BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/11745 21. Wahlperiode 30.01.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Birgit Stöver (CDU) vom 23.01.18 und Antwort des Senats Betr.: Senat muss Kahlschlag in der Hamburger Schullandschaft verhindern – Auswirkungen auf den Bezirk Harburg Noch vor wenigen Wochen erklärte Schulsenator Rabe, dass er nicht mit der Schließung katholischer Schulen rechne. Nun soll jede dritte geschlossen werden, wie das Erzbistum Hamburg am vergangenen Freitag verkündete. Schuld sind unter anderem die seit vielen Jahren nicht ausreichenden Zuwendungen der Stadt für den Betrieb und die Sanierung. Durch den Wegfall der katholischen Schulen werden die Schüler künftig im öffentlichen Schulwesen beschult werden müssen, wodurch dem Steuerzahler höhere Kosten als bisher entstehen werden. Die Schließungen werden zudem ein großes Loch in die Hamburger Schullandschaft reißen und bedeuten einen erheblichen Verlust der Wahlfreiheit für Schüler und Eltern. Auch vor dem Hintergrund immer weiter steigender Schülerzahlen werden die Auswirkungen auf die Schulversorgung in der Stadt gravierend sein, in finanzieller wie in pädagogischer Hinsicht. Wenn in Harburg gleich drei katholische Schulen schließen sollen, können das die öffentlichen Schulen nicht auffangen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Das katholische Erzbistum Hamburg hat im Rahmen einer Pressekonferenz am 19. Januar 2018 bekannt gegeben, zum Schuljahr 2018/2019 fünf Schulen auslaufen zu lassen und damit perspektivisch zu schließen. Bei drei weiteren Schulen ist eine Schließung zum Schuljahr 2019/2020 beabsichtigt. Das Erzbistum hat zugesichert, dass die an den betroffenen katholischen Schulen bereits aufgenommenen rund 2.900 Schülerinnen und Schüler ihren Bildungsweg im katholischen Schulsystem bis zum Ende fortsetzen und abschließen können. Die für Bildung zuständige Behörde nimmt die Sorgen der von den Schließungsplänen betroffenen Eltern und Kinder ernst. Bereits für den 29. Januar 2018 ist zu einer Informationsveranstaltung für Eltern eingeladen worden, die ihre Kinder zum kommenden Schuljahr in den Jahrgang 5 des Niels-Stensen-Gymnasiums einschulen wollten. Sie erhalten kurzfristig die Möglichkeit, sich über alle Alternativen im staatlichen Schulwesen zu informieren. Darüber hinaus können sich alle betroffenen Eltern mit ihren Fragen und Anliegen per E-Mail über das schulinformationszentrum@bsb.hamburg.de sowie telefonisch unter der Telefonnummer 428 63-2024 an die Schulbehörde wenden. Dieses Informationsangebot hat die zuständige Behörde unter anderem im Internet veröffentlicht (http://www.hamburg.de/contentblob/10338726/78856fb7f0f7e1f502ff3eee9fe308d0/ data/katholischeschulen.pdf). Grundsätzlich haben alle Hamburger Schülerinnen und Schüler das Recht, eine staatliche Schule zu besuchen. Wenn künftig acht katholische Schulen keine neuen Schü- Drucksache 21/11745 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 lerinnen und Schüler mehr aufnehmen, wird es bei den Anmelderunden für die Eingangsklassen der staatlichen Schulen in den nächsten Jahren entsprechend mehr Anmeldungen geben. Die katholischen Schulen haben, wie viele andere Ersatzschulen auch, ein Einzugsgebiet, das deutlich größer ist als das vergleichbarer staatlicher Schulen. Daher ist damit zu rechnen, dass sich zusätzliche Anmeldungen auf mehrere staatliche Schulen verteilen. Die für Bildung zuständige Behörde hat zunächst aus Medienberichten von den Schließungsplänen erfahren. Vertreter des Erzbistums haben leitende Beamte der Behörde drei Tage vor der öffentlichen Pressekonferenz über die Schließungspläne informiert. Es wurde vereinbart, Gespräche zu führen. 