BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/11651 21. Wahlperiode 13.02.18 Große Anfrage der Abgeordneten Christiane Blömeke, Dr. Stefanie von Berg, Phyliss Demirel, Ulrike Sparr, Dr. Carola Timm (GRÜNE) und Fraktion vom 16.01.18 und Antwort des Senats Betr.: Wildtiere im Zirkus: unzeitgemäße Zurschaustellung und unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand Im Herbst 2017 gastierte auf dem Frascatiplatz in Bergedorf und kurz darauf auf der Horner Rennbahn der „Circus Voyage“. Dieser Zirkus will mit besonders vielen verschiedenen Wildtieren in der Manege begeistern. Es wurden Giraffen, Elefanten, Zebras, Kamele, Lamas und ein Nilpferd zur Schau gestellt. Die rot-grüne Koalition in Hamburg spricht sich für ein Wildtierverbot in Zirkussen aus. Hamburg hat seine Haltung in dieser Frage im Bundesrat bereits mehrfach deutlich gemacht und auf eine entsprechende Klarstellung im Tierschutzgesetz gedrängt. Im Jahr 2013 wurde eine Verordnungsermächtigung für ein Verbot beziehungsweise eine Beschränkung von Wildtieren im Zirkus in das Tierschutzgesetz aufgenommen. Von dieser Ermächtigung hat die letzte Bundesregierung jedoch keinen Gebrauch gemacht. Es geht beim Wildtierverbot im Zirkus um den Schutz der Tiere, aber auch darum, einer breit getragenen gesellschaftlichen Haltung endlich Rechnung zu tragen: Wildtiere in Zirkuswaggons durch das Land zu karren, sie auf engstem Raum zu halten und in der Manege zur Schau zu stellen, ist nicht mehr zeitgemäß. Das spiegeln auch die kommunalen Verbote diverser deutscher Städte wider. Die Rechtsprechung zu den kommunalen Wildtierverboten bei Zirkusaufführungen ist jedoch uneinheitlich und teilweise widersprüchlich . Ein zentrales Problem der kommunalen Verbote ist, dass sie überwiegend tierschutzrechtlich begründet worden sind. Dadurch stehen sie im Verdacht , unzureichendes Bundesrecht „ausbessern“ zu wollen, was die kommunale Kompetenz überschreiten würde. Unzeitgemäßes Bundesrecht löst somit nicht nur wiederkehrendes Unverständnis und Unbehagen bei vielen Hamburgerinnen und Hamburgern aus. Das Mitführen insbesondere von großen Wildtieren in der Stadt erzeugt darüber hinaus auch einen erheblichen Verwaltungsaufwand. Zahlreiche Sondergenehmigungen und Kontrollen sind notwendig, um die Einhaltung von Tierschutzvorschriften, die Teilnahme am Straßenverkehr oder die ausbruchssichere Unterbringung der Tiere ordnungsgemäß sicherzustellen. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Wie viele Zirkusgastspiele finden pro Jahr in Hamburg statt? (Bitte für die letzten fünf Jahre auflisten.) Im angefragten Zeitraum fanden folgende Zirkusgastspiele statt (es ist zu beachten, dass auch Zirkusgastspiele angegeben sind, bei denen keine Tiere beziehungsweise keine Wildtiere mitgeführt wurden): Drucksache 21/11651 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Jahr 2013 2014 2015 2016 2017 Anzahl Zirkusgastspiele 57 61 39 27 31 2. Welche städtischen Flächen werden für Zirkusgastspiele genutzt? Folgende städtische Flächen werden beziehungsweise wurden für Zirkusgastspiele benutzt: Städtische Fläche Bezirk Elbpark Entenwerder Hamburg-Mitte Ballinpark Hamburg-Mitte Wilhelm-Strauß-Weg Hamburg-Mitte Rüschpark Hamburg-Mitte Hammer Park Hamburg-Mitte Thörls Park Hamburg-Mitte Steinbeker Straße Hamburg-Mitte Legienstraße Hamburg-Mitte Oststeinbeker Weg Hamburg-Mitte Heiligengeistfeld Hamburg-Mitte Horner Rennbahn* Hamburg-Mitte Holmbrook Altona Kleine Moorweide Eimsbüttel Wassermannpark Eimsbüttel Voßbarg Eimsbüttel Stadtpark Eimsbüttel Eimsbüttel Grünanlage Adolph-Schönefelder-Str. Hamburg-Nord Grünanlage City Nord (am Jahnring) Hamburg-Nord Steilshooper Allee/ Erntigweg Wandsbek An der