethnisch mannigfaltigste Region Russland gilt. Hatte man 2015 insgesamt 20.521 Personen aus Russland als Asylanten registriert, stellten 2016 immerhin noch 12.234 Personen, darunter etwa 9.854 Tschetschenen , entsprechende Anträge. Dass letztlich nur 357 von ihnen eine Rechtsstellung als Flüchtling erhielten, blieb jedoch nahezu folgenlos. Trotz 5.712 verhängter Ablehnungen sowie 6.426 sonstiger Verfahrenseinstellungen , was einer Gesamtschutzquote von 5,2 Prozent entspricht, ist es bisher nicht zu nennenswerten Ausweisungen gekommen.1 Verschiedene Landesämter für Verfassungsschutz, darunter insbesondere Berlin und Brandenburg , haben ihn ihren Berichten für das Jahr 2015 auf die akute Sicherheitsgefahr hingewiesen, die von als Flüchtlinge nach Deutschland eingereisten Tschetschenen ausgeht. Im Verfassungsschutzbericht Brandenburg heißt es dazu: „Die bundesweite Dynamik des salafistischen Phänomenbereichs spiegelt sich auch im Land Brandenburg wieder: Das „Kaukasische Emirat“ ist zu einer Provinz des „Islamischen Staates“ geworden und hat somit seine lokale Fokussierung aufgegeben. Junge Tschetschenen orientieren sich zunehmend weniger an ihrer Heimat. Sie suchen den Jihad bei den salafistischen Organisationen in Syrien und Irak. Der Krieg im Nahen Osten bietet den Salafisten eine Projektionsfläche für ihr Ideal eines „Islamischen Staates“ und wird real zum Ort, wo sie ihre Macht- und Gewaltfantasien ausleben können (…) Die tschetschenischen Islamisten, die in Brandenburg leben, sind ideologisch gefestigt, gewaltbereit und agieren professionell. Einige bieten neuen Asylbewerbern ihre Hilfe zum Beispiel bei Behördengängen an und helfen bei der Streitschlichtung. Im Gegenzug halten sie die Asylsuchenden zu gemeinsamen Besuchen salafistischer Moscheen an, wo sie weiter radikalisiert werden.“2 Da die ethnische Zugehörigkeit einer Person in russischen Ausweisdokumenten nicht erfasst wird, ist es unmöglich, bei der Einreise von Flüchtlingen aus der Russischen Föderationen Aussagen über deren Volkszugehörigkeit zu treffen. Deswegen muss man sich bei der Erfassung von Kriminalität, die 1 Confer „Kaum beachtet: Warum die gefährlichsten Gefährder aus Tschetschenien stammen .“ „Focus Online“ vom 21.02.2017. 2 Confer Verfassungsschutzbericht Brandenburg 2015. Seiten 160 – 161. Drucksache 21/11321 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 von Nordkaukasiern verursacht wird, mit Angaben zu Bürgern der Russischen Föderation zufrieden geben. Da die aus Russland erfolgende Migration jedoch faktisch ausschließlich von Menschen aus dem Nordkaukasus getragen wird, dürfen die gewonnenen Informationen dennoch als aufschlussreich gelten. Der Asylgeschäftsstatistik für das erste Halbjahr 2017 zufolge haben insgesamt 3.182 Bürger der Russischen Föderation einen Asylantrag gestellt, darunter 2.573 Erst- sowie 609 Folgeanträge. Im gleichen Zeitraum kam es zu 10.653 Entscheidungen über laufende Verfahren.3 Dass tschetschenische Kriminelle auch in Hamburg aktiv sind, belegt ein Video, das der AfD-Fraktion unlängst zugespielt wurde. Es zeigt zwei Tschetschenen, die in einem Pkw die Reeperbahn in Richtung des Heiligengeistfeldes entlang fahren und mit einer scharfen Pistole posieren. Dabei hält der Beifahrer die Waffe in die Kamera und erklärt, jeden zu töten, der sich despektierlich über den tschetschenischen Präsidenten äußere. Ferner werde Hamburg bereits von Tschetschenen kontrolliert. Schließlich skandiert der Mann den islamistischen Slogan „Allahu Akbar!