BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/11344 21. Wahlperiode 19.12.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Peter Lorkowski und Detlef Ehlebracht (AfD) vom 12.12.17 und Antwort des Senats Betr.: Dolmetscher in Hamburg im Einsatz für Asylbewerber und Flüchtlinge Wie vor einiger Zeit der überregionalen Presse zu entnehmen war, kam es insbesondere im Fall von Asylverfahren türkischer Staatsbürger scheinbar zur Weitergabe interner Informationen über die Asylbewerber an türkische Sicherorgane und Medien. Verdächtigt wurden Mitarbeiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), diese Informationen weitergegeben zu haben. Auch in nachgelagerten Prozessen im Rahmen des Asylverfahrens besteht für die Asylsuchenden weiterhin die Gefahr der Ausforschung durch Spitzel ihrer Heimatländer. Dolmetscher werden auch im Bereich der Flüchtlingshilfe und in den Einrichtungen der Erstaufnahme und der öffentlich-rechtlichen Unterbringung eingesetzt. Aufgrund der Schlüsselrolle, die Übersetzungen aus der Landessprache ins Deutsche haben, kommt hier den Dolmetschern ein besonderer Vertrauensstatus zu. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Welche Organisationen stellen die Dolmetscher? Werden auch private Dolmetscher eingesetzt? 2. Wurden die Organisationen und die Dolmetscher einer Überprüfung unterzogen? Wenn ja, welches waren die Kriterien der Überprüfung? Wird hierbei auch die Tätigkeit für ausländische Regierungen abgefragt? 3. Wenn eine solche Überprüfung auf Tätigkeit für eine ausländische Regierung bisher nicht durchgeführt worden sein sollte, wird eine solche nach den Vorkommnissen im BAMF für die Zukunft vorgesehen? Als gerichtliche Sprachmittler kommen sowohl allgemein vereidigte Dolmetscherinnen und Dolmetscher, deren Bestellung sich nach dem Hamburgischen Dolmetschergesetz vom 1. September 2005 (HmbDolmG) richtet, als auch solche, die individuell nach den gesetzlichen Vorschriften § 55 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), § 189 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) und §§ 480 f. der Zivilprozessordnung (ZPO) zu vereidigen sind, zum Einsatz. Die Heranziehung von Dolmetscherinnen und Dolmetschern in Gerichtsverfahren vor dem Verwaltungsgericht und dem Hamburgischen Oberverwaltungsgericht obliegt den jeweils zur Entscheidung berufenen Richterinnen und Richtern im Rahmen ihrer richterlichen Unabhängigkeit, wobei ihnen bei der konkreten Auswahl einer Dolmetscherin beziehungsweise eines Dolmetschers ein Ermessen zusteht. Drucksache 21/11344 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Eine generelle Antwort auf die Frage, ob die Organisation und die Dolmetscher einer Überprüfung unterzogen wurden, ist vor diesem Hintergrund für den Einsatz von Dolmetscherinnen und Dolmetschern in Verwaltungsgerichtsverfahren nicht möglich. Voraussetzung für eine öffentliche Bestellung und Vereidigung von Dolmetscherinnen und Dolmetschern ist gemäß § 1 Nummer 1 HmbDolmG allerdings unter anderem, dass sie die erforderliche persönliche Zuverlässigkeit besitzen. Von dem unter anderem für das Ankunftszentrum zuständigen Einwohner-Zentralamt werden Dolmetscher-Büros und private Dolmetscher eingesetzt. Bei Vertragsabschluss sind Referenzen (über Tätigkeiten bei Gerichten, Polizei et cetera) vorzulegen . Einer weiteren Überprüfung wurden sie bislang nicht unterzogen. Beim Abschluss zukünftiger Dolmetscherverträge werden vom Einwohner-Zentralamt die neuen Qualitätsmaßstäbe des BAMF zugrunde gelegt, siehe http://www.bamf.de/DE/Infothek/Dolmetscher/dolmetscher-node.html. Bestehende Verträge werden um die Qualitätsmaßstäbe des BAMF ergänzt. Die Betreiber der Erstaufnahmeeinrichtungen (EA) setzen im Rahmen ihres Betreibervertrages in der Regel muttersprachliche Übersetzer ein, deren Leistungen vorwiegend aus verschiedenen Sprachmittler-Pools abgerufen