BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/11372 21. Wahlperiode 22.12.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 14.12.17 und Antwort des Senats Betr.: Unterstellter Missbrauch des Winternotprogramms Seitens der Behörde wird immer wieder betont, dass Arbeitgeber ihren Arbeitskräften vertraglich Kost und Logis zusichern und diese über das Winternotprogramm abwickeln (siehe hierzu Drs. 21/11192). Es sei sogar beobachtet worden, dass Arbeitgeber Personengruppen in Kleinbussen vorfahren würden, die dann das Winternotprogramm aufsuchen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen teilweise auf Grundlage von Auskünften von f & w fördern und wohnen AöR (f & w) wie folgt: 1. Auf welche Erkenntnisse stützt sich die Aussage, dass Arbeitgeber ihren Arbeitskräften Logis zusichern würden, die sie über das Winternotprogramm abwickeln würden? In den Beratungsgesprächen an den Übernachtungsstandorten des Winternotprogramms (WNP) haben um Übernachtung ersuchende Personen mehrfach angegeben, ihnen sei im Heimatland kostenfreie Unterbringung im Zeitraum November bis Ende März sowie ein Arbeitsverhältnis zugesichert worden. Dies ist nach ihrer Schilderung häufig in Verbindung mit einem Transport nach Hamburg und somit oft mit der Zahlung von Geldbeträgen verbunden. Damit übereinstimmend treten neu ankommende Personen gleicher Nationalität in der Aufnahmesituation häufig gleichzeitig und in größeren Gruppenstärken an den WNP-Übernachtungsstandorten auf. Die Aussagen decken sich mit den Beobachtungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Anliegern an den Übernachtungsstandorten zu regelmäßig wiederkehrenden Kleinbussen mit Fahrgästen, die sodann im WNP um Aufnahme ersuchen und in den Morgenstunden die Einrichtungen häufig wieder auf diesem Transportweg verlassen. Die Aussagen der Personen in den Beratungsgesprächen im Zusammenhang mit ihren Beschäftigungsverhältnissen weisen ebenfalls darauf hin, dass es sich hierbei um Firmenfahrzeuge handelt. Dies deckt sich mit den Beobachtungen und Erkenntnissen der Vorjahre, siehe hierzu Drs. 21/6922. 2. An welchen Tagen ist beobachtet worden, dass Arbeitgeber Personengruppen in Kleinbussen vorfahren, die dann das Winternotprogramm nutzen? Sind diese Beobachtungen durch Nachfragen bei Fahrern/ -innen und Betroffenen verifiziert worden? Und sind diese dokumentiert worden? Eine tagesbezogene Statistik dieser Art wird nicht geführt. Die Selbstauskünfte der Betroffenen in den Beratungen an den Übernachtungsstandorten des WNP werden dokumentiert. Eine Ansprache der Fahrerinnen und Fahrer findet nicht statt. Soweit in Drucksache 21/11372 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Einzelfällen Fotos von wiederkehrenden Fahrzeugen erstellt wurden, sind diese zumeist nicht wieder unmittelbar am Standort in Erscheinung getreten. 3. Gab es in den Jahren 2015, 2016 bis aktuell Ermittlungsverfahren zu Menschenhandel und zu Menschhandel zum Zwecke der Arbeitsausbeutung nach § 232 und 232 StGB, Lohnwucher nach § 291 StGB gegen Unternehmen, die Migranten/-innen aus der EU beschäftigt haben? Bitte aufschlüsseln nach Jahren, Verfahrensausgang beziehungsweise Verfahrensstand. Die zur Beantwortung dieser Fragestellung erforderlichen Daten, insbesondere der (ausländerrechtliche) Status eines Beschuldigten sowie die konkrete Art der Tatbegehung , werden im Vorgangsverwaltungs- und Vorgangsbearbeitungssystem MESTA nicht erfasst, sodass anhand einer MESTA-Auswertung nicht erkannt werden kann, ob sich ein Ermittlungsverfahren gegen einen Verantwortlichen oder eine andere für ein Unternehmen handelnde Person, die EU-Migranten beschäftigt, richtet oder ein Ermittlungsverfahren gegen einen EU-Bürger wegen Sozialleistungsbetrugs geführt wird. Es müssten daher sämtliche Verfahren aus den Aktenzeichenjahrgängen 2015 bis 2017 mit dem jeweiligen Vorwurf händisch ausgewertet werden. Betreffend die Straftatbestände der §§ 232, 233 und 291 StGB ist mit Stand vom 14. Dezember 2017 die folgende Anzahl von Verfahren erfasst: Aktenzeichenjahrgang Js-Verfahren* UJs-Verfahren* 2015 73 12 2016 51 12 2017 (bis 14.12.) 74 16 * Die angegebenen Daten stehen unter dem Vorbehalt der richtigen und vollständigen Datenerfassung in MESTA. Für die händische Auswertung der Verfahrensakten müssten die Akten zunächst beigezogen werden, die sich bei laufenden Verfahren häufig nicht bei der Staatsanwaltschaft , sondern bei der Polizei, bei Gericht oder zur Akteneinsicht bei der Anwaltschaft befinden. Erst dann könnte mit der händischen Auswertung begonnen werden. Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 4. Gab es in den Jahren 2015, 2016 bis aktuell staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren zu verwandten Delikten im Zusammenhang mit der Beschäftigung von EU-Migranten/-innen? Bitte aufschlüsseln nach Jahren, Verfahrensausgang beziehungsweise Verfahrensstand. Eine gesonderte Erfassung von EU-Migranten im MESTA-Auskunftssystem erfolgt nicht. Im Übrigen siehe Antwort zu 3. und Antwort zu 5. 5. Wie viele Ermittlungsverfahren gegen EU-Bürger/-innen zu Sozialleistungsbetrug nach § 263 (SGB II, SGB III, SGBXII XII, Kindergeld und andere) gab es in den Jahren 2015, 2016 und 2017? Bitte aufschlüsseln nach Jahren, Verfahrensausgang beziehungsweise Verfahrensstand. Betreffend den Straftatbestand des § 263 StGB ist, für die Jahrgänge 2015 und 2016 mit Stand vom 4. Januar 2017 und für 2017 mit Stand vom 14. Dezember 2017, die folgende Anzahl von Verfahren erfasst: Aktenzeichenjahrgang Js-Verfahren* UJs-Verfahren* 2015 25.681 14.301 2016 25.679 13.562 2017 (bis 14.12.) 24.517 14.983 * Die angegebenen Daten stehen unter dem Vorbehalt der richtigen und vollständigen Datenerfassung in MESTA. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/11372 3 Im Übrigen siehe Antwort zu 3. 6. Über welche weiteren Erkenntnisse verfügt der Senat in diesem Themenzusammenhang ? Darüber hinausgehende Erkenntnisse liegen derzeit nicht vor.