BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/11413 21. Wahlperiode 22.12.17 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Birgit Stöver (CDU) vom 18.12.17 und Antwort des Senats Betr.: Katholische Kirche will aufgrund der wirtschaftlichen Lage des Erzbistums über Schulschließungen entscheiden Der Bericht des „Hamburger Abendblatts“ vom 12.12.2017 über „Das Erzbistum in der Schuldenfalle“ macht deutlich, dass die Schulden des katholischen Erzbistums zu einem erheblichen Teil den über lange Jahre nicht ausreichenden Zuwendungen der Hansestadt für den Betrieb der katholischen Schulen in der Stadt geschuldet sind. Die Schulen in privater Trägerschaft, hier die katholischen, haben eine öffentliche Aufgabe übernommen und Schüler betreut, die sonst für deutlich höhere Kosten im öffentlichen Schulwesen hätten beschult werden müssen. Hier haben sich Altlasten ergeben, die in der Vergangenheit durch viel zu niedrige staatliche Finanzhilfe angehäuft wurden. Der Schülerkostensatz je Grundschüler betrug bis 2004 nur 49 Prozent der staatlichen Vergleichskosten. 2004 hat der damalige Senat die Schülerkostensätze der katholischen und aller anderen Privatschulen schrittweise auf 85 Prozent der staatlichen Vergleichskosten angehoben. Die Berechnung erfolgt seit Jahren aber nicht auf Basis der tatsächlichen Aufwendungen, die die Freie und Hansestadt Hamburg für Schüler in den staatlichen Schulen aufwendet. Deshalb haben schon seit Feststellung dieser Benachteiligung die Träger von Schulen in freier Trägerschaft um Ermittlung der tatsächlichen IST-Kosten gebeten. Die angehäuften Minuserträge, die sich aus den jährlich fehlenden Zuschüssen ergeben haben, führen bei den Trägern von Privatschulen, die sich bisher seit vielen Jahren um sozial benachteiligte Kinder gekümmert haben und auch weiterhin kümmern wollen, zu großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Sollte es deshalb zu den angedeuteten Veränderungen im katholischen Schulwesen und möglicherweise zum Auslaufen von Schulen in katholischer Trägerschaft kommen, hat dies immense Auswirkungen auch auf die Schulversorgung in der Stadt, in finanzieller wie in pädagogischer Hinsicht. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die römisch-katholische Kirche ist ein langjähriger und großer Schulträger in Hamburg , der 21 Schulen betreibt, die von 9.145 Schülerinnen und Schüler besucht werden . Damit trägt das Erzbistum Hamburg sowohl eine große Verantwortung für ein Bildungssystem, das auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes ein flächendeckendes und differenziertes Erziehungsangebot bietet, als auch für die zukünftige Entwicklung dieses Bildungsangebots. Die katholischen Schulen sind wie andere Ersatzschulen auch ein wesentlicher Bestandteil der Schullandschaft und leisten einen wichtigen Beitrag zur Versorgung aller Schülerinnen und Schüler. Drucksache 21/11413 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Aus Artikel 137 Weimarer Reichsverfassung (WRV) ergibt sich, dass die Kirche in der Verwendung ihrer Einnahmen und der Nutzung ihres Vermögens autonom handelt, sie schuldet dem Staat keine Rechenschaft. Allerdings ist die Freie und Hansestadt Hamburg der römisch-katholischen Kirche durch einen Staatsvertrag verbunden, der frühzeitige und vertrauliche Konsultationen über wesentliche für beide Seiten wichtige Anliegen vorsieht. Bisher hat die römisch-katholische Kirche der für Bildung zuständigen Behörde nicht mitgeteilt, dass Schulschließungen beabsichtigt sind. Schulrechtlich ergibt sich aus Artikel 7 Grundgesetz, dass alle Ersatzschulträger für den wirtschaftlichen Betrieb ihrer Schulen einschließlich der Bildung erforderlicher Rücklagen selbst verantwortlich sind, so auch die römisch-katholische Kirche. Die staatliche Finanzhilfe für Schulen in freier Trägerschaft in der Freien und Hansestadt Hamburg stellt sich deutlich besser dar als in den angrenzenden Ländern Schleswig- Holstein und Niedersachsen und den Stadtstaaten Bremen und Berlin. Beschäftigen Schulen in freier Trägerschaft Angestellte, sind die Aufwendungen für die Zukunftssicherung dieser Personen durch die Arbeitgeberanteile in den Sozialversicherungsbeiträgen laufend zu erbringen. Beschäftigen Schulen in freier Trägerschaft Beamte, ist die Anstellungskörperschaft für die Bildung entsprechender Rücklagen beziehungsweise die Sicherstellung ihrer Zahlungsfähigkeit in der Zukunft selbst verantwortlich . Es obliegt allein der kaufmännischen Verantwortung der Schulträger, ob sie Angestellte oder, sofern sie Dienstherrenfähigkeit besitzen, auch und in welchem Umfang Beamte beschäftigen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie groß ist die Zahl der Schulen in freier Trägerschaft in Hamburg und wie viele Schüler werden insgesamt in diesen Schulen betreut? In Hamburg werden 96 Ersatzschulen in freier Trägerschaft betrieben, die im Schuljahr 2016/2017 von insgesamt 22.655 Schülerinnen und Schüler besucht wurden. 