BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/11379 21. Wahlperiode 22.12.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Sabine Boeddinghaus (DIE LINKE) vom 14.12.17 und Antwort des Senats Betr.: Problembewusstsein des Senats bei der sonderpädagogischen Förderung gegeben? (II) – Nachfrage zu Drs. 21/10945 Eingedenk der Antworten des Senats auf meine jüngste Anfrage zu sonderpädagogischen Förderplänen in Hamburg (vergleiche Drs. 21/10945) herrscht weiterhin Klärungsbedarf. Ich frage den Senat: Die Förderung dieser Schülerinnen und Schüler, die Ausschöpfung ihrer Möglichkeiten , die Auswahl des richtigen Lernortes und die Planung und Durchführung der besonderen Fördermaßnahmen sind nicht nur den Familien, sondern auch den beteiligten Lehrkräften, der Schulaufsicht und den freien Trägern, mit denen die Schulen kooperieren, ein hohes Anliegen. Die entsprechenden Festlegungen erfolgen in fast allen Fällen im vollen Einvernehmen zwischen den Familien und der Schule. Für die Schülerinnen und Schüler, die zielgleich unterrichtet werden, also einen Abschluss des allgemeinbildenden Schulwesens werden erreichen können, ergeben sich die Inhalte und Bewertungsmaßstäbe ihrer Leistungen aus den Bildungsplänen, wegen ihres Förderbedarfes zu bestimmen sind nur Art und Weise der sonderpädagogischen Förderung, gegebenenfalls zu gewährender Nachteilsausgleich und gegebenenfalls zusätzliche Integrationsleistungen. Bei Schülerinnen und Schülern, die zieldifferent gefördert werden, sind auch die Bildungsinhalte und individuell erreichbare Kompetenzen festzulegen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Bezug nehmend auf die Senatsantwort auf Frage 13. in Drs. 21/10945: Welche Anzahl an Wochenarbeitszeitstunden (WAZ) wird seitens des Senats beziehungsweise der zuständigen Fachbehörde für die Qualitätssicherung zur Gewährleistung der zukünftigen Ausrichtung aller sonderpädagogischen Förderpläne nach den Lerninhalten der Bildungs- und Rahmenpläne der jeweiligen Lerngruppen in: a. der zuständigen Fachbehörde, b. den Schulen, c. sonstigen Einrichtungen bereitgestellt? (Bitte jeweils einzeln in absoluten Arbeitsstundenzuweisungen angeben.) Wie in Drs. 21/10945 dargestellt, erfolgen Qualitätssicherungsmaßnahmen für die sonderpädagogische Förderplanung auf unterschiedlichen Ebenen und in diversen Kontexten der sonderpädagogischen Unterstützung und Förderung. Eine Quantifizierung dieser Vorgehensweise ist nicht möglich, da flexibel auf die unterschiedlichen individuellen Bedarfslagen der Schülerinnen und Schüler einzugehen ist. Die Förder- Drucksache 21/11379 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 planung sowie Fortschreibung und Überprüfung der sonderpädagogischen Förderung erfolgt im Rahmen der Regelaufgaben auf der Ebene der Lehrkräfte in den Schulen. Die Beratung, die Erstellung sowie die Umsetzung von Förderplänen sind durch das Lehrerarbeitszeitmodell abgedeckt. Qualitätssicherungsmaßnahmen im Rahmen von Schulaufsicht erfolgen ebenfalls im Rahmen der Regelaufgaben der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der für Bildung zuständigen Behörde. 2. Welches Referat ist für die Koordinierung, Sicherstellung und Qualitätssicherung dieser Aufgabe (siehe Frage 1.) zuständig? Die Qualitätssicherung hinsichtlich der Erstellung der sonderpädagogischen Förderplanung für alle Förderbedarfe ist grundsätzlich Teil des schulischen Qualitätsmanagements und liegt damit in der Zuständigkeit der Schulleitung der jeweiligen Schule. Im Übrigen siehe Drs. 21/10945. 