BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/11665 21. Wahlperiode 23.01.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 17.01.18 und Antwort des Senats Betr.: Mehr Sicherheit in Hamburgs Justizgebäuden – Wie ist der Sachstand? Die Sicherheit deutscher Gerichtsgebäude erlangte in den letzten Jahrzehnten aufgrund wiederkehrender Bluttaten immer wieder traurige Berühmtheit. Im August 1992 erstach ein Beklagter die Rechtsanwältin seiner Ex-Frau im Rahmen eines Unterhaltsprozesses an einem Landshuter Gericht.1 Im Februar 1995 wurde am Kölner Landgericht einer der drei Angeklagten vom Vater des Mordopfers erschossen.2 Eine 49-jährige Familienrichterin wurde noch im selben Jahr am Kieler Amtsgericht im Rahmen eines Sorgerechtsstreits erstochen.3 Im Februar 1998 verletzte ein Angeklagter einen Staatsanwalt im Landgericht Aurich mit zwei Schüssen schwer, bevor er sich anschließend selbst tötete.4 Im April 2009 erschoss ein Koch seine Schwägerin auf dem Flur des Landgerichts Landshut.5 Am 1. Juli 2009 wurde die als Zeugin geladene ägyptische Handballnationalspielerin Marwa El-Sherbini im Dresdener Landgericht vom damaligen Angeklagten aus islam- und ausländerfeindlichen Motiven erstochen.6 Am 11. Januar 2012 erschoss ein Angeklagter im Amtsgericht Dachau einen Staatsanwalt. Und auch Hamburg blieb in der Vergangenheit nicht von solchen Vorkommnissen verschont. Am 10. Februar 2017 griff Chris Z. im Rahmen eines gegen ihn geführten Berufungsverfahrens die Zeugin Marina Ö. im Saal 183 des Hamburger Landgerichts an.7 Er würgte die Zeugin und verletzte sie, wie auch den ihr zu Hilfe eilenden Staatsanwalt mit einer aus der Untersuchungshaftanstalt mitgeführten Rasierklinge jeweils am Hals.8 All diese Vorkommnisse hätten dabei – tragischerweise und mit großer Wahrscheinlichkeit – mittels eines greifenden Sicherheitskonzepts verhindert werden können. 1 https://www.morgenpost.de/printarchiv/panorama/article104029298/Gewalt-an-deutschen- Gerichten-und-in-Behoerden.html. 2 https://www.morgenpost.de/printarchiv/panorama/article104029298/Gewalt-an-deutschen- Gerichten-und-in-Behoerden.html. 3 https://www.morgenpost.de/printarchiv/panorama/article104029298/Gewalt-an-deutschen- Gerichten-und-in-Behoerden.html. 4 https://www.morgenpost.de/printarchiv/panorama/article104029298/Gewalt-an-deutschen- Gerichten-und-in-Behoerden.html. 5 http://www.sueddeutsche.de/panorama/gewalt-im-gerichtssaal-die-justiz-ruestet-auf- 1.148163. 6 http://www.sueddeutsche.de/politik/dresden-mord-an-marwa-el-sherbini-messerstiche-einerins -herz-1.127335. 7 http://www.zeit.de/2017/07/landgericht-hamburg-angriff-gerichtssaal. 8 http://www.zeit.de/2017/07/landgericht-hamburg-angriff-gerichtssaal. Drucksache 21/11665 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Am 11. April 2017, und damit mehr als fünf Jahre nach dem entsprechenden Antrag der CDU-Fraktion vom 8. Februar 2012 (Drs. 20/3164), beschloss der Senat ein Konzept zur Sicherung der Gebäude der Hamburger Gerichte und Staatsanwaltschaften (Drs. 21/8696). Mittels diverser baulicher Maßnahmen sollten (weitergehende) Zugangskontrollen ermöglicht und öffentliche beziehungsweise nicht öffentliche Bereiche voneinander getrennt werden. Darüber hinaus sollten die Videoüberwachung ausgeweitet und die Sicherheitslage durch den Einsatz privater Sicherheitsunternehmen sowie die Schaffung einer mobilen Einsatztruppe von Justizwachtmeistern verbessert