BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/1174 21. Wahlperiode 04.08.15 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Blömeke (GRÜNE) vom 29.07.15 und Antwort des Senats Betr.: Tierversuche in Hamburg Die Firma LTP (Laboratory of Pharmacology and Toxicology GmbH & Co. KG) betreibt in Neugraben eines der größten Tierversuchslabore Deutschlands . Im Jahr 2012 sollen an 10.000 Mäusen sowie an 1.500 Hunden, 100 Katzen und 500 Affen Tierversuche im LPT zu verschiedenen Zwecken durchgeführt worden sein, darunter Testungen des Nervengiftes Botulinumtoxin (Botox), das für kosmetische Behandlungen verwendet wird. In den letzten Jahren ist der Widerstand gegen die Tierversuche von LPT gewachsen. Zuletzt fand im Juni dieses Jahres eine Demonstration mit circa 600 Menschen vor dem Firmengelände statt. Ein wichtiges Argument der Demonstranten war, dass das Tierschutzgesetz Tierversuche nur dann erlaubt, wenn es keine andere Testmöglichkeit gibt. Alternative Methoden seien aber bereits verfügbar. So soll es seit 2012 für Botox-Produkte eine tierversuchsfreie Testung geben. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Welche Einrichtungen auf Hamburger Landesgebiet führen Tierversuche durch? In Hamburg werden Tierversuche überwiegend von privaten und universitären Forschungseinrichtungen durchgeführt. 2. Wurden in den letzten fünf Jahren Anträge auf Tierversuche abgewiesen ? Wenn ja, in wie vielen Fällen war der Grund eine bereits bestehende Alternativmethode? Ja, in den letzten fünf Jahren wurden Anträge auf Genehmigung zur Durchführung von Tierversuchen abgelehnt. In keinem dieser Fälle war der Ablehnungsgrund die Anwendbarkeit einer bereits bestehenden und geeigneten Alternativmethode. 3. Wie wird sichergestellt, dass nach Genehmigung zur Durchführung von Tierversuchen, bei späterer Entwicklung von Alternativmethoden, die Genehmigung wieder rückgängig gemacht wird? Erfolgt eine jährliche Kontrolle der Genehmigung? Wenn nein, wie wird dann verfahren? Die Genehmigungsbehörden verfolgen laufend die Entwicklung neuer Alternativmethoden . Jeder einzelne Antrag auf Durchführung eines Tierversuchs wird entsprechend den rechtlichen Vorgaben genau geprüft, unter anderem auch dahin gehend, ob für das Untersuchungsverfahren geeignete Alternativmethoden zur Verfügung stehen . Am Bundesinstitut für Risikobewertung ist eine Zentralstelle zur Erfassung und Drucksache 21/1174 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch eingerichtet worden , die den Behörden beratend zur Seite steht. Ist im Rahmen der Bearbeitung eines Tierversuchs absehbar, dass eine Alternativmethode während der Laufzeit des Versuchsvorhabens anwendbar werden könnte, wird in regelmäßigen Abständen die Möglichkeit der Methodenumstellung geprüft. Eine Überprüfung laufender Versuchsvorhaben erfolgt risikoorientiert im Rahmen der Überwachung sowie bei jeglichen Projektänderungen, -erweiterungen oder bei Fortsetzungen , da diese bei der zuständigen Behörde anzuzeigen oder zu beantragen sind. 4. Ist in den letzten fünf Jahren eine Genehmigung widerrufen worden? Wenn ja, aus welchem Grund? In den letzten fünf Jahren sind keine Genehmigungen widerrufen worden. 5. Die Versuchstierstatistik ist im Internet nachzulesen. Allerdings weist sie nur Zahlen und Ergebnisse bis zum Jahr 2013 aus. Sind in den Folgejahren weitere Versuchstierstatistiken erstellt worden? Wenn ja, wo sind sie zu finden? Wenn nein, warum nicht? Die Daten zur Versuchstierstatistik für das Jahr 2014 werden zurzeit bearbeitet und ausgewertet. Die ausgewerteten Zahlen werden im Anschluss an die Auswertung im Internet veröffentlicht. 6. Welche Mitglieder aus welchen Organisationen sind im Einzelnen in der Kommission, die über die Erteilung einer Genehmigung mitberaten soll? Wer entscheidet über die Zusammensetzung der Kommission? Gab es in den letzten Jahren personellen Wechsel? Wenn ja, bei welcher Organisation? Die Tierversuchskommission besteht gemäß § 3 der Anordnung über die Einsetzung einer Kommission für Tierversuche bei der Gesundheitsbehörde aus sechs ehrenamtlichen Mitgliedern. Vier der Mitglieder müssen die für die Beurteilung von Tierversuchen erforderlichen Fachkenntnisse haben und aufgrund beruflicher Erfahrung oder sonst erworbener Kenntnisse in der Lage sein, Tierversuche zu beurteilen. Diese Mitglieder werden unter anderem von der Ärzte- und Tierärztekammer und der Behörde für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung vorgeschlagen. Zwei Mitglieder werden aus Vorschlagslisten von Tierschutzorganisationen ausgewählt und müssen aufgrund ihrer Erfahrungen zur Beurteilung von Tierschutzfragen geeignet sein. Für jedes Mitglied wird ein Stellvertreter berufen. Die Mitglieder werden für die Dauer von drei Jahren vom Präses der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz (BGV) berufen. Die letzte Berufung der Kommissionsmitglieder fand im Jahr 2014 statt. 