BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/11607 21. Wahlperiode 19.01.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Jennyfer Dutschke (FDP) vom 12.01.18 und Antwort des Senats Betr.: Gewalt gegen medizinisches Personal im Dienst In Medienberichten wurde zuletzt mehrfach die zunehmende Gewalt gegen medizinisches Personal im Dienst beklagt.1 Dies vorausgeschickt frage ich den Senat: Die Berichterstattung in den Medien über Gewalt gegen medizinisches Personal bezieht sich auf Vorfälle im öffentlichen Raum, über die als solche keine Daten erhoben werden. Übergriffe gegen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Freien und Hansestadt Hamburg werden jährlich statistisch erfasst. Dabei wird nicht nach den einzelnen Berufsgruppen – hier: medizinisches Personal – differenziert. Zur Beantwortung der Frage, wie viele Vorfälle von Gewalt gegen medizinisches Personal bekannt geworden sind, müssten mehrere Hundert Datensätze ausgewertet und ermittelt werden, ob es sich bei den betroffenen Bediensteten um medizinisches Personal handelt. Bei der Strafverfolgung durch die Staatsanwaltschaft und die Polizei Hamburg wird dieses Merkmal bei Straftaten oder Ermittlungsverfahren ebenfalls nicht erhoben. Es müssten daher sämtliche, im Abfragezeitraum wegen Gewalttaten eingeleitete, Ermittlungsverfahren händisch ausgewertet werden. Diese Auswertungen sind in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich . Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der Ärztekammer Hamburg und der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg wie folgt: 1. Wie viele Vorfälle von Gewalt gegen medizinisches Personal sind dem Senat in den Jahren 2010 – 2017 bekannt geworden? (Bitte jahresweise aufschlüsseln nach Attacken verbaler, physischer oder psychischer Art.) 2. Wie viele der in den Jahren 2010 – 2017 gemeldeten Vorfälle von Gewalt gegen medizinisches Personal wurden strafrechtlich verfolgt? Mit welchem Ergebnis? Der Ärztekammer Hamburg und der Kassenärztlichen Vereinigung liegen keine Daten zu Vorfällen von Gewalt gegen medizinisches Personal vor. Ärztinnen und Ärzte schildern in Einzelfällen ihr persönliches Erleben gegenüber der Ärztekammer, die grundsätzlich zu der Thematik auf eine bundesweite Befragungsstudie unter Hausärzten verweist, deren Ergebnisse 2015 im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht wurden: https://www.aerzteblatt.de/treffer?mode=p&wo=272&typ=16&aid=168409&jahr= 2015&s=Gewalt&nr=10. 1 Beispiel: http://www.general-anzeiger-bonn.de/news/politik/deutschland/%C3%84rztepr% C3%A4sident-beklagt-zunehmende-Gewalt-gegen-%C3%84rzte-article3739663.html. Drucksache 21/11607 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 20. Wahlperiode 2 Im Übrigen siehe Drs. 21/10007. Anlässlich der aktuellen Anfrage wurden die Hamburger Plan-Krankenhäuser befragt. Die weit überwiegende Mehrzahl der Krankenhäuser konnte keine dokumentierten Fälle von Gewalt gegenüber medizinischem Personal melden. Weitere Fälle verbaler Angriffe, insbesondere unter Drogen- und Alkoholeinfluss in der Zentralen Notaufnahme (ZNA), sind nicht erfasst worden. Die registrierten Vorfälle, die nicht hinsichtlich der Art der Attacke gegen medizinisches Personal erfasst wurden, ergeben sich aus nachstehender Übersicht: 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2 2 1 0 2 0 4 3 Hinsichtlich bekannter Vorfälle von Gewalt gegen medizinisches Personal teilen die Bezirksämter mit, dass es – jeweils ohne strafrechtliche Verfolgung – im Jahr 2014 einen Fall verbaler Gewalt im Gesundheitsamt des Bezirksamtes Eimsbüttel, im Jahr 2016 einen Fall im Sozialpsychiatrischen Dienst des Bezirksamtes Altona und im Jahr 2017 zwei Fälle im Bezirksamt Hamburg-Nord sowie einen Fall im Bezirksamt Harburg gab. Im Jahr 2012 hat es zudem einen Fall von verbaler Gewalt gegen eine Person im Personalärztlichen Dienst des Personalamtes gegeben. Weitergehende Erkenntnisse hinsichtlich der strafrechtlichen Verfolgung einzelner Vorfälle liegen dem Senat nicht vor. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 3. Welche Ansätze zur Prävention von Gewalt gegen medizinisches Personal verfolgt der Senat? 4. Welche Ansätze zum Schutz von medizinischem Personal im Dienst verfolgt der Senat? (Bitte Ansatz, Durchführung und Erfolgskontrolle erläutern .) Grundsätzlich obliegt es den Arbeitgebern der betroffenen Berufsgruppen notwendige Präventions- und Schutzmaßnahmen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu treffen und gegebenenfalls den sich ändernden Anforderungen anzupassen. Hinsichtlich der Prävention von Gewalt und des Schutzes von Beschäftigten der Freien und Hansestadt Hamburg stellt der Senat auf bereichsspezifische und die Gegebenheiten vor Ort berücksichtigende, dezentrale Ansätze der Behörden ab, die sowohl das medizinische Personal als auch übrige Beschäftige einschließen. Die Ansätze umfassen zum Beispiel Zugangskontrollen, technische Sicherungsmaßnahmen, den Einsatz von Sicherheitspersonal sowie Schulungen in Verhaltensregeln und Deeskalationsstrategien . So kommt zum Beispiel in den Bezirksämtern in verschiedenen Fachämtern das stille Alarmsystem Vocario zum Einsatz. Im Rahmen von Gefährdungsanalysen besteht zudem die Möglichkeit, Sicherheitskonzepte zu überprüfen. Das Landeskriminalamt Fachstab Kriminalpolizeiliche Beratungsstelle (LKA FSt 33) steht auf Nachfrage von medizinischen Einrichtungen auch für einzelfallbezogene Beratungen und Vorträge vor Ort zur Verfügung. In diesen Beratungen werden den spezifischen Bedarfen entsprechende Ansätze dargestellt, die verhaltensbezogene, organisatorische, bauliche und technische Aspekte berücksichtigen. Mit der Beratung empfiehlt die Polizei stets auch die Umsetzung der dargestellten Maßnahmen. Die Entscheidung darüber liegt bei der betroffenen Person oder Einrichtung. Soweit im Einzelfall auf Wunsch eine Begleitung bei der Umsetzung erfolgt, kann auch die Durchführung selbst und gegebenenfalls ein eingetretener Effekt festgestellt werden. In der Regel wird allerdings der Effekt verfolgt, dass Gefährdungen sich nicht realisieren oder bei Eintritt im Schadensausmaß reduziert werden. Dieser lässt sich schlecht abbilden und wird daher statistisch auch nicht erfasst. Das Landeskriminalamt Fachstab Kriminalprävention und Opferschutz (LKA FSt 32) bietet allgemeine Informationen zur Gewaltprävention an, die für verschiedenste Berufsgruppen und Arbeitsbereiche, auch im medizinischen Bereich, gewählt werden können. Hierzu gehören insbesondere die bundesweite „Aktion tu-was“ (www.aktiontu -was.de) des Programms Polizeiliche Kriminalprävention (ProPK) zum Thema „Zivilcourage “ sowie der Flyer der Polizei Hamburg „Verhalten in herausfordernden Situationen “. Diese Hinweise gelten für alle Bürgerinnen und Bürger und werden auf Nach- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/11607 3 frage als allgemeine Leitlinie auch an das Personal in medizinischen Bereichen ausgegeben . Zu Schulungen zum Thema „Gewalt gegen Einsatzkräfte“ im Bereich der Feuerwehr siehe Drs. 21/3516. Im Rahmen des seit dem 01.08.2015 angebotenen neuen Ausbildungsberufes Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter ist ein Deeskalationstraining Bestandteil der Notfallsanitäterausbildung. Im Bereich der Feuerwehr wurden als Präventionsansätze der Erlass von Handlungsanweisungen in Dienstanweisungen für den Einsatzdienst und die Beschaffung von Spuckhauben zum Schutz der Einsatzkräfte in Rettungswagen eingeführt beziehungsweise umgesetzt. Eine Evaluation im Rahmen der Mitarbeiterbefragung der Feuerwehr soll 2018 durchgeführt werden.