werden. Hinsichtlich der Maßnahmen zur Veränderung der Eingangssituation im Ziviljustizgebäude , im Haus der Gerichte, in den Amtsgerichten Hamburg-Altona, Hamburg-Bergedorf, Hamburg-Blankenese, Wandsbek sowie in der Arbeitsgerichtsbarkeit bestand dabei zum Zeitpunkt des Beschlusses bereits die erforderliche Planungstiefe, um die Maßnahmen „zeitnah“ umzusetzen. Auch die personellen Maßnahmen sollten noch im Laufe des Jahres 2017 beginnen . Die Planung weiterer, in selbiger Drucksache ebenfalls beschlossener Maßnahmen sollte zudem noch verfeinert werden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die in Drs. 21/8696 für die Gerichte und Staatsanwaltschaften beschriebenen baulichen und organisatorische Maßnahmen sind insbesondere erforderlich, um einen ungehinderten Zugang Dritter zu den Gerichtsgebäuden und Bürobereichen der Bediensteten zu unterbinden. Die Umsetzung der Maßnahmen erfolgt regelmäßig in Gebäuden, die nicht im Eigentum der Freien und Hansestadt Hamburg stehen und bedarf daher einer engen Abstimmung mit den Vermietern. Beim Zugang von der Vorführungsabteilung der Untersuchungshaftanstalt zum Strafjustizgebäude besteht kein Handlungsbedarf, weil die dortigen Sicherheitsvorkehrungen diesen Anforderungen bereits genügen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Sind die baulichen Maßnahmen zur Veränderung der Eingangssituation im Ziviljustizgebäude, im Haus der Gerichte, in den Amtsgerichten Hamburg -Altona, Hamburg-Bergedorf, Hamburg-Blankenese, Wandsbek sowie in der Arbeitsgerichtsbarkeit bereits abgeschlossen? Bitte nach Gericht separiert angeben. 2. Sollte eine der unter Ziffer 1. genannten baulichen Maßnahmen standortbezogen noch nicht abgeschlossen sein: a. Warum wurde die Maßnahme noch nicht finalisiert? Bitte nach Gericht separiert darstellen. b. Wie ist der aktuelle Stand beziehungsweise der bauliche Fortschritt der jeweiligen bisher nicht finalisierten Maßnahme einzuschätzen und wann ist mit der Fertigstellung zu rechnen? Bitte nach Gericht separiert darstellen. Hinsichtlich der geplanten Beendigung der in den Amtsgerichten Hamburg-Altona und Hamburg-Bergedorf vorgesehenen baulichen Veränderungen siehe Drs. 21/11173. Die beim Amtsgericht Hamburg-Blankenese geplanten Baumaßnahmen sollen aus bautechnischen Gründen, und um die Beeinträchtigungen des Gerichtsbetriebs möglichst gering zu halten, zeitgleich mit einer vom Gebäudeeigentümer für Ende 2018 vorgesehenen Baumaßnahme umgesetzt werden. Ein konkreter Terminplan wurde vom Eigentümer bislang nicht vorgelegt. Einige Konzepte bedürfen einer zum Teil grundlegenden Überarbeitung, weshalb bislang keine konkreten Terminpläne für eine Umsetzung der Maßnahmen vorliegen. So hat sich beim Amtsgericht Hamburg-Wandsbek und beim Ziviljustizgebäude im Zuge der Planungsverfeinerung herausgestellt, dass die Ursprungsplanung bautechnisch Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/11665 3 nicht realisierbar ist. Beim Haus der Gerichte ist eine Überplanung aufgrund zusätzlicher Raumbedarfe des Verwaltungsgerichts erforderlich. Die weiteren Planungen zur Umsetzung der bei den Arbeitsgerichten geplanten baulichen Maßnahmen wurden zurückgestellt, weil zunächst die Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit an den Amtsgerichten umgesetzt werden. Im Anschluss wird eine Umsetzung der Planungen für die Arbeitsgerichte erfolgen. 