BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/11748 21. Wahlperiode 30.01.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Jörn Kruse (AfD) vom 23.01.18 und Antwort des Senats Betr.: Kosten des Ehrenamtes – Status für die Stadt Hamburg Nach dem Engagementbericht des Bundesfamilienministeriums waren 2014 mehr als 30 Millionen Menschen oder knapp 44 Prozent der Bevölkerung ab 14 Jahren in Deutschland „ehrenamtlich“ tätig. 2009 lag diese Quote gemäß einer – allerdings nicht vollständig vergleichbaren – Prognos-Studie noch bei unter 40 Prozent. Ungeachtet der vielfältigen persönlichen Motive der „Ehrenamtlichen“ ist es Konsens, dass das Ehrenamt für den gesellschaftlichen Zusammenhalt förderlich ist, zumal die Ausweitung ehrenamtlicher Tätigkeiten der Bürger mit der Notwendigkeit des Staates korrespondiert, sich vor dem Hintergrund einer Schuldenbremse auf seine Kernkompetenzen zu konzentrieren und mögliche sonstige Aufgaben durch ehrenamtlich Tätige zu substituieren. Ungeachtet dessen wäre es jedoch verfehlt, das Ehrenamt der Bürger als „kostenlos“ zu betrachten. So gibt es etwa in den Bundesländern Regelungen zur Freistellung von Arbeitnehmern, die im Durchschnitt – so auch in Hamburg – bis zu zwölf Tage pro Jahr umfassen dürfen. In einzelnen Bundesländern werden darüber hinaus den Arbeitgebern die dafür anfallenden Kosten ganz oder teilweise durch das Land erstattet. Bei Bundesbeamten greift die „Verordnung über den Sonderurlaub“, die unter anderem bezahlten Sonderurlaub für Fortbildungsveranstaltungen, Tagungen/Kongresse sowie Wettkämpfe im staatspolitischen, kirchlichen und sportlichen Bereich vorsieht . Für Beamte der Länder und Gemeinden gelten ähnliche Regelungen, dabei auch Freistellungen zur Gefahrenabwehr, für Jugendarbeit und für Ehrenämter in Schulen. Auch über Steuererleichterungen für die Betroffenen wird das Ehrenamt gefördert, so etwa in Form von steuerfreien Aufwandsentschädigungen , Übungsleiter- und Ehrenamtspauschalen. Für in der Privatwirtschaft Beschäftige stellt sich die Entscheidung für oder gegen ein Ehrenamt als eine individualisierte Kalkulation dar, bei der etwa das dadurch erworbene gesellschaftliche Ansehen, der Nutzen von darüber generierten Kontakten und die erlebte persönliche Befriedigung mit möglichen beruflichen und finanziellen Nachteilen abzuwägen ist. Direkter als für privatwirtschaftlich Beschäftigte schultern jedoch die Steuerzahler für Ehrenamtliche, die in der öffentlichen Verwaltung beziehungsweise bei staatlichen Unternehmen beschäftigt sind, einen guten Teil der Kosten des ehrenamtlichen Engagements (von den generell geltenden Steuervorteilen für Ehrenamtliche einmal abgesehen). Diese Kosten stellen sowohl „Opportunitätskosten “ der öffentlichen Verwaltung dar (wenn etwa die ehrenamtlichen Tätigkeiten staatlich Bediensteter zulasten ihrer regulären Arbeitszei- Drucksache 21/11748 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 ten gehen) als auch als direkte Kosten etwa für Reisen, Aufwandsentschädigungen und Seminarveranstaltungen. Zwar wird nicht infrage gestellt, dass das daraus resultierende gesellschaftliche Engagement Nutzen stiftet (was gegebenenfalls über eine separate Studie zu bewerten wäre); nichtsdestotrotz erscheint es für eine Gesamtbetrachtung und vor dem Hintergrund einer inzwischen von der Stadt