BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/11592 21. Wahlperiode 19.01.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Gladiator (CDU) vom 11.01.18 und Antwort des Senats Betr.: Gesetzeskonforme Errichtung von Windenergieanlagen (II) An der Schallausbreitungsrechnung auf Grundlage der DIN ISO 9613-2 werden bei Schallquellenhöhen, wie sie bei Windkraftanlagen (WKA) heute vorherrschen (> 100 m), im Ergebnis nationaler und internationaler Untersuchungen zunehmend Zweifel an der Prognosequalität geäußert. Zur Anpassung des Prognoseverfahrens auf hochliegende Quellen stellt die Bund/ Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) seit September 2017 für den gegenwärtigen Stand der Geräuschbeurteilung von WKA auf das Interimsverfahren ab. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Welche weiteren Untersuchungen und Fortschritte im Verständnis der Geräuschentstehung und -ausbreitung von WKA sind nach aktuellem Kenntnisstand erforderlich, wie ist der aktuelle Kenntnisstand und wann kann mit Ergebnissen gerechnet werden? Der DIN/VDI-Normenausschuss Akustik, Lärmminderung und Schwingungstechnik (NALS) erarbeitet gegenwärtig die VDI 4101 Teil 2 „Schallausbreitung im Freien unter Berücksichtigung meteorologischer und topographischer Bedingungen – Windenergieanlagen “, welche den Anwendungsbereich der DIN-ISO 9613-2 auf Windkraftanlagen (WKA) als hochliegende Quellen erweitert. Durch diese Norm sollen unter anderem eine physikalisch genauere Quellenbeschreibung und genauere Beschreibung der Schallausbreitung (unter anderem Berücksichtigung von Veränderungen im Windund Temperaturfeld in Quellnähe) bei WKA erreicht werden. Der Zeitpunkt der Vorlage einer Entwurfsfassung ist gegenwärtig noch unbekannt. 2. Wird das „Interimsverfahren“ in Hamburg im Genehmigungsverfahren für Neuanlagen angewendet? Wenn nein, warum nicht und wann ist damit zu rechnen? Ja. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Verwaltungsgerichte in Deutschland über die Anwendung des Interimsverfahrens bislang unterschiedlich entschieden haben. Eine gesicherte Rechtsprechung liegt somit noch nicht vor. 3. Kann das „Interimsverfahren“ in Hamburg auch auf bereits genehmigte WKA angewendet werden? Wenn nein, wie wird der Lärmschutz der Anwohner nach dem gegenwärtigen Stand der Geräuschbeurteilung gewährleistet? Das ist noch nicht abschließend geprüft. In diesen Fällen ist insbesondere der Bestandsschutz durch die erteilte Genehmigung zu berücksichtigen. Drucksache 21/11592 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 4. Soweit Geräuschmessungen in der Regel nicht durch die zuständige Behörde selbst durchgeführt werden, wie wird gewährleistet, dass die Messergebnisse der „anerkannten Messstellen“ fehlerfrei und regelkonform sind und somit eine Belastung der Anwohner mit überhöhten Schallimmissionen ausgeschlossen ist? Nach den LAI-Hinweisen zum Schallimmissionsschutz bei WKA sind Geräuschimmissionsmessungen bei WKA mit messtechnischen Schwierigkeiten verbunden, die insbesondere durch ein ungünstiges Verhältnis von Anlagen- und (windinduziertem) Hintergrundgeräusch sowie durch meteorologische Schwankungen der Schallausbreitungsbedingungen bedingt sind. Daher werden in der Regel Emissionsmessungen durchgeführt und auch in den Nebenbestimmungen zur Genehmigung gefordert. In den Nebenbestimmungen zur Genehmigung ist gefordert, dass diese gemäß den „Technischen Regeln für Windkraftanlagen – Teil 1: Bestimmung der Schallemissionswerte “ – FGW-TR1 – der Fördergesellschaft Windenergie e.V.) von einer entsprechend § 29b BImSchG zugelassenen Messstelle, die nachweislich Erfahrungen mit der Messung von WKA hat (belegt durch Führung des Konformitätssiegels Schallemission TR 1 der FGW), durchzuführen sind. Solche Messstellen weisen ihre Kompetenz zum Beispiel durch Teilnahme an regelmäßigen Ringversuchen zur akustischen Vermessung von WKA nach FGW-Richtlinie nach. Die Messplanung stimmen die Messstellen im Vorwege mit der Genehmigungsbehörde ab, welche auch die Messberichte auf Konformität mit den zugrunde gelegten Messvorschriften prüft und gegebenenfalls auch bei den Messungen anwesend ist. 5. Die Antwort des Senats (auf Frage 6. der Drs. 21/10574) zu überschrittenen Lärmgrenzen durch WKA wurde nur allgemein beantwortet – daher nochmals: Durch welche WKA in Hamburg wurden die rechtlich definierten Lärmgrenzen überschritten und welche Folgen hatte dies konkret? Alle bislang an den neu errichteten WKA in Hamburg durchgeführten Schallemissionsmessungen haben ergeben, dass die in den Nebenbestimmungen zur Genehmigung festgelegten Anforderungen an die Schallemission der WKA eingehalten werden . 6. Kam es in Hamburg während des fortlaufend protokollierten, schallreduzierten Betriebs von WKA zu Lärmgrenzüberschreitungen? Wenn ja, wo? Nein.