7. Wie oft müssen grundsätzlich Einrichtungen, die Tierversuche durchführen , kontrolliert werden? Wo werden die Ergebnisse ausgewertet? Nach welchen Kriterien wird kontrolliert? Einrichtungen und Betriebe, in denen Tierversuche durchgeführt werden sind regelmäßig und in angemessenem Umfang unter Berücksichtigung möglicher Risiken zu besichtigen, gemäß § 16 Absatz 1 Satz 3 TierSchG mindestens alle drei Jahre. In Hamburg werden die Einrichtungen und Betriebe risikoorientiert und anlassbezogen in der Regel mindestens einmal im Jahr auf die Einhaltung der tierschutzrechtlichen Vorschriften überprüft. Die Ergebnisse werden in der BGV ausgewertet. Es werden sowohl die Haltungsbedingen der Tiere als auch die Versuchsdurchführungen auf Einhaltung der tierschutzrechtlichen Vorgaben überprüft. 8. In der Versuchstierstatistik werden die Tierversuche in Kategorien eingeteilt . In welche Kategorie fallen Tierversuche zur Botox Forschung? Welche tierversuchsfreien Methoden zur Testung von Botox-Produkten sind der Behörde bekannt? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/1174 3 Die Zuordnung eines Tierversuchs in eine Kategorie ist von der zugrundeliegenden Fragestellung abhängig. Forschungsvorhaben, die Botulinumtoxin betreffen, können sehr unterschiedliche Fragestellungen beinhalten. Die Anwendbarkeit einer Alternativmethode ist vom einzelnen Versuchsvorhaben abhängig. Das Europäische Arzneibuch nennt für die Bestimmung der Wirksamkeit von Botulinumtoxin als Alternativmethoden In-vitro-Endopeptidase-Bestimmungen oder Ex-vivoBestimmungen am Zwerchfellnervengeflecht. Alternativmethoden müssen für jedes einzelne Produkt validiert und vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) für dieses Produkt zugelassen werden. Die Firma Allergan erhielt im Februar 2012 vom BfArM die Zulassung für einen zellkulturbasierten Test. Allerdings gilt die Zulassung ausschließlich für die Botulinumtoxin-Präparate der Firma Allergan und nicht für Produkte anderer Hersteller. 9. Welche Anforderungen des Tierschutzgesetzes müssen zur Genehmigung von Tierversuchen erfüllt werden? Die Genehmigung eines Tierversuchsvorhabens ist zu erteilen, wenn die Vorgaben des § 8 Absatz 1 TierSchG erfüllt werden. Fragen zur Einrichtung LPT: 10. In Neugraben ist die Zentrale des LPT. Hier werden Versuche an Kleintieren durchgeführt. In Neu Wulmstorf-Mienenbüttel (Niedersachsen) befindet sich die Außenstelle, in der vor allem Hunde (Beagle) gezüchtet und getestet werden. Dadurch ergeben sich Zuständigkeitsüberschneidungen der Bundesländer. Wer hat die Genehmigung für die Durchführung der Tierversuche im LPT erteilt? Grundsätzlich ist dasjenige Land für die Genehmigung eines Tierversuchs und die anschließende Überwachung der Einhaltung tierschutzrechtlicher Vorschriften zuständig , in dem der jeweilige Tierversuch durchgeführt wird. Die Genehmigungsbehörden der einzelnen Länder stehen untereinander in Kontakt und tauschen im Bedarfsfall unter Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorgaben Informationen aus. Jedes Versuchsvorhaben ist hinsichtlich einer Genehmigung gesondert bei der Genehmigungsbehörde zu beantragen. Die eingehenden Anträge auf Genehmigung zur Durchführung eines Tierversuchs werden unter Einbeziehung der Tierversuchskommission einzeln geprüft und unter Berücksichtigung des Kommissionsvotums beschieden. 11. Wenn die Genehmigung durch die Hamburger Behörde erteilt wurde, wann wurde sie erteilt? Es wird keine pauschale Genehmigung zur Durchführung von Tierversuchen erteilt. Für jedes einzelne Versuchsvorhaben ist jeweils ein gesonderter Antrag auf Genehmigung zur Durchführung eines Tierversuchs zu stellen, der geprüft und dem Vorhaben entsprechend beschieden wird. Ein einzelnes Datum kann daher nicht genannt werden. 12. Wann wurde das Genehmigungsverfahren in der unabhängigen Kommission beraten? Siehe hierzu die Antwort zu 2. Die Kommission berät in regelmäßigen Abständen die jeweils vorliegenden Anträge auf Genehmigung zur Durchführung eines Versuchsvorhabens . Sie berät jeden einzelnen Antrag und nimmt zu jedem Antrag gesondert Stellung . 13. Welchem Zweck dient die Forschung im LPT beziehungsweise in welche Kategorien der Tierversuchsstatistik fällt sie? LPT führt In-vitro- und In-vivo-Studien in den Bereichen Toxikologie, Ökotoxikologie, Pharmakokinetik und Pharmakodynamik durch. Derartige Studien fallen überwiegend Drucksache 21/1174 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 in die Kategorie „Toxikologische Untersuchungen oder andere Sicherheitsprüfungen“ wie sie in der Tierversuchsstatistik benannt ist. 14. Wer ist für die Kontrolle und Überwachung der Versuchsanstalt in Neu Wulmstorf zuständig? Wenn Niedersachsen: Erfolgt ein Austausch zwischen den Ländern über das LPT? Siehe Antwort zu 10.