2017 besuchten rund 20.200 Schülerinnen und Schüler eine allgemeinbildende Hamburger Schule in privater Trägerschaft, das sind rund zehn Prozent aller Schülerinnen und Schüler. Fast die Hälfte (rund 9.000) dieser Schülerinnen und Schüler besucht eine katholische Schule. Hamburg finanzierte die allgemeinbildenden Privatschulen 2017 mit rund 134,3 Millionen Euro. Grundlage der Privatschulfinanzierung in den Bundesländern sind die Schülerjahreskosten der staatlichen Schulen des jeweiligen Bundeslandes. Hamburgs Schülerjahreskosten liegen in der Spitzengruppe der Bundesländer. Von diesen Kosten erstattet Hamburg den Privatschulen 85 Prozent, auch dieser Prozentanteil ist im Bundesvergleich sehr hoch. Verbleibende Kosten decken die Privatschulen durch kostengünstigere Strukturen und Arbeitsweisen (zum Beispiel größere Schulklassen, angestellte statt verbeamtete Lehrkräfte) sowie Elternbeiträge von bis zu 2.400 Euro pro Jahr. Das Fördermodell stellt verlässlich sicher, dass Verbesserungen im staatlichen Schulsystem – wie zum Beispiel die Einstellung von mehr Lehrkräften für kleinere Klassen oder auch Tariferhöhungen – über die dann steigenden Schülerjahreskosten auch den Privatschulen zugutekommen. So erhielten die Privatschulen bei Einführung der neuen Förderung 2011 für rund 19.200 Schüler an allgemeinbildenden Schulen 110,9 Millionen Euro Förderung, 2017 sind es für rund 20.200 Schüler 134,3 Millionen Euro. Das ist eine Steigerung der Finanzierung von 21,1 Prozent bei einem Anstieg der Schülerzahl von nur 5,7 Prozent. Bis 2004 hat Hamburg nur 65 Prozent der staatlichen Schülerjahreskosten erstattet. Damals wurde beschlossen, den Anteil schrittweise bis 2011 auf 85 Prozent zu erhöhen . Die Erhöhung des Prozentanteils und die gestiegenen Schülerjahreskosten führen zu einer im Bundesvergleich hohen Förderung. So erstattet Hamburg einer Privatschule heute beispielsweise für einen Grundschüler durchschnittlich rund 5.510 Euro pro Jahr (ohne Ganztagsförderung), das sind rund 30 Prozent mehr als Schleswig- Holstein finanziert. Auf dieser Grundlage gelingt es Hamburgs Privatschulen seit Jahren , vernünftig zu wirtschaften. Die zuständige Behörde geht davon aus, dass ein Teil der Kinder, die sonst an einer der katholischen Schulen, die keine Eingangsklassen mehr einrichten, angemeldet worden wären, nunmehr eine andere katholische oder eine andere Schule in freier Trägerschaft besuchen werden. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Schüler haben mit aktuellem Stand a) die Katholische Schule Neugraben (KSN), b) die Katholische Schule Harburg (KSH) und c) das Niels-Stensen-Gymnasium (NSG)? Siehe Drs. 21/11715. 2. Welche entsprechenden Schulen sind in der Umgebung der unter 1. genannten Schulen, die möglicherweise Schüler aufnehmen müssen (bitte Schultyp, KESS-Faktor und Zügigkeit angeben)? Siehe Drs. 21/11715 und Vorbemerkung sowie zu den Sozialindizes den Schulentwicklungsplan unter www.hamburg.de/schulentwicklungsplan. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/11745 3 3. An welcher Schule in welcher Entfernung bestehen aktuell in welcher Höhe noch Aufnahmekapazitäten? 4. An welcher Schule in welcher Entfernung können noch Aufnahmekapazitäten in welcher Form geschaffen werden (bitte Kapazität und Art der Aufstockung nennen)? 