3. Wie viele sonderpädagogische Förderpläne wurden von diesem Referat seit 2012/2013 bis heute (Stand Dezember 2017) exemplarisch analysiert , ausgewertet und in der Qualität gesichert? (Bitte für jedes Schuljahr einzeln, getrennt nach Schulform und Jahrgangsstufen, in absoluten Zahlen in einer Excel-Tabelle angeben.) a. Wie viele dieser Förderpläne wurden im Rahmen der Qualitätssicherung bemängelt und/oder kritisiert? (Bitte jeweils entsprechend in der Tabelle zu 3. angeben.) Siehe Antwort zu 2. Diese Daten werden von der zuständigen Behörde nicht erhoben. Die Qualitätssicherung und Beratung sowie Weiterqualifizierung der pädagogischen Fachkräfte erfolgt im Rahmen der Zusammenarbeit mit den Schulen wie in den Drs. 21/10945 und 21/11324 differenziert dargestellt. 4. Sind zukünftig Änderungen bei der Ausstattung der Ressourcen in Personal und/oder Sachmitteln geplant? Wenn ja, in welchem Umfang und Zeitraum werden diese Änderungen jeweils vorgesehen? (Bitte Terminierung sowie personaltechnische und sachliche Ressourcen in absoluten Zahlen und Prozent angeben.) a. Wenn nein, mit welcher sachlich/fachlichen und rechtlichen Begründung ? (Bitte jeweils einzeln erläutern und Rechtsgrundlage anfügen .) Durch die Einigung zwischen der Volksinitiative „Gute Inklusion für Hamburgs Schüler- Innnen“ und der Hamburgischen Bürgerschaft wird es zusätzliche Personalressourcen für die Förderung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischen und speziellen sonderpädagogischen Förderbedarf geben, siehe Drs. 21/11428. 5. Die Senatsantwort auf Frage 14. in Drs. 21/10945 ist, da die AO-SF in § 11 vorsieht, dass Sorgeberechtigte die Einleitung einer sonderpädagogischen Förderbedarfsüberprüfung und damit die Erstellung eines entsprechenden Förderplans bei der zuständigen Fachbehörde beantragen können, meines Erachtens nicht zureichend. Deshalb: Wie viele Anträge auf Einleitung der Überprüfung des sonderpädagogischen Förderbedarfs wurden von Sorgeberechtigten seit 2012/2013 bis heute (Dezember 2017) gestellt? (Bitte für jedes Schuljahr einzeln, getrennt nach Schulform und Jahrgangsstufe, in absoluten Zahlen in einer Excel-Tabelle angeben.) a. Wie vielen dieser Anträge wurde seitens der zuständigen Fachbehörde stattgegeben, wie viele Anträge befinden sich gegebenenfalls noch im Bescheidungsverfahren? (Bitte entsprechend in absoluten Zahlen und in Prozent in der Tabelle zu 5. angeben.) b. Für den Fall, dass dazu keine Angaben möglich sein sollten, bitte die Gründe dafür angeben und erläutern sowie erläutern, wie und durch wen die Qualitätssicherung zu diesen Antragstellungen Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/11379 3 erfolgt? (Bitte jeweils pro Grund sachlich/fachlich erläutern sowie Akteure und Verfahren der Sicherung erläutern.) Einzeldaten zur Einleitung einer sonderpädagogischen Überprüfung sowie zur möglicherweise daraus folgenden Erstellung eines sonderpädagogischen Förderplans werden von der für Bildung zuständigen Behörde nicht erhoben. Die Verantwortung der Beratung der Sorgeberechtigten liegt bei den pädagogischen und sonderpädagogischen Fachkräften der einzelnen Schulen (vergleiche hierzu Drs. 21/10945). 