BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/11594 21. Wahlperiode 19.01.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dirk Nockemann (AfD) vom 11.01.18 und Antwort des Senats Betr.: Kirchenasyl verhindert Abschiebung – Wie ist die Situation in Hamburg ? Das „Stormarner Tageblatt“ berichtete in seiner Ausgabe vom 15.12.2017 von einer tschetschenischen Familie, die ihre Abschiebung verhindern konnte , indem ihr Kirchenasyl gewährt wurde. Solche Fälle, von denen es nach Auskunft des Artikels allein in Schleswig- Holstein mehr als 100 gibt, können einen Eingriff in das europäische Zuständigkeitssystem nach der Dublin-III-Verordnung darstellen. Im vorliegenden Fall sollte die Familie nach Polen zurückgeschoben werden, das eigentlich für das Asylverfahren zuständig war. Dies muss aber innerhalb einer gesetzlich bestimmten Frist erfolgen, die auch durch die Gewährung von Kirchenasyl nicht zu laufen aufhört, anderenfalls geht die Zuständigkeit auf das Land über, in dem sich die Personen aufhalten, vorliegend also Deutschland. Im geschilderten Fall kommt pikanterweise hinzu, dass die Familie sich zuvor unter Anwendung von Gewalt und Flucht der Abschiebung entzogen hatte. Durch die anschließende Gewährung von Kirchenasyl hat nun die Kirche dafür gesorgt, dass kriminelle illegale Einwanderer weiter in Deutschland bleiben und damit eine gesetzlich vorgeschriebene Maßnahme ausgehebelt. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Von wie vielen Fällen Kirchenasyl in Hamburg hat der Senat Kenntnis? Bitte aufschlüsseln nach Kirchgemeinde, Datum der Kenntniserlangung und Anzahl der in Obhut der Kirche befindlichen Personen. Mit Stand 25. Januar 2017 sind der zuständigen Behörde in 50 Fällen Mitteilungen über Kirchenasyl zugegangen, die insgesamt 87 Personen umfassten. Im Übrigen siehe Drs. 21/7646. Zum Stand: 12. Januar 2018 hat die zuständige Behörde Kenntnis von folgenden Kirchenasylfällen in Hamburger Zuständigkeit: Kirchengemeinde Datum der Mitteilung Zahl der in der Mitteilung genannten Personen Ev.-luth. Kirchenkreis Hamburg, Hamburg-Ost 10.01.2017 5 Katholische Kirchengemeinde St. Marien-Bergedorf 25.01.2017 1 Katholische Kirchengemeinde St. Marien-Bergedorf 25.01.2017 1 Ev.-luth. Kirchenkreis Hamburg, Hamburg-Ost 02.02.2017 1 Drucksache 21/11594 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Kirchengemeinde Datum der Mitteilung Zahl der in der Mitteilung genannten Personen Ev.-luth. Kirchengemeinde Hamburg- Bahrenfeld 08.02.2017 1 Ev.-luth. Kirchengemeinde St. Gertrud 17.02.2017 1 Ev.-luth. Kirchengemeinde St. Georg- Borgfelde 20.02.2017 1 Katholische Kirchengemeinde St. Ansgar 05.03.2017 1 Ev.-luth. Kirchenkreis Hamburg, Hamburg-Ost 06.03.2017 3 Ev.-luth. Kirchenkreis Hamburg, Hamburg-Ost 10.03.2017 3 Ev.-luth. Kirchenkreis Hamburg, Hamburg-Ost 14.03.2017 1 Ev.-luth. Kirchenkreis Hamburg, Hamburg-Ost 28.03.2017 1 Ev.-luth. Kirchengemeinde Bugenhagen -Groß-Flottbek 30.03.2017 1 Katholische Kirchengemeinde St. Marien, Bergedorf 07.04.2017 1 Ev.-luth. Kirchengemeinde Maria Magdalenen Klein Borstel 10.04.2017 1 Evangelisch-reformierte Kirche in Hamburg 11.04.2017 2 Ev.-luth. Kirchenkreis Hamburg, Hamburg-Ost 13.04.2017 1 Ev.-luth. Kirchenkreis Hamburg, Hamburg-Ost 20.04.2017 4 Ev.-luth. Kirchenkreis Hamburg, Hamburg-Ost 25.04.2017 1 Katholische Kirchengemeinde St. Marien, Bergedorf 25.04.2017 1 Ev.-luth. Kirchengemeinde Hamburg- Bahrenfeld 11.05.2017 2 Ev.-luth. Kirchengemeinde, Hamburg -Eidelstedt 11.05.2017 1 Ev.-luth. Kirchenkreis Hamburg, Altona-Ost 12.05.2017 1 Ev.-luth. Kirchenkreis Hamburg, Hamburg-Ost 18.05.2017 2 Ev.-luth. Kirchenkreis Hamburg, Hamburg-Ost 19.05.2017 2 Ev.-luth. Kirchengemeinde Maria Magdalenen Klein Borstel 25.05.2017 6 Ev.-luth. Kirchengemeinde, Lauenburg -Elbe 15.06. 2017 5 Ev.-luth. Kirchenkreis Hamburg, Hamburg-Ost 23.06.2017 1 Katholische Kirchengemeinde St. Marien, Bergedorf 28.06.2017 1 Ev.