Hamburg implementierten „doppischen Erfolgsrechnung“ schon als hilfreich, wenn allein schon die direkten Kosten des ehrenamtlichen Engagements der Stadt bekannt wären. Dies vorausgeschickt frage ich den Senat: Grundsätzlich hat die Ausübung von Ehrenämtern der Beschäftigten keinen Bezug zu der jeweiligen hauptberuflich im Dienst der Freien und Hansestadt Hamburg ausgeübten Tätigkeit. Eine entsprechende Datenerhebung ist nur zulässig, wenn eine Rechtsvorschrift oder eine Vereinbarung nach dem Hamburgischen Personalvertretungsgesetzes (HmbPersVG) dies erlaubt. Daher erfolgt weder bei der Einstellung eine generelle Erhebung, noch besteht eine generelle Anzeigepflicht für die Übernahme einer entsprechenden Tätigkeit im Laufe des Beschäftigungsverhältnisses. Eine Gesamtübersicht über alle ehrenamtlichen Tätigkeiten der Bediensteten der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH) liegt daher nicht vor. Gleiches gilt für die öffentlichen Unternehmen der FHH. Bei Übernahme eines in einer Rechtsvorschrift als Ehrenamt bezeichneten Tätigkeit oder einer auf behördlicher Bestellung oder Wahl beruhenden unentgeltlichen Mitwirkung bei der Erfüllung von Aufgaben im öffentlichen Dienst sind Beamtinnen und Beamte beziehungsweise Richterinnen und Richter allerdings verpflichtet, dies mitzuteilen . Die Mitteilung wird zur Personalakte genommen, jedoch nicht darüber hinaus statistisch erfasst. Die Erhebung der Anzahl hätte die Durchsicht sämtlicher circa 40.000 Personalakten dieser Beschäftigten erfordert und konnte in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht geleistet werden. Der Senat verfügt daher nur punktuell aus aktuellen derartigen Mitteilungen oder aus Anträgen auf Dienstbefreiung oder Sonderurlaub zur Ausübung eines Ehrenamtes über Erkenntnisse, dass Beschäftigte des öffentlichen Dienstes der Freien und Hansestadt Hamburg freiwillig ehrenamtlich engagiert sind beziehungsweise öffentliche Ehrenämter ausüben. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Welche ehrenamtlichen Tätigkeiten ihrer Bediensteten fördert, unterstützt und toleriert die Freie und Hansestadt Hamburg und auf Basis welcher Rechtsgrundlagen geschieht dies? Bitte nach Beamten und sonstigen Bediensteten – einschließlich der städtischen Beteiligungsgesellschaften – aufschlüsseln. Siehe Anlage 1. Neben gesetzlich vorgeschriebenen Freistellungen fördert der Senat die Ausübung bestimmter Ehrenämter oder anderer Tätigkeiten für die Allgemeinheit durch Beschäftigte der FHH. Soweit eine Dienstbefreiung im Einzelfall nicht ausreichend ist, besteht die Möglichkeit, Beschäftigten Sonderurlaub zu gewähren. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 2. Wie viele Beschäftigte der Freien und Hansestadt Hamburg sowie ihrer mehrheitlichen Beteiligungsgesellschaften sind für ehrenamtliche Tätigkeiten ganz oder teilweise freigestellt? Bitte nach Beamten, sonstigen städtischen Bediensteten und Mitarbeitern in Beteiligungsgesellschaften differenzieren und prozentuale Anteile an der Gesamtzahl der öffentlich Bediensteten in den jeweiligen Segmenten ausweisen. Soweit keine Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/11748 3 konkreten Zahlen vorliegen oder in angemessener Zeit erhoben werden können, bitte schätzen. 