BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/11723 21. Wahlperiode 30.01.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Heike Sudmann (DIE LINKE) vom 22.01.18 und Antwort des Senats Betr.: Immobilienspekulation, Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen Der Senat hat sich wiederholt zu dem wohnungspolitischen Ziel bekannt, in Hamburg den Rückgang von bezahlbarem Wohnraum aufzuhalten. 2015 lag noch rund ein Drittel des Mietwohnungsbestandes bei einem Quadratmeterpreis unter 6,50 Euro. Wie sich mit der Veröffentlichung des aktuellen Mietenspiegels gezeigt hat, ist es heute nicht mal mehr ein Viertel. Das heißt, dass Hamburg zwischen 2015 und 2017 fast 60.000 günstige Wohnungen verloren hat. Ein Mittel, dem Abschmelzen von günstigem Wohnraum entgegenzuwirken, kann das Ausüben des städtischen Vorkaufsrechtes sein. In Berlin etwa wendet der rot-rot-grüne Senat das Instrument des Vorkaufsrechts in Milieuschutzgebieten seit 2017 offensiv an. Vor allem der Bezirk Friedrichshain- Kreuzberg greift unter Berufung auf § 24 oder § 25 Baugesetzbuch (BauGB) auf das Recht zurück, in sozialen Erhaltungsgebieten nach § 172 Baugesetzbuch (BauGB) bei Veräußerung von Immobilien zu prüfen, ob sie das Vorkaufsrecht zum aufgerufenen Kaufpreis oder zum Verkehrswert ausüben möchte, oder ob sie in einer Abwendungsvereinbarung Ziele zum Milieuschutz vereinbart. Auch die Stadt München nutzt die Möglichkeit des Vorkaufsrechts seit Jahren. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die sozialen Erhaltungsverordnungen flankieren als zentrales Mittel der Wohnungsbestandspolitik die Neubaustrategie des Senats. Insbesondere für innerstädtische Gebiete, die unter einem starken Aufwertungs- und Verdrängungsdruck stehen, werden zum Schutz der Bewohnerstrukturen derartige Verordnungen erlassen. Mit Inkrafttreten einer sozialen Erhaltungsverordnung und der damit verbundenen Umwandlungsverordnung stehen in den betreffenden Quartieren bauliche Maßnahmen (der Rückbau, die Änderung und die Nutzungsänderung baulicher Anlagen) und Begründungen von Wohnungseigentum im Bestand unter Genehmigungsvorbehalt. Ziel der in allen Gebieten einer sozialen Erhaltungsverordnung anzuwendenden Umwandlungsverordnung ist es, einer im Zuge der Bildung von Wohnungseigentum vermuteten Verdrängung von Bewohnerinnen und Bewohnern entgegenzuwirken. Dabei wirkt die Umwandlungsverordnung vor allem präventiv, das heißt Eigentümer informieren sich in der Regel vorab über die Möglichkeiten einer Umwandlung und stellen in vielen Fällen keine Anträge oder erwirken einen Genehmigungsanspruch gemäß § 172 Absatz 4 Satz 3 Nummer 6 Baugesetzbuch durch eine Verpflichtung, innerhalb von sieben Jahren ab der Begründung von Wohnungseigentum, Wohnungen nur an die Mieterinnen und Mieter zu veräußern. Drucksache 21/11723 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Ein Indiz für die Wirksamkeit der sozialen Erhaltungsverordnung in Verbindung mit der Umwandlungsverordnung ist daher die Anzahl der erteilten Umwandlungsgenehmigungen für bestehende Wohngebäude. So sind in den Gebieten St. Georg und St. Pauli bisher nur jeweils zwei und in der Südlichen Neustadt seit Inkrafttreten der Umwandlungsverordnung 