BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/11459 21. Wahlperiode 02.01.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Jörn Kruse (AfD) vom 27.12.17 und Antwort des Senats Betr.: Jihadistinnen aus Hamburg – Holt der Senat sie zurück? Infolge der militärischen Niederlagen, die der IS in 2017 hinnehmen musste, konnten Syrien und der Irak nahezu vollständig von der Besatzung durch die Terrororganisation befreit werden. Aktuellen Informationen der Bundesregierung zufolge sind mittlerweile etwa 50 deutsche Jihadistinnen aus Syrien und dem Irak zurückkehrt, wo sie zuvor als Terrorkriegerinnen oder als Bräute der Terrorkrieger gelebt hatten, um im IS-Kalifat für Nachwuchs und Kindererziehung zu sorgen. Von den insgesamt 960 Personen, die sich dem IS bis heute vor Ort angeschlossen haben, ist etwa ein Drittel wieder in Deutschland – eine Gruppe, deren Frauenanteil bei 15 Prozent liegt. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Hamburg zählt wie alle anderen Verfassungsschutzbehörden nur die Jihadisten und Jihadistinnen, die in Richtung Syrien oder Irak ausgereist sind. Nicht in allen Fällen liegen Erkenntnisse vor, dass sich diese Personen auch tatsächlich in Syrien/im Irak aufhalten beziehungsweise aufgehalten haben. Aufgrund der Reisefreiheit und der Begrenztheit der Möglichkeit, alle Reiseplanungen zu überprüfen, kann nicht in jedem Fall sicher bestimmt werden, welchem Zweck die Reise dient. Der genaue Zeitpunkt einer Ausreise lässt sich nicht immer genau bestimmen, da Hinweise auf eine erfolgte Aus- und Rückreise in vielen Fällen erst nachträglich anfallen und daher zeitlich nicht konkret eingegrenzt werden können. Ausreisende sind sich darüber im Klaren, dass Sicherheitsbehörden mit den zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln eine Ausreise verhindern würden, sobald sie davon Kenntnis erlangen. Aus diesem Grund werden entsprechende Reisepläne konspirativ vorbereitet und nur in kleinsten Zirkeln geplant und besprochen. Zudem unterliegen die Zahlen aufgrund der sich ständig verändernden Informationslage, datenschutzrechtlicher Pflegemaßnahmen der gespeicherten Daten sowie Länderzuständigkeiten einer ständigen Fluktuation. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Frauen sind bis heute aus Hamburg in den Dschihad nach Syrien gereist? a) Wie alt sind diese Personen, welche Staatsangehörigkeit haben sie und wann ist ihre Ausreise jeweils erfolgt? Dem LfV Hamburg sind derzeit 14 Personen im Sinne der Fragestellung bekannt: Syrienreisende Frauen unter 18 Jahre 0 18 – 21 Jahre 5 22 – 34 Jahre 7 ab 35 Jahre 2 Drucksache 21/11459 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Syrienreisende Frauen Gesamtsumme 14 Staatsangehörigkeit Frauen deutsch 9 türkisch 5 libanesisch 1 kasachisch 1 russisch 1 irakisch 1 ghanaisch 1 dopp. Staatsangeh. 5 Ausreisejahr Frauen 2013 2 2014 7 2015 4 2016 1 Im Übrigen siehe Vorbemerkung. b) Wie viele der Ausgereisten sind mittlerweile nach Hamburg zurückgekehrt ? c) Wann sind die Einreisen dieser Personen jeweils erfolgt? Dem LfV Hamburg sind derzeit drei Personen im Sinne der Fragestellung bekannt. Im Jahr 2015 sind zwei und 2016 eine Person eingereist. Im Übrigen siehe Vorbemerkung . 2. Wie viele der ausgereisten Frauen werden gegenwärtig noch in Syrien beziehungsweise dem Irak vermutet? Insgesamt elf Personen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 3. In wie vielen Fällen hat der Senat Kenntnis davon, dass die Ausgereisten ums Leben gekommen sind? Aufgrund der eingeschränkten Erkenntnisse der Lage vor Ort liegen meist keine detaillierten Informationen über den Verbleib und die Aktivitäten der gereisten Personen vor. Zu keiner der ausgereisten Jihadistinnen liegen belegbare Informationen zu deren Ableben vor. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 4. Ist dem Senat bekannt, ob die ausgereisten Frauen während ihres Aufenthalts beim IS Straftaten begangen haben? Nein. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 5. Inwiefern werden zurückgekehrte Jihadistinnen rechtlich belangt? 6. Wie viele Prozesse gegen Angehörige dieser Personengruppe sind gegenwärtig in Hamburger Gerichten anhängig? 7. Wie viele Prozesse sind bereits abgeschlossen worden? 8. Welche Urteile hat es dabei gegeben? Der Begriff „Jihadist/Jihadistin“ ist kein Tatbestandsmerkmal einer Strafvorschrift im Strafgesetzbuch (StGB) und wird daher im Vorgangsverwaltungs- und -bearbeitungssystem der Staatsanwaltschaft MESTA nicht erfasst. Soweit sich Personen – entsprechend der Vorbemerkung der vorliegenden Anfrage – im Ausland einer terroristischen Organisation wie dem sogenannten IS angeschlossen oder eine solche Organisation unterstützt haben, kommt eine Strafbarkeit gemäß §§ 129a, 129b StGB in Betracht. Die Verfolgung derartiger Straftaten fällt gemäß §§ 142a Absatz 1, 120 Absatz 1 GVG in die Zuständigkeit des Bundes, nämlich des Generalbundesanwaltes (GBA), der nur in Fällen minderer Bedeutung diesbezügliche Verfah- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/11459 3 ren an die Generalstaatsanwaltschaften der Länder abgibt (§ 142a Absatz 2 Nummer 2 GVG). Gemäß Absprache mit der Bundesanwaltschaft, der Generalstaatsanwaltschaft und der Staatsanwaltschaft Hamburg werden Sachverhalte von der Polizei an die Staatsanwaltschaft übermittelt, in denen der Verdacht besteht, dass Personen in das Gebiet Syrien/Irak ausgereist sein könnten, um beispielsweise an kriegerischen Handlungen teilzunehmen. Die Verfahrensweise sieht vor, diese Sachverhalte als sogenannte Prüfvorgänge an die Staatsanwaltschaft Hamburg zu übersenden, welche diese der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe zur Prüfung vorlegt. Sollte die Bundesanwaltschaft den Anfangsverdacht der Mitgliedschaft/Unterstützung einer terroristischen Vereinigung bejahen, wird ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, dieses in der Regel der Generalstaatsanwaltschaft Hamburg zugeleitet und das Landeskriminalamt mit der Aufnahme beziehungsweise Fortführung der Ermittlungen beauftragt. Bezogen auf die oben genannten weiblichen Personen ist eine entsprechende Abgabe seitens des GBA bislang nicht erfolgt. In Ermangelung entsprechender Verfahrensabgaben hat es daher auch keine Strafverfahren beziehungsweise Urteile in Hamburg gegeben. Es ist bei der Generalstaatsanwaltschaft Hamburg ein Prüfvorgang bearbeitet worden, der von hier aus dem GBA am 12. Dezember 2017 unter Hinweis auf einen möglichen Anfangsverdacht einer Straftat nach §§ 129a, 129b StGB zur Prüfung der Verfahrensübernahme übersandt worden ist. Am Hanseatischen Oberlandesgericht sind darüber hinaus bislang keine Strafverfahren gegen den benannten weiblichen Personenkreis durch den GBA anhängig gemacht worden. 9. Unternimmt der Senat Anstrengungen, um nach Syrien ausgereiste Jihadistinnen, die von den syrischen beziehungsweise irakischen Behörden aufgrund ihrer Mitgliedschaft im IS angeklagt werden und mit harten Strafen rechnen müssen, nach Hamburg zurückzuholen? Falls ja, welche? Falls nein, warum nicht? 10. Arbeitet der Senat zu diesem Zweck mit der Bundesregierung zusammen ? Falls ja, inwiefern? Falls nein, warum nicht? 11. Ist dem Senat bekannt, ob gegenwärtig gegen aus Hamburg ausgereiste Jihadistinnen in Syrien beziehungsweise dem Irak prozessiert wird? Falls ja, welche Informationen liegen dem Senat hier vor? Die Zuständigkeit liegt beim Bundeskriminalamt und dem Auswärtigen Amt. Darüber hinausgehende Erkenntnisse liegen den zuständigen Behörden nicht vor.