-luth. Kirchenkreis Hamburg, Hamburg-Ost 30.06.2017 1 Ev.-luth. Kirchenkreis Hamburg, Hamburg-Ost 30.06.2017 1 Ev.-luth. Kirchengemeinde Bergedorfer Marschen 06.07.2017 4 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 20. Wahlperiode Drucksache 21/11594 3 Kirchengemeinde Datum der Mitteilung Zahl der in der Mitteilung genannten Personen Ev.-luth. Kirchengemeinde Ansgar, Hamburg-Langenhorn 09.07.2017 5 Katholische Kirchengemeinde St. Marien, Bergedorf 25.07.2017 1 Katholische Kirchengemeinde St. Katharina von Siena, Hamburg 25.07.2017 1 Ev.-luth. Kirchenkreis Hamburg, Hamburg-Ost 31.07.2017 2 Ev.-luth. Kirchengemeinde Hamburg- Bahrenfeld 08.08.2017 4 Ev.-luth. Kirchenkreis Hamburg, Hamburg-Ost 10.08.2017 2 Ev.-luth. Kirchenkreis Hamburg, Hamburg-Ost 15.08.2017 1 Katholische Kirchengemeinde St. Marien, Bergedorf 02.09.2017 1 Ev.-luth. Kirchengemeinde Maria Magdalenen Klein Borstel 06.09.2017 1 Katholische Kirchengemeinde St. Marien, Bergedorf 08.09.2017 1 Katholische Dompfarrei St. Marien 21.10.2017 1 Ev.-luth. Kirchengemeinde St. Andreas, Hamburg-Harvestehude 23.11.2017 1 Ev.-luth. Kirchengemeinde Hamburg- Bahrenfeld 27.11.2017 1 Katholische Kirchengemeinde St. Marien, Bergedorf 04.12.2017 1 Ev.-luth. Kirchenkreis Hamburg, Hamburg-Ost 14.12.2017 1 Katholische Kirchengemeinde St. Bonifatius, Hamburg Eimsbüttel 15.12.2017 1 Ev.-luth. Kirchengemeinde Bugenhagen-Groß-Flottbek 18.12.2017 2 Ev.-luth. Kirchenkreis Hamburg, Hamburg-Ost 09.01.2018 1 2. Wie genau verläuft die Zuständigkeitsprüfung im Rahmen des Dublin-III- Verfahrens und welche Fristen bestehen hinsichtlich der Rückführung in ein anderes, eigentlich zuständiges EU-Land? Die Zuständigkeitsprüfung richtet sich nach den Vorgaben der Verordnung (EU) Nummer 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedsstaat gestellten Antrags auf Schutz zuständig ist (zum Verfahren siehe Artikel 3 fortfolgende, zu den Zuständigkeitskriterien Artikel 7 fortfolgende, zu den Fristen Artikel 21 fortfolgende sowie Artikel 29). Die in Deutschland für die Durchführung der Verfahren zuständige Behörde ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). 3. In wie vielen Fällen in Hamburg wurden durch die Gewährung von Kirchenasyl die Fristen des Dublin-Verfahrens überschritten, sodass Deutschland für das Asylverfahren zuständig wurde? Bitte für die Jahre 2014, 2015, 2016 und 2017 angeben. Das für die Durchführung der Verfahren zuständige BAMF hat mitgeteilt, es sei grundsätzlich nicht verpflichtet und auf freiwilliger Grundlage aufgrund der anhaltenden Arbeitsbelastung aktuell nicht in der Lage, Parlamentarische Anfragen aus Hamburg zu beantworten. Drucksache 21/11594 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 4. In solchen Fällen verhindern die Kirchen die Durchsetzung geltenden Rechts. Überdies werden in solchen Fällen massive Kosten verursacht, die nicht nur das Asylverfahren selbst betreffen, sondern auch die Versorgung der Asylbewerber, deren Unterbringung, Ausbildung, den Versuch der Integration und möglicherweise die Kosten von Ausweisung und Abschiebung, falls ein Schutzstatus nicht gewährt wird. Nimmt der Staat in solchen Fällen die entsprechenden Kirchen für die Kosten in Anspruch? Wie beurteilen die Behörden diese Zustände? 5. Durch entsprechende Gewährung von Kirchenasyl unterbinden die Kirchen die geltende Rechtslage mit gravierenden Folgen für den deutschen Staat. Werden in Fällen der geschilderten Art die entsprechenden Asylbewerber aus dem Kirchenasyl durch staatlichen Zugriff entfernt? Wenn nein, warum nicht? Nein, siehe im Übrigen Drs. 21/4785 und 21/4317. 6. Inwieweit bestehen in Hamburg mit den Kirchen Gespräche über das Institut Kirchenasyl, mit dem die Kirchen sich gegen geltendes Recht stellen? Die zuständige Behörde führt ständig Gespräche mit Vertretern der Kirchen.