1998 keine Umwandlungsgenehmigungen erteilt worden. Im Übrigen steht auch nach Auslaufen der Sozialbindung bezahlbarer Wohnraum zur Verfügung, insbesondere betrifft dies die Wohnungsbestände der SAGA und der Wohnungsbaugenossenschaften. Mit der SAGA, den Wohnungsbaugenossenschaften und weiteren privaten Vermietern, darunter Stiftungen und soziale Träger, verfügt Hamburg über Vermieter, die eine moderate Mietenpolitik und eine auf Stabilität ausgerichtete Belegungspolitik betreiben und bezahlbaren Wohnraum auch unabhängig von Sozialbindungen zur Verfügung stellen. So liegen die Mieten bei SAGA- Wohnungsbeständen im Durchschnitt bei rund 6,33 Euro/qm nettokalt je Quadratmeter Wohnfläche monatlich (Stand: 2016). Die Wohnungsbaugenossenschaften verzeichnen nach eigenen Angaben eine vergleichbare monatliche Durchschnittsmiete. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Immobilienkaufverträge in sozialen Erhaltungsgebieten wurden städtischen Behörden seit der 20. Wahlperiode vorgelegt beziehungsweise bekannt? Die erfragten Daten werden nicht gesondert statistisch erfasst. Für die Prüfung, welche Kaufverträge in sozialen Erhaltungsgebieten liegen, müssten mehr als 4.000 Kaufverträge pro Jahr ausgewertet werden, dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 2. Wurden alle Kaufverträge in sozialen Erhaltungsgebieten dem jeweils zuständigen Bezirksamt/Fachamt zur Prüfung vorgelegt? Falls nein: weshalb nicht? Dem Bezirksamt werden diejenigen Verträge zur Prüfung vorgelegt, für die die formellen und materiellen Voraussetzungen für ein Vorkaufsrecht aufgrund der erfolgten Bewertung anhand der Flächendatenbanken und gesetzlichen Vorschriften bestehen. Zwei Verträge wurden dem zuständigen Bezirksamt aufgrund unvollständiger Prüfungen nicht vorgelegt. Die Zielsetzungen der sozialen Erhaltungsverordnung konnten allerdings in beiden Fällen im Nachhinein gesichert werden. 3. Laut Drs. 20/12310, Nummer 3. sind als „mögliche Prüfergebnisse () zu unterscheiden: Nichtausübung des Vorkaufsrechts mit anschließender Verzichtserklärung beziehungsweise Voraussetzungen zur Ausübung des Vorkaufsrechts liegen vor. In letzterem Fall ist der Abschluss einer Abwendungsvereinbarung nach § 27 BauGB mit dem Käufer anzustreben . Gelingt dies nicht, ist das Vorkaufsrecht auszuüben“. Wie häufig erfolgte seit Beginn der 20. Wahlperiode bis heute a. die Nichtausübung des Vorkaufsrecht mit anschließender Verzichtserklärung , b. der Abschluss einer Abwendungsvereinbarung, c. die Ausübung des Vorkaufsrechts? Bezirk Hamburg- Mitte Altona Eimsbüttel Nichtausübung des Vorkaufsrecht mit anschließender Verzichtserklärung 113 110 12 Abschluss einer Abwendungsvereinbarung 3 3 0 Ausübung des Vorkaufsrechts 0 0 0 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/11723 3 4. Was wurde in den Fällen, in denen es zu einer Abwendungsvereinbarung gekommen ist, jeweils vereinbart? Bitte auflisten mit Angabe des jeweiligen sozialen Erhaltungsgebiets. Gebiete mit sozialen Erhaltungsverordnungen in Hamburg-Mitte: Fall- Nr. Gebiet Mit dem Abschluss der Abwendungsvereinbarungen sind Regelungen zu den folgenden Punkten getroffen worden 1 St. Georg • Umwandlung des Gebäudes • Kündigungsschutz