5. Welche Kapazitäten müssen an welchen Schulen entsprechend der ohnehin steigenden Schülerzahlen im Bezirk Harburg aufgestockt werden ? Die Auslastung einzelner Schulen in den Eingangsklassen ergibt sich aus der demografischen Entwicklung und dem Wahlverhalten der Eltern. Die Nichteinrichtung von ersten und fünften Klassen an hamburgweit fünf katholischen Schulen wird rechnerisch zu einer leicht erhöhten Nachfrage nach Schulplätzen auch an staatlichen Schulen führen, die sich auf eine Vielzahl von Schulen, auch bezirksübergreifend, verteilen wird. Schulorganisatorische Entscheidungen trifft die zuständige Behörde nach Auswertung der Anmelderunde. Im Übrigen siehe Vorbemerkung sowie Drs. 21/11715. 6. Welche Kapazitäten sind an welchen Schulen entsprechend der steigenden Inklusionsangebote im Bezirk Harburg in Planung? 7. Welche Kapazitäten müssen an welchen Schulen entsprechend der steigenden Integrationsangebote (Phase 3) im Bezirk Harburg geplant werden? Die zuständige Behörde stattet jede einzelne Schule entsprechend den Bedarfen der tatsächlich aufgenommenen Schülerinnen und Schüler aus, die Zahl dieser Schülerinnen und Schüler an den einzelnen Schulen ist nicht in jedem Schuljahr konstant. Die katholischen Schulen betreuen deutlich weniger Schülerinnen und Schülern mit den entsprechenden besonderen Bedarfen als vergleichbare staatliche Schulen, die Nichteinrichtung von Eingangsklassen in katholischen Schulen löst schon deshalb keinen besonderen Planungsbedarf aus. 8. Wie viele zusätzliche Lehrerstellen sind zur Aufnahme der unter 1. aufzunehmendem Schülerzahl notwendig? Siehe Haushaltsplan der Freien und Hansestadt Hamburg 2017/2018, Einzelplan 3.1. „Bedarfsgrundlagen im Lehrerstellen“ (Anhang 2 zu Anlage 1) unter http://www.hamburg.de/contentblob/6800208/2d525ed00d53e7f54164c12205faa0de/ data/3-1.pdf. Nach jeder Anmelderunde stattet die zuständige Behörde jede einzelne Schule entsprechend den Bedarfen der tatsächlich aufgenommenen Schülerinnen und Schüler aus. Damit wird sichergestellt, dass für die unterschiedlichen Bereiche wie zum Beispiel Inklusion, Integration sowie Lehrerstellen die unter anderem im Haushaltsplan festgelegten Ressourcen den Schulen zur Verfügung gestellt werden. Bei der Anmeldung und bei der Ressourcenzuteilung an die Schulen wird nicht danach unterschieden , ob es sich um Schülerinnen und Schüler handelt, die ursprünglich auf katholischen Schulen angemeldet werden sollten. Die Zahl der Schülerinnen und Schüler an den einzelnen Schulen ist nicht in jedem Schuljahr konstant. Diese Schwankungen werden regelhaft vom Hamburgischen Schulsystem aufgefangen. Allein zum Schuljahr 2017/2018 wurden 784 Schülerinnen und Schüler zusätzlich in Klassen 1 und 5 eingeschult als zum Schuljahr 2016/2017. Im Vergleich dazu handelt es sich bei den von der Schließung betroffenen Schülerinnen und Schülern um eine wesentliche geringere Anzahl: Werden die Schülerinnen und Schüler zugrunde gelegt, die sich in den fünf betroffenen Katholischen Schulen in den Jahrgängen 1 und 5 befinden, handelt es sich um eine Größenordnung von rund 280 Schülerinnen und Schülern. Auch diese Entwicklung können die staatlichen Schulen auffangen. 9. Wie werden die Sprachangebote der unter 1. genannten Schulen aufgefangen , zum Beispiel das große Latinum? Drucksache 21/11745 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Nach Auskunft des Erzbistums sollen die bereits an den betroffenen Schulen aufgenommenen Schülerinnen und Schülern den Bildungsgang dort fortsetzen können, sodass eine im Sinne der Fragestellung genannte Notwendigkeit nicht eintreten wird. 10. Wie wird der konfessionsgebundene Unterricht der unter 1. genannten Schulen künftig angeboten werden? Das Angebot an römisch-katholischem Religionsunterricht folgt den Vereinbarungen zwischen dem Erzbistum und der zuständigen Behörde sowie dem tatsächlichen Wunsch der Eltern, ihre Kinder entsprechend bilden zu lassen.