“ Im Hintergrund ist das offene Handschuhfach zu sehen, in dem scharfe Munition lagert.4 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie viele Bürger der Russischen Föderation sind seit dem 1. Januar 2017 in Hamburg registriert beziehungsweise der Hansestadt aus anderen Bundesländern zugewiesen worden? 2. Wie viele dieser Personen sind: a) männlich volljährig; b) männlich minderjährig; c) weiblich volljährlich; d) weiblich minderjährig; e) männlich und älter als 30; f) weiblich und älter als 30; g) männlich und jünger als 50; h) weiblich und jünger als 50; i) älter als 50? Im Rahmen der bundesweiten Verteilung Asylsuchender nach § 46 Asylgesetz sowie unerlaubt eingereister Ausländer nach § 15a Aufenthaltsgesetz wurden der Freien und Hansestadt Hamburg im Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis zum 30. November 2017 insgesamt 289 Staatsangehörige der Russischen Föderation zugewiesen. Das Statistikamt Nord erhält halbjährlich – jeweils mit Stand vom 30. Juni und 31.Dezember – einen Gesamtabzug des Melderegisters und wertet dieses aus. Das Ergebnis der Auswertung stellt sich wie folgt dar: In Hamburg gemeldete Bürger der Russischen Föderation am: Stand: Einwohner/Anzahl 30.06.2016 8 641 31.12.2016 8 839 30.06.2017 8 930 3 Confer Asylgeschäftsstatistik (01-06/2017). Seite 1. 4 Die Szene ist Teil einer britischen Reportage über Tschetschenen in Europa und ist zwischen 10:36 und 11:13 zu sehen. Das Video ist abrufbar unter: https://www.youtube.com/ watch?v=2ycoJDP3z_U. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/11321 3 Quelle: Statistikamt Nord, Melderegister In Hamburg gemeldete Bürger der Russischen Föderation nach Geschlecht und Altersgruppen am: Altersgruppe Stand: 30.06.2016 31.12.2016 30.06.2017 a) männlich volljährig 2 692 2 742 2 744 b) männlich minderjährig 593 646 650 c) weiblich volljährig 4 782 4 841 4 910 d)weiblich minderjährig 574 610 626 e) männlich ü.30 2 184 2 221 2 239 f) weiblich ü.30 3 682 3 752 3 830 g) männlich unter 50 2 422 2 513 2 508 h) weiblich unter 50 4 165 4 240 4 283 i) 50 und älter 2 054 2 086 2 139 e) und f) einschließlich 30-jährig und i) einschließlich 50-jährig Quelle: Statistikamt Nord, Melderegister 3. In wie vielen Fällen ist eine Herkunft aus Tschetschenien belegt? Angaben zur konkreten Herkunft innerhalb der Russischen Föderation liegen in statistisch auswertbarer Form nicht vor. 4. Wie viele dieser Personen sind seit ihrer Einreise strafrechtlich in Erscheinung getreten? 5. Wie viele Bürger der Russischen Föderation waren in Hamburg zwischen dem 1. Januar 2013 und dem 1. Juli Dezember 2017 strafrechtlich aufgefallen? Bei der Berechnung der Tatverdächtigen wird in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) eine echte Tatverdächtigenzählung vorgenommen. Dabei wird ein Tatverdächtiger nur einmal gezählt, auch wenn er mehrfach registriert wurde. Eine Aufschlüsselung, welche dieser Tatverdächtige erst seit dem 1. Januar 2017 in Hamburg registriert oder Hamburg zugewiesen wurden, ist nicht möglich. Im Jahr 2017 hat die Polizei bis zum Stichtag 30. November 2017 insgesamt 778 Tatverdächtige mit russischer Staatsangehörigkeit registriert; darüber hinaus siehe Drs. 21/9831. 