2. Wie viele Schulen mit wie vielen Schülern gehören davon zum katholischen Schulverband? Siehe Vorbemerkung. 3. Wie berechneten sich die Schülerkostensätze, die die Privatschulen im Zeitraum 1990 bis 2000 erhalten haben? Welchen Prozentsatz der Aufwendungen für Schüler im öffentlichen Schulwesen machten diese aus? Siehe das Privatschulgesetz der Freien und Hansestadt Hamburg vom 21. Juli 1989 (HmbGVBl. S. 160, 174) sowie die Verordnung über die Gewährung von Finanzhilfe an private Schulträger vom 1. Oktober 1991 (HmbGVBl. S. 333). Ein Vergleich der insoweit entstandenen Aufwendungen ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 4. Verfügt die zuständige Behörde über Vergleichsrechnungen betreffend der Jahreskosten, die der Freien und Hansestadt Hamburg entstünden, wenn alle die Schüler, die jetzt Schulen in freier Trägerschaft besuchen, staatliche Schulen besuchen würden? Wenn ja, wie hoch ist der Betrag? Wenn nein, warum nicht? Der Freien und Hansestadt Hamburg entstünden kalkulatorische Mehraufwendungen in Höhe von 15 Prozent des Betrages, der den Ersatzschulen als Finanzhilfe zufließt. 5. Wie berechnen sich die Schülerkostensätze nach den Regelungen der Reform von 2004? 6. Enthalten diese Kostensätze auch a. die anteiligen Kosten für Lehr- und Lernmittel im Sinne der Lernmittelfreiheit ? b. in fallzahlbezogener Höhe die Aufwendungen für Schüler mit Behinderungen ? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 20. Wahlperiode Drucksache 21/11413 3 c. die anteiligen Kosten für Gebäudeunterhalt und Ersatzinvestitionen? d. die anteiligen Kosten für Energiekosten und Entsorgung? e. die anteiligen Kosten für Versicherungen? f. die anteiligen Kosten für Rückstellungen für Ruhegehälter? Siehe Drs. 20/12845. 7. Nach Presseberichten („Hamburger Abendblatt“, 2.12.2017, Seite 15) hatte die zuständige Behörde die Absicht, die Schülerkostensätze für die Privatschulen abzusenken, da im öffentlichen Schulwesen die Personalkosten bei gleicher Beschäftigtenzahl, aber bei einem niedrigeren Altersdurchschnitt durch viele Neueinstellungen gesunken sind. Dies wird mit Recht als unbillig empfunden in aufgrund ihrer Altersstruktur schlechter gestellten Schulen. a. Besteht diese Absicht fort? b. Wenn ja, will die zuständige Behörde damit die Schulen anregen, die Zahl älterer Lehrkräfte zu verringern? Hat sie dafür bereits Anregungen zur Durchführung vorbereitet? Die Höhe der Finanzhilfe für Schulen in freier Trägerschaft ist gesetzlich geregelt. Die für Bildung zuständige Behörde plant keine Veränderung dieses gesetzlichen Rahmens , weder zulasten noch zugunsten der Schulen. 8. Wie bewertet der Senat die Ankündigung von möglichen Schulschließungen im katholischen Erzbistum? Siehe Vorbemerkung. 9. Anerkennt der Senat eine Mitverantwortung für Pensionslasten, die den Schulen in freier Trägerschaft vor 2004, also in einer Zeit deutlich ungenügender Zuweisungen bei unstrittiger Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe , entstanden sind? Wurden in der Zeit vor 2004 für die Lehrkräfte in den öffentlichen Schulen Rückstellungen für Ruhegehaltslasten gebildet oder errechnet? Rückstellungen für Ruhegehälter von Lehrkräften an staatlichen Schulen wurden vor 2004 nicht gebildet. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 10. Wie bewertet der Senat die Auswirkungen der aktuell übermittelten Schülerkostensätze für die Schulen in freier Trägerschaft, die eine deutliche Absenkung vorsehen, auf mögliche Veränderungen im Bereich von Schulplatzangeboten der freien Träger? Die bekannt gegebenen Sätze waren zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung korrekt, beruhten aber auf der Verwendung einer zwischenzeitlich korrigierten Tabelle der Personalkosten. 11. Wie schätzt der Senat die Auswirkung dieser Korrektur auf mögliche Schulstandortentscheidungen freier Träger ein? Ist der Senat in Gesprächen hierzu mit dem katholischen Erzbistum und den übrigen Trägern von Schulen in freier Trägerschaft? Die für Bildung zuständige Behörde kommuniziert laufend mit den Schulträgern und ihren Verbänden. Im Übrigen siehe Antwort zu 7. und Vorbemerkung. 12. Im Gegensatz zu manchen Vertretern eines nur staatlichen Schulwesens sind für viele engagierte Eltern Schulen in freier Trägerschaft eine in ihrem Sinne wichtige Ergänzung des Schulangebots in unserer Stadt, sei es wegen ihre besonderen pädagogischen, fachlichen, sozialen oder bekenntnismäßigen Orientierung (vergleiche GG Artikel 6 (2). Teilt der Senat diese Position? Siehe Vorbemerkung.