für bestehende Mietverhältnisse • Bauliche Änderungen und Nutzungsänderungen 2 St. Pauli • Umwandlung des Gebäudes • Verfahren und Herstellungsfrist • Abbruch und Neubau, bauliche Änderungen und Nutzungsänderungen • Kündigungsschutz für bestehende Mietverhältnisse • Verzicht auf Mieterhöhung bei Modernisierung • Regelung von Miethöhen bei Wiedervermietung • Bereitstellung von Ersatzwohnraum und Rückkehrrechte 3 St. Pauli • Umwandlung des Gebäudes • Bauliche Änderungen und Nutzungsänderungen • Kündigungsschutz für bestehende Mietverhältnisse • Verzicht auf Mieterhöhung bei Modernisierung • Bereitstellung von Ersatzwohnraum und Rückkehrrechte Gebiete mit Sozialen Erhaltungsverordnungen in Altona: Fall- Nr. Gebiet Mit dem Abschluss der Abwendungsvereinbarungen sind zu den folgenden Punkten Vereinbarungen getroffen worden 1 Altona- Altstadt • Verzicht auf Eigenbedarfskündigung für die bestehenden Wohnungen • Verzicht auf bauliche Aufwertungsmaßnahmen (Luxussanierung ) für die bestehenden Wohnungen • Rechtliche Absicherung aller Bestandsmieterinnen und -mietern gegen Mieterhöhungen nach Modernisierungsmaßnahmen im Sinne des § 559 Bürgerliches Gesetzbuch • Unbefristete Neuvermietung freier oder frei werdender Wohnungen gemäß den Bestimmungen des § 9 Hamburgischen Wohnraumschutzgesetzes (Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum) • Veräußerung der bestehenden Wohnungen für die Dauer von 7 Jahren ab der Begründung von Wohnungseigentum nur an Mieterinnen und Mieter • Nutzung des Grundstücks im Einklang mit den Zielen der Sozialen Erhaltungsverordnung • Unterlassen einer Nutzungsänderung 2 Ottensen 3 Altona- Altstadt • Veräußerung der bestehenden Wohnungen für die Dauer von 10 Jahren ab Begründung von Wohnungseigentum nur an die Mieter • Verzicht auf Eigenbedarfskündigung für die bestehenden Wohnungen 5. Damit Immobilieneigentümer/-innen Miet- in Eigentumswohnungen umwandeln können, müssen sie sich von der Freien und Hansestadt Hamburg eine Abgeschlossenheitserklärung ausstellen lassen. Wie viele Abgeschlossenheitserklärungen sind seit der 20. Wahlperiode ausgestellt worden? Bitte aufschlüsseln nach Bezirken und Jahren. Anzahl der ausgestellten Abgeschlossenheitsbescheinigungen: Jahr Bezirk Hamburg-Mitte Altona Eimsbüttel 2011 (ab 20.02.2011) 10 82 109 Drucksache 21/11723 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Jahr Bezirk Hamburg-Mitte Altona Eimsbüttel 2012 18 102 142 2013 16 106 150 2014 17 91 161 2015 27 110 128 2016 8 128 132 2017 24 153 132 2018 (Stand 24.01.2018) 3 8 4 6. In Hamburg gibt es zurzeit laut Drs. 21/11139 neun Gebiete, in denen eine Soziale Erhaltungssatzung nach §172 BauGB gilt: Südliche Neustadt , St. Georg, St. Pauli, Sternschanze, Osterkirchenviertel, Eimsbüttel -Süd, Altona-Altstadt, Ottensen und Bahrenfeld-Süd. a. Ist es in diesen Gebieten gelungen, die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen zu verhindern? Wenn ja: in wie vielen Fällen? b. Welche Indizien außer der Zahl der abgelehnten Abgeschlossenheitserklärungen gibt es für eine Verhinderung oder Behinderung von Umwandlungen? Bezirksamt Anzahl versagter Umwandlungsgenehmigungen Hamburg-Mitte 1 Altona 1 Eimsbüttel 0 Im Übrigen siehe Vorbemerkung.