Berner Au/Berner Heerweg Wandsbek Greifenberger Str. Wandsbek Jenfelder Moorpark Wandsbek Kantstraße Wandsbek Kedenburgstraße Wandsbek Nordmarkstraße Wandsbek Stargarder Straße/Am Knill Wandsbek Auf der Wood Wandsbek Halenreihe/Buckhorn Wandsbek Hummelsbüttler Weg/Poppenbüttler Stieg Wandsbek Ilsenweg/Zinkrautweg Wandsbek Ohlstedter Platz Wandsbek Poppenbüttler Markt Wandsbek Sanderskoppel/Hoheneichen Wandsbek Torhaus Wellingsbüttel Wandsbek Frascatiplatz Bergedorf Grünes Zentrum Bergedorf Stadtteilpark Allemöhe Bergedorf Schwarzenbergplatz Harburg Rostweg Harburg * Erbpachtgelände des Hamburger Renn-Clubs 3. Welche privaten Flächen werden für Zirkusgastspiele genutzt? Hierzu liegen dem Senat keine Erkenntnisse vor, da die Behörden für die Vergabe privater Flächen nicht zuständig sind. 4. Welche Zirkusunternehmen haben ihren Sitz (Winterquartier) in der Stadt Hamburg? Das Unternehmen Zirkus Olympia hat derzeit seinen Sitz in der Stadt Hamburg. Dort werden aber keine Tiere zur Schau gestellt. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/11651 3 5. Wie vielen Zirkusunternehmen wurde ein aktuell gültiger Reisegewerbeschein in Hamburg ausgestellt? In Hamburg sind aktuell Reisegewerbekarten für zehn Personen, die in einem Zirkusunternehmen tätig sind, ausgestellt. 6. Werden Ausnahmegenehmigungen nach § 70 der StVZO für den Transport von (großen) Wildtieren für Zirkusunternehmen erteilt? Fahrzeuge und Fahrzeugkombinationen, deren Abmessungen, Achslasten oder Gesamtgewichte die nach der StVZO zulässigen Grenzen überschreiten oder bei denen das Sichtfeld eingeschränkt ist, bedürfen einer Ausnahmegenehmigung nach § 70 StVZO. Dies kann grundsätzlich auch bei einem Transport von Tieren erforderlich sein. 7. Wie viele aktuell gültige Ausnahmegenehmigungen für Zirkusunternehmen nach § 70 der StVZO wurden in Hamburg ausgestellt? Keine. 8. Lag für die beiden Gastspiele des „Circus Voyage“ im Jahr 2017 eine gültige Ausnahmegenehmigung nach § 70 der StVZO vor? 9. Erhielt der „Circus Voyage“ für die Anfahrt und die Abfahrt bei beiden Gastspielen 2017 eine gültige Erlaubnis nach § 29 Absatz 3 der StVO? Dazu liegen dem Senat keine Erkenntnisse vor. Die Prüfung einer gültigen Ausnahmegenehmigung nach § 70 StVZO erfolgt durch die für das Verfahren nach § 29 Absatz 3 StVO zuständige Behörde. Die Erlaubnis nach § 29 Absatz 3 StVO erteilt die Straßenverkehrsbehörde, in deren Bezirk der erlaubnispflichtige Verkehr beginnt, oder die Straßenverkehrsbehörde, in deren Bezirk der Antragsteller seinen Wohnort, seinen Sitz oder eine Zweigniederlassung hat (§ 47 Absatz 1 S. 3 StVO). 10. Wie vielen Zirkusunternehmen wurde eine aktuell gültige Erlaubnis nach § 11 Tierschutzgesetz in Hamburg ausgestellt? 11. Wurden in allen nach § 11 TierSchG erteilten Erlaubnissen für die jeweiligen Tierarten die Zirkusleitlinie beziehungsweise das Säugetiergutachten als Mindestanforderung festgelegt und gegebenenfalls darauf aufbauend weiterführende Auflagen erteilt? Wenn nein, warum wurden die Zirkusleitlinien beziehungsweise das Säugetiergutachten nicht explizit in die Erlaubnis mit aufgenommen? Derzeit ist in Hamburg eine aktuell gültige Erlaubnis nach § 11 Tierschutzgesetz für ein Zirkusunternehmen ausgestellt. Dieser Erlaubnis wurden die in den Zirkusleitlinien geforderten Mindestflächen zugrunde gelegt. Darüber hinaus wurden Auflagen hinsichtlich der Dokumentationspflicht, der Mitteilungspflicht gegenüber den zuständigen Behörden und der Dauer der Erlaubnis erteilt. 12. Welche Regelungen zum Transport von Zirkustieren finden in Hamburg Anwendung? 13. Werden in den Erlaubnissen nach § 11 Tierschutzgesetz für den Transport von Tieren die Fahrer/-innen des Zirkusunternehmens gemäß VO (EG) 1/2005 und TierSchTrV geprüft und zugelassen? Wenn nein, warum nicht? 