6. Bezug nehmend auf die Senatsantwort auf Frage 15. in Drs. 21/10945: Durch die aktuelle Rechtsprechung ergeben sich Ansätze zu den Ansprüchen der Schüler/-innen, welche bisher nicht seitens der zuständigen Fachbehörde beachtet/ berücksichtigt wurden beziehungsweise von der bisherigen Praxis des Senats nicht erfasst waren. Vom Senat wird die Anzahl der in der Rechtsabteilung der Behörde behandelten Widersprüche gegen die Förderpläne gegenüber der Gesamtanzahl der sonderpädagogisch förderbedürftigen Schüler/-innen als gering angegeben . Die aktuelle Rechtsprechung zeigt aber auf, dass sich die sonderpädagogischen Förderpläne an den Bildungsplänen der jeweils besuchten Schule auszurichten haben. Dennoch richten sich die Förderpläne nicht an diesen Bildungsplänen aus, sondern werden offenbar als Instrument einzig für die soziale Förderung und Entwicklung angesehen. Deshalb: Handelt es sich bei sonderpädagogischen Förderplänen um Verwaltungsakte gegen die ein Widerspruch/Einspruch möglich ist? (Bitte rechtlich erläutern und Kriterien einer Widerspruchs- und Einspruchsführung darstellen sowie rechtliche Grundlage anfügen.) Sonderpädagogische Förderpläne richten sich bei zielgleicher Beschulung an die Bildungspläne der Schulformen und bei zieldifferenter Beschulung an die individuellen Ziele der Schülerinnen und Schüler. a. In wie vielen Förderplänen seit 2012/2013 bis heute (Stand Dezember 2017) war/ist eine Widerrufs-/ Einspruchsbelehrung enthalten? (Bitte für jedes Schuljahr einzeln in absoluten Zahlen und in Prozent in einer Excel-Tabelle angeben.) Wie in der Vorbemerkung dargestellt, erfolgt die Förderplanung in fast allen Fällen im Einvernehmen von Schule und Elternhaus. Durch die Unterschrift unter dem Förderplan wird dieses Einvernehmen seitens der Sorgeberechtigten bestätigt. Kann ein Einvernehmen nicht hergestellt werden, erfolgt regelhaft gemäß § 18 Absatz 4 AO-SF eine Vermittlung und Entscheidung auf Ebene der fachlich zuständigen Schulaufsicht. In der Regel gelingt eine Vermittlung, sodass ein Einvernehmen erzielt wird. Daher werden diese Fälle nicht statistisch erfasst. 7. Bezug nehmend auf die Senatsantwort auf Frage 15. in Drs. 21/10945 und eingedenk der Ausführungen in Frage 6. (obig): Werden bisher bereits beschiedene Widersprüche gegen Förderpläne , die in ihrer absoluten Anzahl – laut Senat – gering sind, unter diesem Gesichtspunkt erneut geprüft beziehungsweise gegebenenfalls beschieden, insofern diese zugunsten der zuständigen Fachbehörde entschieden wurden? Wenn ja, wann genau und in welcher Weise wird das geschehen? (Bitte Verfahren und Terminierung erläutern.) a. Wenn nein, unter welcher sachlich/fachlichen und unter welcher rechtlichen Begründung? (Bitte jeweils erläutern und Rechtsgrundlage anfügen.) Förderpläne sind auf Wunsch der Sorgeberechtigten zu aktualisieren oder aufzuheben , wenn sich wesentliche Sachverhalte geändert haben, § 51 Verwaltungsverfahrensgesetz (HmbVerfG). Ansonsten gilt die Bestandkraft des Verwaltungsaktes oder Widerspruchsbescheides, § 43 Absatz 2 HmbVerfG. Sofern tatsächlich in einem Klärungsprozess fachliche Unklarheiten bestehen bleiben, leitet die zuständige Schulaufsicht eine erneute Überprüfung des Förderbedarfs ein. Drucksache 21/11379 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 8. Ist eingedenk der Antwort auf Frage 15. (Drs. 21/10945) sowie der aktuellen Rechtsprechung und der Ausführungen in Frage 6. (obig) seitens des Senats beziehungsweise der zuständigen Fachbehörde