3. Bezüglich der unter Ziffer 1 und 2 genannten Maßnahmen: Welche Kosten sind im Einzelnen bereits angefallen? Bitte nach Gericht separiert darstellen. Für die beim Amtsgericht Hamburg-Altona vorgesehen Maßnahmen wurden rund 10.000 Euro angewiesen und weitere 70.000 Euro vertraglich gebunden. Für die geplanten Baumaßnahmen im Amtsgericht Hamburg-Bergedorf wurden bislang rund 35.000 Euro für Planungsleistungen vertraglich gebunden. 4. Wurden die avisierten personellen Maßnahmen, der Einsatz privater Sicherheitsunternehmen sowie die Schaffung der mobilen Einsatztruppe von Justizwachtmeistern umgesetzt? a. Wenn ja, wann und inwiefern? Bitte nach Maßnahme und hinsichtlich des Einsatzes privater Sicherheitsunternehmen zusätzlich nach Gerichtsstandort getrennt angeben. b. Wenn nein, warum nicht und wie ist der aktuelle Stand? Bitte nach Maßnahme und hinsichtlich des Einsatzes privater Sicherheitsunternehmen zusätzlich nach Gerichtsstandort getrennt angeben. Für die mobile Einsatzgruppe wurden in 2017 Stellen ausgeschrieben und die Lehrgangsstärke des Ausbildungsganges wurde um zwölf Stellen aufgestockt. Nach Abschluss der Ausbildung im März 2018 werden die Mitglieder der Mobilen Einsatzgruppe vom 3. bis 19. April 2018 eine Zusatzqualifizierung durchlaufen und im Anschluss im Einsatz sein. Die Einsatzgruppe ist organisatorisch an das Hanseatische Oberlandesgericht angebunden. Darüber hinaus sind die Verfahren bezüglich der Vergabe zusätzlicher Leistungen an private Unternehmen für die Staatsanwaltschaften und das Hanseatische Oberlandesgericht in die Wege geleitet. Im Übrigen befinden sich die Verfahren in der Vorbereitung. 5. Welche Schulungen und Qualifizierungsmaßnahmen wurden den Bediensteten der Gerichte und Staatsanwaltschaften, den privaten Wachdiensten sowie den Justizwachtmeistern der mobilen Einsatztruppe angeboten, wie viele Personen nahmen an diesen Schulungen und Qualifizierungsmaßnahmen jeweils teil, und welche Kosten sind hierfür jeweils im Einzelnen angefallen? Bitte nach Schulung/Qualifizierungsmaßnahme , Gerichts- beziehungsweise Staatsanwaltschaftsstandort, sowie nach Bediensteten, privaten Wachdiensten und Justizwachtmeistern der mobilen Einsatztruppe unterteilt darstellen. Die Mobile Einsatzgruppe wird im April 2018 eine vierzehntägige Qualifizierungsmaßnahme absolvieren, die etwa 5.000 Euro kosten wird. Für die Justizwachtmeister werden mehrmals im Jahr fünftägige Fortbildungsveranstaltungen angeboten, welche die Bereiche „Pflichten und Befugnisse, Deeskalation, Konflikt- und Interventionsmodell mit Übungen im waffenlosen Kampf, Umgang mit Zugriffstechniken sowie Personenkontrolle“ umfassen. Personenzahl je Dienststelle pro Jahr 2014 2015 2016 2017 Hanseatisches Oberlandesgericht 0 0 0 0 Landgericht 0 0 4 4 Amtsgericht (AG) Altona 2 6 0 1 AG Barmbek 0 2 0 1 AG Bergedorf 0 3 0 0 Drucksache 21/11665 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Personenzahl je Dienststelle pro Jahr 2014 2015 2016 2017 AG Blankenese 0 1 0 0 AG Harburg 1 4 0 0 AG Mitte 4 10 6 4 AG St. Georg 0 2 3 1 AG Wandsbek 1 3 0 1 Arbeitsgericht 0 0 0 0 Sozialgericht 0 0 1 2 Oberverwaltungsgericht 1 0 0 1 Verwaltungsgericht 0 0 0 0 Finanzgericht 1 0 0 0 Staatsanwaltschaft 0 0 0 0 Justizbehörde 0 0 0 0 Kosten pro Jahr 2014 2015 2016 2017 Kosten inkl. AG in Euro 1.634,8 5.229,2 3.373,74 5.277,73 6. Hinsichtlich der Maßnahmen, die zum Zeitpunkt der Drs. 21/8696 weiterer Planungsverfeinerung bedurften: a. Wurde bezüglich