14. a. Wie stellt die Stadt Hamburg sicher, dass die Beförderungsdauer, beginnend mit dem Verladen des ersten Tieres und endend mit dem Entladen des letzten Tieres, so kurz wie möglich gehalten wird, acht Stunden nicht überschreitet, zwölf Stunden nicht überschreitet? Drucksache 21/11651 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 b. Bei Überschreiten jedes einzelnen Punktes muss das Zirkusunternehmen zusätzliche Anforderungen gemäß VO (EG) 1/2005 erfüllen . Wie wird die Einhaltung kontrolliert? Es gelten die Vorgaben des Tierschutzgesetzes. Es wäre zu begrüßen, wenn der Transport von Zirkustieren unter den Anwendungsbereich der VO (EG) Nummer 1/2005 und der nationalen Tierschutztransportverordnung fallen würde. Der Anwendungsbereich der VO (EG) Nummer 1/2005 sowie der nationalen Tierschutztransportverordnung in Bezug auf den Transport von Zirkustieren sind jedoch noch nicht abschließend geklärt. Nach bisheriger Auffassung der Europäischen Kommission ist die VO (EG) Nummer 1/2005 nicht auf Zirkusse anzuwenden. Die Regelungen bezüglich der Beförderungsdauer stellen ebenfalls Anforderungen gemäß VO (EG) Nummer 1/2005 dar, die gemäß der Auslegung der Europäischen Kommission auf den Transport von Zirkustieren keine Anwendung finden. 15. Wie häufig erfolgt eine Kontrolle eines Zirkusunternehmens durch das Veterinäramt? Erfolgen Kontrollen bei jedem Gastspiel oder anlassbezogen ? Kontrollen der Zirkusunternehmen erfolgen in der Regel bei jedem Gastspiel. In jedem Fall erfolgen unabhängig davon anlassbezogene Kontrollen. 16. Mit wie vielen Personen erfolgt die Kontrolle eines Zirkusunternehmens? Wie viele davon sind Amtstierärzte/-innen? In jedem Fall erfolgt eine Kontrolle durch mindestens eine Amtstierärztin/einen Amtstierarzt . 17. Wie viele Verstöße gegen das Tierschutzrecht wurden in den letzten fünf Jahren durch die Veterinärbehörde bei Zirkusunternehmen festgestellt (bitte das Jahr, den betreffenden Paragraphen im TierSchG, die angeordneten Maßnahmen und ob es sich bei dem Verstoß um eine Ordnungswidrigkeit oder eine Straftat gehandelt hat angeben). Insgesamt wurden in den letzten fünf Jahren 80 Beanstandungen bei der Kontrolle von Zirkusunternehmen festgestellt. Hierbei handelt es sich größtenteils um eher geringfügige Verstöße, wie zum Beispiel unzureichende Dokumentation, mangelhafte Huf- oder Fellpflege. Bei einem Verstoß handelte es sich um eine Straftat. Bei acht Verstößen handelte es sich um Ordnungswidrigkeiten, diese sind nachfolgend detaillierter aufgeführt: Jahr Gesetzliche Grundlage Angeordnete Maßnahme OWI/Straftat 2013 §11 TierSchG Anmeldung des Gastspiels Schriftliche Verwarnung mit Verwarngeld 2014 §11 TierSchG Aufnahme einer Schlange in §11 Erlaubnis Mündliche Verwarnung ohne Verwarngeld 2014 §11 TierSchG Korrektur und Vervollständigung des Bestandsbuchs Mündliche Verwarnung ohne Verwarngeld 2015 §11 TierSchG, §34 ViehVerkV Kennzeichnung einer Ziege vornehmen Mündliche Verwarnung ohne Verwarngeld 2015 §11 TierSchG, §36 ViehVerkV Fehlende Begleitpapiere bei Ziegen erstellen Mündliche Verwarnung ohne Verwarngeld 2015 §11 TierSchG Vier Ponys kennzeichnen und Equidenpässe beantragen Mündliche Verwarnung ohne Verwarngeld 2017 §11 TierSchG Pflegemaßnahmen in das Bestandsbuch eintragen Mündliche Verwarnung ohne Verwarngeld 2017 §11 TierSchG Anmeldung des Gastspiels Mündliche Verwarnung mit Verwarngeld 18. Werden Zirkusunternehmen bei Gastspielen in Hamburg auf das Mitführen geschützter Tierarten und das Vorliegen entsprechender Papiere hin überprüft? Wenn besonders geschützte Tiere mitgeführt werden, kontrolliert die zuständige Behörde anlassbezogen. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/11651 5 19. Wie viele Zirkusunternehmen haben eine aktuell gültige Wanderreisegenehmigung in Hamburg erhalten? Dem Senat ist eine „Wanderreisegenehmigung“ nicht bekannt. Sollte hiermit eine Wanderausstellungsbescheinigung gemeint sein, so ist diese nur für den Grenzübertritt in Drittländer notwendig und wird vom Bundesamt für Naturschutz erstellt. Über diese vom Bundesamt für Naturschutz ausgestellten Bescheinigungen liegen dem Senat keine Kenntnisse vor. 20. Für welche Tierarten und jeweils pro Tierart für wie viele Individuen wurde eine aktuell gültige Wanderreisegenehmigung in Hamburg erteilt? Keine. Im Übrigen siehe Antwort 19. 21. Hatte der „Circus Voyage“ für das Gastspiel in 2017 eine gültige Wanderreisegenehmigung für jedes mitgeführte geschützte Tier? Der Zirkus Voyage hat sich innerhalb der europäischen Union aufgehalten, somit ist eine Wanderausstellungsbescheinigung nicht erforderlich. Im Übrigen siehe Antwort 19. 22. Wie viele Polizeieinsätze gab es in den letzten fünf Jahren in Hamburg aufgrund des Ausbruchs von Zirkustieren? 23. Welche Sach- und Personenschäden wurden durch die Ausbrüche verursacht ? Polizeieinsätze werden im Hamburger Einsatzleitsystem (HELS) der Polizeieinsatzzentrale dokumentiert. Auf die in der Drs. 21/2108 dargestellten Besonderheiten von HELS-Daten wird hingewiesen. In HELS werden die Daten der letzten drei Jahre sowie des aktuellen Jahres gespeichert , sodass für die Jahre vor 2015 keine Daten mehr vorliegen. Eine spezielle Erfassung oder statistische Auswertung von Einsätzen im Sinne der Fragestellung erfolgt auch in HELS nicht. Zur Beantwortung müssten insgesamt 8.998 Datensätze mit dem Einsatzrubrum „T“ für den Begriff „Tier“ und im Anschluss die gefertigten Berichte im Sinne der Fragestellung händisch ausgewertet werden. Zu Sach- und Personenschäden, die durch Ausbrüche verursacht wurden, führt die Polizei keine Statistik. Zur Beantwortung müssten mehrere Tausend Vorgänge zunächst ermittelt und anschließend händisch ausgewertet werden. Diese Auswertungen sind in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 24. Wie sind die städtischen Flächen (unter 2.) für folgende Tierarten beziehungsweise Gattungen oder Tierfamilien geeignet: Elefant, Equidenartige, Flusspferd, Giraffe, Großkatze, Hornträger, Kameliden, Nashorn, Primat, Robbe a. in Bezug auf die Ausbruchsicherheit (Einzäunung, Abstand zu Hauptverkehrswegen) b. in Bezug auf die Haltungsbedingungen (Flächengröße, ruhiges Umfeld besonders für Fluchttiere, Wasseranschluss, Untergrund: Naturboden ohne Vernässung, befestigte Flächen, Sandflächen, Weidemöglichkeit, Scheuermöglichkeit)? Zur Eignung einer Fläche hinsichtlich der Ausbruchsicherheit und der Haltungsbedingungen kann keine grundsätzliche Aussage getroffen werden, da dies abhängig von der Art und Anzahl der Tiere und vom Aufbau und der Ausstattung der Gehege ist. Eine Bewertung der Eignung erfolgt in jedem Einzelfall von der zuständigen Behörde. Des Weiteren sind in der von der zuständigen Behörde (Standort des Winterquartiers des Zirkus) erteilten tierschutzrechtlichen Erlaubnis zum Halten und Zurschaustellen von Tieren im Zirkus tierschutzrechtliche Voraussetzungen verankert, unter denen die Haltung und das Zurschaustellen der Tiere nach tierschutzrechtlichen Gesichtspunkten gestattet sind. Die Einhaltung der tierschutzrechtlichen Voraussetzungen wird von Drucksache 21/11651 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 6 der zuständigen Behörde vor Ort jeweils überprüft. Dabei werden die unterschiedlichen Ansprüche der genannten Tierarten beziehungsweise Gattungen oder Tierfamilien zugrunde gelegt.