vorgesehen, alle mehr als 6.500 Schüler/-innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf über ihren Anspruch auf Ausrichtung des Förderplans an den Bildungsplänen der jeweiligen Schulen zu informieren? Wenn ja, in welchem Zeitraum und nach welchem konkreten Verfahren wird dies geschehen? (Bitte jeweils Terminierung und Vorgehen erläutern .) a. Wenn nein, auf Grundlage welcher sachlichen/fachlichen sowie rechtlichen Grundlage wird den betroffenen Schülern/-innen dieser Anspruch verwehrt? (Bitte jeweils einzeln erläutern und Rechtsgrundlage anfügen.) Nein. Den Sorgeberechtigten beziehungsweise den Schülerinnen und Schülern steht der Rechtsweg offen, wenn sie glauben, Potenziale würden in den Schulen nicht hinreichend ausgeschöpft und die sonderpädagogische Förderung bliebe hinter dem zurück, was nach § 12 HmbSG angemessen wäre. 9. Bezug nehmend auf die Senatsantwort auf Frage 15. in Drs. 21/10945 und eingedenk der Ausführungen in Frage 6. (obig): Werden außer in der Rechtsabteilung der zuständigen Fachbehörde auch an anderen Stellen, zum Beispiel bei der Schulaufsicht (vergleiche AO-SF § 18 Absatz 4), Beschwerden, Einsprüche oder Widersprüche bearbeitet? Wenn ja, in welchen genau? Sach- und Dienstaufsichtsbeschwerden werden von den jeweiligen Dienstvorgesetzten bearbeitet. An der Bearbeitung von Widersprüchen wirkt die Organisationseinheit mit, die den Ausgangsbescheid erlassen hat (sogenannte Abhilfeprüfung). 10. Eingedenk Frage 9. (obig): Wie viele bei der Schulaufsicht geführte Verfahren gegen sonderpädagogische Förderpläne gab/gibt es seit 2012/ 2013 bis heute (Stand November 2017)? (Bitte für jedes Schuljahr einzeln , getrennt nach Schulform und Jahrgangsstufe, in absoluten Zahlen und in Prozent zur Gesamtanzahl der Verfahren in einer Excel-Tabelle angeben.) Statistisch erhoben werden nur die Fälle, in denen förmliche Rechtsmittel eingelegt werden, vergleiche Drs. 21/10945. 11. Der aktuellen medialen Berichterstattung (vergleiche unter anderem Artikel „Schulbehörde erhebt Klage gegen Autisten“, „Die Welt“ Hamburg, 8.12.2017) ist zu entnehmen, dass die Behörde für Schule und Berufsbildung (BSB) gegen das vom Oberverwaltungsgericht Hamburg zugunsten des gegen sie klagenden 18-Jährigen und dessen angemessener schulischer Förderplanung gefällte Urteil, (siehe Einleitungstext Drs. 21/10945) ihrerseits Gegenklage führt. Weshalb verweigert die Behörde die Befolgung des Richterspruchs und ihre Verpflichtung einer angemessenen schulischen sonderpädagogischen Förderung des Betroffenen, der lediglich sein Recht auf Schulbesuch und Bildungsabschluss anstrebt? (Bitte ausführlich sachlich, fachlich und rechtlich Stellung nehmen.) Im Streit steht nicht mehr die Richtigkeit des Förderplans, sondern der Lernort. In dem in den Medien dargestellten Fall geht es um einen Schüler, mit dem eine Förderung in einer Lerngruppe vereinbart worden war. Diese Lerngruppe besteht aber nicht mehr, weil die anderen Schülerinnen und Schüler zwischenzeitlich in Regelklassen übernommen werden konnten. Die zuständige Behörde kann auch nicht andere Schülerinnen und Schüler zwingen, mit diesem Schüler eine Lerngruppe zu bilden, wenn dies für jene Schülerinnen und Schüler nicht die richtige Art der sonderpädagogischen Förderung darstellt. Der Behörde ist die Erfüllung des Vertrages mithin objektiv unmöglich, § 275 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).