der baulichen Maßnahmen zur Veränderung der Eingangssituation der Amtsgerichte Hamburg-Barmbek und Hamburg -Harburg Planungstiefe erreicht, und (i) wenn ja, wie ist der aktuelle Stand der Umsetzung? Bitte nach Gerichtsstandort getrennt angeben. (ii) wenn nein, warum nicht und wie ist der jeweilige Planungsstand ? Bitte nach Gerichtsstandort getrennt angeben. Für das Amtsgericht Hamburg-Barmbek liegt inzwischen ein umsetzungsreifes Konzept vor, das eine Erweiterung der Mietflächen erfordert. Die insoweit erforderlichen Gespräche mit dem Vermieter wurden aufgenommen. Für das Amtsgericht Hamburg-Harburg wurde ein erstes Konzept erstellt, das ebenfalls zusätzliche Mietflächen erfordert. Derzeit wird der Gebäudezustand dieser Mietflächen überprüft und auf seine Eignung geprüft. b. Wurde bezüglich der avisierten baulichen Maßnahmen zur Trennung öffentlicher beziehungsweise nicht öffentlicher Bereiche Planungstiefe erreicht, und (i) wenn ja, wie ist der aktuelle Stand der Umsetzung? Bitte nach Gerichtsstandort getrennt angeben. (ii) wenn nein, warum nicht und wie ist der jeweilige Planungsstand ? Bitte nach Gerichtsstandort getrennt angeben. Gemäß Sicherheitskonzept kommt den Eingangsbereichen der Justizgebäude eine zentrale Bedeutung zu, weswegen eine zentrale Zugangskontrolle oberste Priorität genießt. Ob und inwieweit in den Gebäuden zusätzlich bauliche Trennungen zwischen öffentlichen und nicht öffentlichen Bereichen notwendig sind, kann jeweils abschließend erst beurteilt werden, wenn die umsetzungsreifen Konzepte für die Sicherung der Eingangsbereiche vorliegen. Insofern steht zum jetzigen Zeitpunkt lediglich fest, dass bei den Amtsgerichten Hamburg-Altona, Hamburg-Bergedorf und Hamburg- Blankenese keine Trennungen erforderlich sind. Im Haus der Gerichte und den Sozialgerichten bestehen bereits Trennungen zwischen öffentlichen und nicht öffentlichen Bereichen. c. Wurde bezüglich der Videoüberwachung der diversen Gerichtsgebäude und Gebäude der Staatsanwaltschaften Planungstiefe erreicht, und (i) wenn ja, wie ist der aktuelle Stand der Umsetzung? Bitte nach Gerichts- und Staatsanwaltschaftsstandort getrennt darstellen. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/11665 5 (ii) wenn nein, warum nicht und wie ist der jeweilige Planungsstand ? Bitte nach Gerichts- und Staatsanwaltschaftsstandort getrennt darstellen. Das Sicherheitskonzept sieht die Einrichtung einer Videoüberwachung explizit nur für die Nebeneingänge des Amtsgerichts Hamburg-Altona und das Haus der Gerichte vor. Für das Amtsgericht Hamburg-Altona wurde ein Konzept erstellt, das noch mit dem Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit abgestimmt werden muss. Gemäß Kostenschätzung betragen die Gesamtkosten der Maßnahme rund 450.000 Euro. Auch für das Haus der Gerichte wurde der Bedarf ermittelt. Gemäß Kostenschätzung werden die Gesamtkosten rund 45.000 Euro betragen. Um die Beeinträchtigungen des Gerichtsbetriebs möglichst gering zu halten, ist geplant, alle im Sicherheitskonzept beschriebenen Maßnahmen in einer Baumaßnahme umzusetzen. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. bis 2. b. 7. Sollte Planungstiefe bezüglich der in Ziffer 6. genannten Maßnahmen erreicht worden sein: Wie hoch sind die (zu erwartenden) Kosten für die in Ziffer 6. genannten Maßnahmen? Bitte nach Maßnahme sowie Gerichts- und Staatsanwaltschaftsstandort getrennt darstellen. Siehe Antwort zu 6. c.