BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/11400 21. Wahlperiode 22.12.17 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Daniel Oetzel (FDP) vom 15.12.17 und Antwort des Senats Betr.: Sachgrundlose Entziehung des Sorgerechts? Der frühere Jugendhilfe-Abteilungsleiter Wolfgang Hammer kritisiert in der aktuellen Medienberichterstattung, dass Jugendamtsmitarbeiter auch in machtmissbräuchlicher Form auf Basis einer „Laienentscheidung“ Kinder den Eltern entzogen haben sollen. Ferner sollen Familiengerichte die Argumentation der Jungendamtsmitarbeiter in entsprechenden Sorgerechtsverfahren nicht hinreichend hinterfragt haben. Zuletzt kritisierte W. Hammer, dass die korrektive Hierarchieebene ihrer Funktion in Beschwerdefällen gegen Mitarbeiter und/oder Entscheidungen nur unzureichend nachkäme. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Inobhutnahmen sind grundsätzlich von Sorgerechtsentzügen zu unterscheiden. Es handelt sich bei Inobhutnahmen um kurzfristige Schutzmaßnahmen, die nur das Jugendamt anordnet und beendet. Die Inobhutnahme endet mit der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an den Sorgeberechtigten oder mit der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen zur Erziehung. Ein Entzug des Sorgerechts und Übertragung auf einen Vormund kann nur durch das Familiengericht angeordnet werden. Eine längerfristige Unterbringung leistet das Jugendamt im Rahmen von Hilfen zur Erziehung. Diese müssen durch einen Sorgeberechtigten beantragt werden. Wurde den Eltern das Sorgerecht entzogen, wird der Antrag durch den gerichtlich eingesetzten Vormund gestellt. Die vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. In wie vielen Fällen wurden in den Jahren 2014 – 2017 Kinder aufgrund des Verdachts und/oder der Beurteilung des Verbleibs als Kindeswohlgewährdung aus Familien genommen? (Bitte jahresweise aufschlüsseln .) a. In wie vielen Fällen waren war dies für die Dauer von <7 Tagen, einer Woche bis einem Monat, einem Monat – drei Monaten, drei – sechs Monaten, sechs – zwölf Monaten und länger als zwölf Monate der Fall? (Bitte jahresweise aufschlüsseln.) b. In wie vielen Fällen handelte es sich bei den Erziehungsberechtigten um Alleinerziehende? (Bitte jahresweise aufschlüsseln.) c. In wie vielen Fällen gab es eine Beschwerde gegen die Entscheidung ? (Bitte jahresweise aufschlüsseln.) Drucksache 21/11400 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 d. In wie vielen Fällen kam das Gericht zu der Entscheidung, dass es für eine kindesentziehende Maßnahme nicht genug hinreichend Anlass gäbe? (Bitte jahresweise aufschlüsseln.) e. In wie vielen Fällen wurde die kindesentziehende Maßnahme vonseiten der Jugendämter beendet? (Bitte jahresweise aufschlüsseln.) Für das Jahr 2017 liegt die Bundesstatistik noch nicht vor. Das Merkmal „Alleinerziehend “ wird in der Bundesstatistik nicht erfasst. Insofern können darüber keine Aussagen getroffen werden. Darüber hinaus siehe Drs. 21/10236. Beschwerden gegen die Entscheidung des ASD und Ablehnungen des Gerichts werden statistisch nicht erfasst. Es müssten für die letzten vier Jahre mehr als 6.000 Akten händisch ausgewertet werden. Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage vorgesehenen Zeit nicht möglich. Im Übrigen wird eine Inobhutnahme als Schutzmaßnahme immer vom Jugendamt beendet. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 2. Wie hat sich in den Jahren 2014 – 2017 der Anteil der Sorgerechtsentziehungen und Inobhutnahmen hinsichtlich der latenten und akuten KWG entwickelt? (Bitte jahresweise nach akut und latent aufschlüsseln.) Die drei Merkmale „akute/latente Kindeswohlgefährdung (KWG)“, „Anzahl Inobhutnahmen “ und „Anzahl Sorgerechtsentzüge“ erfasst die Bundesstatistik in separaten Statistiken, die nicht miteinander in Beziehung gesetzt werden können. Anzahl durch den ASD festgestellter KWG Jahr Gesamtanzahl davon akute KWG davon latente KWG 2014 1.801 523 479 2015 1.684 502 388 2016 1.851 580 477 Quelle: Bundesjugendhilfestatistik Im Übrigen siehe Drs 21/10236 und Antwort zu 1. 3. Welche weiteren Gründe von Sorgerechtsentziehungen und Inobhutnahmen gibt es darüber hinaus? Der ASD muss ein Kind oder Jugendlichen in Obhut nehmen, wenn dieses/r darum bittet oder eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen besteht und diese nicht mit anderen Maßnahmen abgewendet werden kann. Darüber hinaus müssen unbegleitete minderjährige Ausländer ebenfalls in Obhut genommen werden. Ein Entzug des Sorgerechts kommt nur bei einer KWG in Betracht. 4. In wie vielen Fällen fanden Sorgerechtsentziehungen und Inobhutnahmen aus den unter 3. genannten Gründen statt? (Bitte jahresweise und nach Grund für den Zeitraum 2014 – 2017 aufschlüsseln.) Zur Anzahl der in Obhut genommenen minderjährigen unbegleiteten Ausländer siehe Drs. 21/10236. Inobhutnahmen Jahr Gesamtanzahl Auf eigenen Wunsch (Bitte des Kindes od. des Jugendlichen) Wegen Gefährdung (dringende Gefahr) (durch den ASD) 2014 2.045 1.026 1.019 2015 1.940 1.196 744 2016 2.140 1.222 918 Quelle: Bundesjugendhilfestatistik