BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/11330 21. Wahlperiode 19.12.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Gladiator (CDU) vom 11.12.17 und Antwort des Senats Betr.: Wird unsere Sicherheit durch übertriebenen Datenschutz gefährdet? Im Nachgang zum tragischen Attentat von Barmbek verkündete Innensenator Grote am 18. September 2017: „Wir wollen unseren Kampf gegen den gewaltbereiten Islamismus mit aller Entschlossenheit fortsetzen und die Hamburgerinnen und Hamburger bestmöglich auch vor islamistischradikalisierten Einzeltätern schützen. Die bereits erheblichen Anstrengungen der letzten Jahre weiten wir jetzt mit der bisher größten Personalverstärkung weiter auf (sic!). Gerade nach dem Anschlag von Barmbek wollen wir Personen mit psychischer Auffälligkeit und Radikalisierungshintergrund noch genauer in den Blick nehmen. Die Personalverstärkung dient insoweit auch der Umsetzung der neuen Standards zur konsequenten Hinweisverfolgung.“ (http://www.hamburg.de/innenbehoerde/9534696/2017-09-18-bis-pmhamburger -offensive-gegen-gewaltbereiten-islamismus/.) Insgesamt sollen mehr als 30 zusätzliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für Landeskriminalamt und Landesamt für Verfassungsschutz zur Verfügung stehen. Dies ist erfreulich, aber es stellt sich die Frage, ob die Hamburger Offensive gegen gewaltbereiten Islamismus an zu rigiden Datenschutzvorschriften scheitert. In der Zeitung „Die Welt“ vom 11. Dezember 2017 heißt es: „(…) Nach der Messerattacke von Barmbek hatte der Staatsschutz eine zentrale Hinweisaufnahme eingeführt, um Radikalisierungen schneller erkennen zu können. Allerdings darf die Polizei viele der Hinweise nicht speichern und somit auch nicht auswerten – auch wenn die Software vorhanden ist. Grund: Das Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei erlaubt die Speicherung von personenbezogenen Daten „zum Zwecke der Gefahrenabwehr“ nur bei Personen, gegen die bereits ermittelt wird und bei denen zudem eine „Negativprognose “ besteht: die „Besorgnis der Begehung weiterer Straftaten“. Doch nicht selten ist ein sogenannter islamistischer Gefährder noch nie mit dem Gesetz in Konflikt gekommen. Die Gefahr eines Anschlages, die von ihm ausgehen könnte, wird dadurch nicht geringer. Datenschutzrechtlich jedoch ist dieser Fall für die Polizei tabu. (…) Selbst wenn eine Negativprognose gestellt werden kann, ist der Aufwand enorm: Die Ermittler müssen in jedem einzelnen Fall begründen, wie sie zu der Prognose kommen und wie die Speicherung gerechtfertigt ist. Nicht selten gleichen Negativprognosen mehrseitigen Aufsätzen.“ Der Bund der Kriminalbeamten plädiert dafür, die Negativprognose aus dem Gesetz zu streichen oder mit der Möglichkeit zu versehen, sie nach der Speicherung nachtragen zu können. Der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit sieht dies indes kritisch. Drucksache 21/11330 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Aber wie sollen die Sicherheitsbehörden uns bestmöglich vor Anschlägen schützen, wenn sie keine umfassenden Informationen speichern dürfen? Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Als Gefährder werden Personen nach einer bundeseinheitlichen Definition im Phänomenbereich Politisch Motivierte Kriminalität – Islamismus eingestuft: „Ein Gefährder ist eine Person, bei der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen , dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbesondere solche im Sinne des § 100 a Strafprozessordnung, begehen wird. Der Begriff der Straftaten von erheblicher Bedeutung im Sinne des Gefährderbegriffs ist nicht abschließend auf Handlungen beschränkt, die einen konkreten Anschlag zum Ziel haben, sondern erstrecken sich auch auf Unterstützungs- und Vorbereitungshandlungen .“ Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie beurteilt die zuständige Behörde die rechtlichen Voraussetzungen im Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei bei der Speicherung von personenbezogenen Daten zum Zwecke der Gefahrenabwehr? 2. Zu welchen Problemen führen diese ihrer Ansicht nach in der Praxis? 3. Plant die zuständige Behörde eine Änderung der rechtlichen Voraussetzungen , um eine weitreichendere Speicherung und damit auch Auswertungsmöglichkeit zu schaffen? Falls ja, welche Planungen bestehen? Falls nein, weshalb nicht? Das hamburgische Gefahrenabwehrrecht wird derzeit überarbeitet. Dabei werden auch die sich aus der polizeilichen Praxis ergebenden Bedarfe geprüft, die im Zusammenhang mit der Speicherung von personenbezogenen Daten zum Zwecke der Gefahrenabwehr nach dem PolDVG stehen. Diese Prüfungen sind noch nicht abgeschlossen. 4. Welche Erkenntnisse liegen darüber vor, ob es islamistische Gefährder gibt, die zuvor noch nie straffällig geworden sind? Die Definition des „Gefährders“ setzt nicht voraus, dass eine Straftat begangen wurde. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 5. Wie viele Hinweise sind bislang in der „zentralen Hinweisaufnahme“ des Staatsschutzes eingegangen? Wie beurteilt die zuständige Behörde die ersten Erfahrungen der zentralen Hinweisaufnahme? Zum Stichtag 12. Dezember 2017 gingen insgesamt 328 Hinweise in der „Zentralen Hinweis-aufnahme“ (ZHA) der für polizeiliche Staatsschutzangelegenheiten zuständigen Abteilung des Landeskriminalamtes Hamburg (LKA 7) ein. Die ersten Erfahrungen mit der ZHA werden positiv bewertet. Im Übrigen unterliegt die ZHA derzeit einer Prozessbetrachtung. Eine abschließende Bewertung kann somit noch nicht erfolgen.