werden. Größtenteils geht es hierbei um niederschwellige Übersetzungsleistungen im Rahmen von Gesprächen mit der Unterkunftsleitung oder dem Sozialmanagement und zum Teil auch mit Stellen (Ärzte, Verwaltungsstellen et cetera) außerhalb der Einrichtung. Dabei werden selbstständige Sprachmittler (in der Regel Muttersprachler) tätig, die ihre Leistungen auf Honorarbasis mit den Betreibern abrechnen. Auch in den Einrichtungen der öffentlich-rechtlichen Unterbringung (örU) werden private Sprachmittler auf Honorarbasis eingesetzt. In der EA und der örU müssen Übersetzer und Dolmetscher ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen. Vor dem Hintergrund, dass es sich in den EA und der örU um niederschwellige Übersetzungsleistungen handelt, wird von den Betreibern auf ein förmliches Verfahren zur Feststellung der Eignung verzichtet. Damit kommen auch die verbindlichen Regelungen gemäß dem HmbDolmG für öffentlich bestellte und allgemein vereidigte Dolmetscher hier nicht zum Tragen. Im Bereich der Amtsvormundschaften bei der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) und dem Landesbetrieb Erziehung und Beratung werden Sprachmittler im Rahmen der Aufnahme und Betreuung von unbegleiteten, minderjährigen Ausländern eingesetzt. Auf Basis einer Ausschreibung werden Sprachmittler der folgenden Firmen eingesetzt: • Jarhim Dolmetscher-Team Wandsbeker Chaussee 101, 22089 Hamburg • HSD – InPaKt GmbH, Rosenstr. 3, 20095 Hamburg • Hayatt GmbH, Effingestraße 28, 22041 Hamburg Bei speziellem Übersetzungsbedarf, der von diesen Dienstleistern nicht abgedeckt werden kann, werden freiberuflich tätige Übersetzer beauftragt. Die vom Landesbetrieb Erziehung und Beratung (LEB) beauftragten Firmen wurden hinsichtlich ihrer fachlichen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit überprüft. Für das eingesetzte Personal muss ein erweitertes Führungszeugnis nach § 30a Bundeszentralregistergesetz ohne Eintrag vorliegen und eine Sprachkompetenz in Deutsch und der jeweiligen Fremdsprache nachgewiesen werden. Eine Überprüfung auf politische Aktivitäten der Firmen oder einzelner Beschäftigter fand im Ausschreibungsverfahren nicht statt. Die zentrale Beratungsstelle für Flüchtlinge (Flüchtlingszentrum, Träger ist die Zentrale Information und Beratung für Flüchtlinge gGmbH) berät Kundinnen und Kunden der Bundesagentur für Arbeit und Jobcenter in 16 Sprachen. Sofern spezielle Sprachkenntnisse durch eigenes Personal nicht abgedeckt werden können, zieht das Flüchtlingszentrum wechselnde selbstständige beziehungsweise freiberufliche Dolmetscher hinzu. Private Dolmetscher oder Übersetzer setzt das Flüchtlingszentrum von sich aus Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/11344 3 nicht ein. Sofern sich Klientinnen und Klienten von privaten Dolmetschern oder Übersetzern begleiten lassen, nehmen diese an Beratungsgesprächen teil. Jobcenter, Arbeitsagentur und das Projekt W.I.R (work and integration for refugees) der BASFI nutzen den telefonischen Dolmetscherdienst der Bundesagentur für Arbeit. Für das Abrufen der Dienstleistung der Telefon-Dolmetscher hat das Jobcenter eine Vereinbarung mit der Bundesagentur für Arbeit getroffen. Für Übersetzungsdienstleistungen und das Telefondolmetschen bestehen zentrale Verträge mit externen Anbietern. Vertragsinhalte sind dem Senat und der Agentur für Arbeit Hamburg nicht bekannt, da die Verträge über die Zentrale der Bundesagentur für Arbeit geschlossen werden. Die Bundesagentur für Arbeit beachtet bei der Übersetzung von amtlichen Dokumenten und Schriftstücken, die eine rechtliche Wirkung nach sich ziehen, dass grundsätzlich zertifizierte Dolmetscher- und Übersetzungsdienste eingeschaltet werden. Die Vergabe von Übersetzungen oder Dolmetscherleistungen mit Finanzierung aus dem Verwaltungs(kosten)budget wird nach den einschlägigen Wettbewerbsregelungen (unter anderem VOL/A) durchgeführt. Insbesondere