6. Wie viele Bürger der Russischen Föderation werden nach aktuellem Sachstand als Intensivtäter5 geführt? Vier. 7. Wie viele Bürger der Russischen Föderation sitzen gegenwärtig in einer Justizvollzugsanstalt? Bitte jeweils auch Alter, Geschlecht, Delikt und Strafmaß angeben. Stichtag: 12.12.2017 Anstalten Gefangene Alter Geschlecht Delikt Strafmaß Justizvollzugsanstalt (JVA) Billwerder 6 37 Jahre männlich Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte 1 Jahr 6 Monate 33 Jahre männlich Sonst. Diebstahl in besonders schweren Fällen 7 Monate 43 Jahre männlich Diebstahl 1 Jahr 11 Monate 44 Jahre männlich Wohnungseinbruchsdiebstahl 1 Jahr 3 Monate 48 Jahre männlich Sonst. Diebstahl in Untersuchungshaft 5 Für diese Frage gelte die begriffliche Definition aus Drs. 21/8122. Drucksache 21/11321 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Stichtag: 12.12.2017 Anstalten Gefangene Alter Geschlecht Delikt Strafmaß besonders schweren Fällen 25 Jahre männlich Räuberischer Diebstahl 1 Jahr 5 Monate JVA Glasmoor 1 37 Jahre männlich Versuchte Erpressung 2 Jahr 3 Monate JVA Hahnöfersand 1 21 Jahre männlich Körperverletzung 10 Monate Untersuchungshaft - anstalt 1 39 Jahre männlich Bildung einer terroristischen Vereinigung Untersuchungshaft Gesamt 9 8. Wie viele Bürger der Russischen Föderation werden von den Sicherheitsbehörden gegenwärtig dem salafistischen Spektrum zugerechnet? 9. Wie viele Bürger der Russischen Föderation werden von den Behörden gegenwärtig dem Jihadismus zugerechnet und gelten deswegen als Gefährder? Im Datenbestand des Landesamtes für Verfassungsschutz Hamburg sind 25 Staatsbürger der Russischen Föderation im Bereich Salafismus erfasst. Im Übrigen beruhen die Begriffe „Jihadist“ und „Gefährder“ auf unterschiedlichen Definitionen und sind nicht gleichzusetzen. Allein die Eigenschaft als „Jihadist“ begründet nicht die Eigenschaft als „Gefährder“. Darüber hinaus ist seitens der Polizei Hamburg derzeit ein russischer Staatsbürger als Gefährder im islamistischen Bereich eingestuft. 10. Gegen wie viele Bürger der Russischen Föderation laufen gegenwärtig Abschiebeverfahren? Derzeit befinden sich 43 Personen im Rückführungsverfahren; hiervon sollen 37 Personen in einen Drittstaat und sechs Personen in die Russische Föderation überstellt werden. 11. In wie vielen Fällen sind Bürger der Russischen Föderation, die in Hamburg gemeldet waren, seit dem 1. Januar 2013 ausgewiesen worden? Seit dem 1. Januar 2013 wurde gegen zwölf Personen mit russischer Staatsangehörigkeit eine rechtskräftige Ausweisungsverfügung verfügt. 12. Wie viele dieser Personen waren zuvor strafrechtlich in Erscheinung getreten? Alle Personen sind zuvor strafrechtlich in Erscheinung getreten. 13. In wie vielen Fällen haben die Sicherheitsbehörden illegale Einwanderer aus der Russischen Föderation aufgegriffen? In der PKS sind unter dem PKS-Schlüssel 7251000 (unerlaubte Einreise/ Grenzübertritt) bisher für das Jahr 2017 bis zum Stichtag 30. November 2017 insgesamt 17 Tatverdächtige mit der Staatsangehörigkeit „Russische Föderation“ erfasst; im Übrigen siehe Antwort zu 4. und 5. In der Drs. 21/9831 wurde für das Jahr 2016 aufgrund eines Büroversehens eine falsche Anzahl Tatverdächtiger genannt; die korrekte Anzahl lautet sieben Tatverdächtige . 14. Wie viele Bürger der Russischen Föderation befinden sich gegenwärtig in Abschiebehaft? Zum Stand 12. Dezember 2017 befand sich kein Staatsangehöriger der Russischen Föderation in Abschiebehaft. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/11321 5 15. Wo befinden sich die im Oktober 2016 in Hamburg bei einer Razzia gegen islamische Gefährder festgenommenen Bürger der Russischen Föderation, bei denen es sich nachweislich um Tschetschenen handelte ? 16. In wie vielen Fällen ist es bei dieser Personengruppe zu einer Verurteilung gekommen? Bitte jeweils das zugrundeliegende Delikt und das Strafmaß nennen. Siehe Drs. 21/9831.