bei der Übersetzung von speziellen Fachtexten (zum Beispiel wissenschaftlichen Texten) wird die fachliche Eignung der Auftragnehmerin/des Auftragnehmers gemeinsam mit der bedarfstragenden Einheit und/oder dem örtlichen Bezirksbüro des Bundesverbandes der Dolmetscher und Übersetzer (BDÜ) besonders geprüft. Die datenschutzrechtlichen Bestimmungen des SGB X und der AO, das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) sowie das Verpflichtungsgesetz hinsichtlich des Umgangs mit personenbezogenen Daten durch Dolmetscher/-innen und Übersetzer/-innen finden Anwendung. Grundsätzlich kann jede Antragstellerin und jeder Antragsteller beim Jobcenter eine Person des eigenen Vertrauens (zum Beispiel Verwandte) mit zum Beratungsgespräch hinzuziehen, soweit dem nicht rechtliche oder zwingende verfahrenstechnische Regelungen entgegenstehen. Dies schließt auch Hilfspersonen zur Übersetzung ein. Wird von diesem Wahlrecht kein Gebrauch gemacht, so kann regelmäßig auf die telefonischen Dienstleistungen zurückgegriffen werden. Eine Vergütung erhalten Übersetzungspersonen jedoch nur nach den Regelungen der Handlungsanweisung 01/2014 (siehe Drs. 21/7203), das heißt nach vorheriger Gutscheinvergabe an die Antragsstellerinnen und Antragssteller sowie Zertifizierung beziehungsweise nachgewiesener UST-Identifikationsnummer. Im Übrigen siehe Drs. 21/7203. 4. Beinhalten die Verträge mit den Dolmetschern regelhaft Verschwiegenheitsklauseln ? 5. Welche formale Qualifikation müssen die Dolmetscher nachweisen? Für gerichtliche Dolmetscherinnen und Dolmetscher ergibt sich eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht aus § 189 Absatz 4 Satz 1 GVG. Formale Qualifikationen müssen Dolmetscherinnen und Dolmetscher für ihre Heranziehung in Gerichtsverfahren nicht nachweisen; sie haben allerdings den nach § 189 Absatz 1 GVG vorgesehenen Eid beziehungsweise die ersatzweise vorgesehene Bekräftigung zu leisten, sofern sie nicht im Sinne nach § 189 Absatz 2 GVG allgemein beeidigt sind. Voraussetzung für eine öffentliche Bestellung und allgemeine Beeidigung ist gemäß § 1 Absatz 1 Nummer 5. HmDolmG, dass sie die fachliche Eignung nach § 2 HmbDolmG besitzen. Diese ist gemäß § 2 HmbDolmG durch die erfolgreiche Teilnahme an einem Eignungsfeststellungsverfahren vor der Vorstellungskommission der zuständigen Behörde zu erbringen. Künftige und bestehende Verträge mit dem Einwohner-Zentralamt werden um Verschwiegenheitsklauseln ergänzt. Bei dem dort beabsichtigten Vergabeverfahren „Dolmetscher-Leistungen“ werden formale Qualifikationen gemäß den oben angegebene neuen Qualitätsmaßstäben des BAMF implementiert. Allen Sprachmittlern in den EA wird vor ihrer Tätigkeit deutlich gemacht, dass die im Rahmen der Vermittlung erlangten Kenntnisse nicht an Dritte weitergeben werden Drucksache 21/11344 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 dürfen. Ein Verstoß gegen diese Selbstverpflichtung zöge regelmäßig den Verzicht auf deren Dienstleistung nach sich. Die Honorarverträge der örU beinhalten eine Verschwiegenheitsklausel. Die Verträge des LEB beinhalten Regelungen zur Einhaltung des Datenschutzes. Das für die Übersetzungstätigkeiten vom LEB eingesetzte Personal muss über Sprachkenntnisse in der abgerufenen Fremdsprache sowie Deutsch jeweils mindestens auf dem Niveau B2 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen verfügen . Geschlossene Verträge zwischen dem Flüchtlingszentrum und Dolmetschern beinhalten Verschwiegenheitsklauseln. Der Rahmenvertrag der Bundesagentur für Arbeit zur Dienstleistung des telefonischen Dolmetscherdienstes enthält ebenfalls diese Verschwiegenheitsklausel. Die Abrechnungsverträge des Jobcenters laut Handlungsanweisung nicht, da die Übersetzungsleistenden im Auftrag der Kundinnen und Kunden tätig werden. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. bis 3. sowie Drs. 21/10576.