3. In welchem zeitlichen Umfang – in Prozent ihrer regulär vereinbarten Arbeitszeit – sind diese Personen im Durchschnitt für ehrenamtliche Tätigkeiten freigestellt? Bitte nach den oben genannten Kriterien sowie nach Besoldungsgruppen („Höherer Dienst“, „Gehobener Dienst“, „Mittlerer Dienst“ et cetera sowie analog bei den nicht beamteten Mitarbeitern und denjenigen in den Beteiligungsgesellschaften) aufgliedern. Gegebenenfalls – wie unter Frage 1. erbeten – schätzen. Siehe Anlage 2. Die Freistellungen beziehen sich fast ausschließlich auf die ehrenamtliche Tätigkeit als Mitglied eines Personalrates oder als Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen einer hamburgischen Dienststelle. Die Freistellungen reichen von anlassbezogenen stundenweisen Einzelfreistellungen bis zu vollständigen Freistellungen von den dienstlichen Tätigkeiten. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 4. Welche zusätzlichen direkten finanziellen Aufwendungen (etwa an Reisekosten , Gebühren und sonstigem Aufwandsersatz) entstehen der Stadt Hamburg jährlich im Zusammenhang mit dem ehrenamtlichen Engagement ihrer Mitarbeiter einschließlich der Beteiligungsgesellschaften ? Falls auch dazu keine konkreten Zahlen vorliegen sollten oder zeitnah ermittelt werden können, bitte schätzen. Die im Rahmen der oben genannten Behördenumfrage gemeldeten zusätzlichen Kosten entstanden im Wesentlichen für Reisekosten und Fortbildung der Personalräte und der Vertrauenspersonen der schwerbehinderten Menschen. Es wurden für die FHH (ohne Beteiligungsgesellschaften) rund 240.000 Euro für das Jahr 2017 gemeldet . Aus den öffentlichen Unternehmen liegen – mit Ausnahme der Hamburgischen Investitions- und Förderbank AöR (900 Euro) – keine Angaben über zusätzliche Kosten vor. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. Drucksache 21/11748 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Anlage 1 Anzahl der ehrenamtlich tätigen Beschäftigten im Dienst der FHH Bereich der ehrenamtlichen Tätigkeit Rechtsgrundlage Beamtinnen, Beamte, Richterinnen , Richter Arbeitnehmerinnen , Arbeitnehmer 5 2 Ehrenamtliche Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane der Unfallkasse Nord § 44 SGB IV, § 11 Abs. 2 der Satzung der UK Nord 165 k.A. zum Status Ehrenamtliche Richterinnen und Richter in der Arbeitsgerichtsbarkeit §§ 6, 20 ff. ArbGG 120 k.A. zum Status Ehrenamtliche Richterinnen und Richter in der Sozialgerichtsbarkeit §§ 9, 13 ff. SGG 9 k.A. zum Status Ehrenamtliche Richterinnen und Richter in der Finanzgerichtsbarkeit § 16 FGO 39 22 Ehrenamtliche Richterinnen und Richter in den Fachkammern bzw. im Fachsenat für Personalvertretungsrecht der Verwaltungsgerichtsbarkeit § 100 HmbPersVG 1270 730 Mitglieder der Personalräte in den Dienststellen der FHH1 §§ 49, 50 Hmb- PersVG 19 41 Vertrauenspersonen für Schwerbehinderte Menschen in den Dienststellen der FHH § 179 SGB IX 51 44 Schöffinnen und Schöffen bzw. ehrenamtliche Beisitzerinnen und Beisitzer in Gerichten §§ 29- 31 GVG § 5 Abs. 3, § 19 ff. VwGO 286 Ehrenamtlich in der Deichverteidigung engagierte Beschäftigte § 12 DeichO 7 4 Betreuerinnen bzw. Betreuer § 1896 ff. BGB 18 3 Vertreterinnen bzw. Vertreter in kommunalpolitischen Gremien Gemeindeordnungen Kommunalverfassungsgesetze 6 24 Mitglieder von Berufsbildungs- und Prüfungsausschüssen BBiG, diverse Ausbildungs - und Prüfungsordnungen 7 3 Ehrenamtliche Tätigkeiten in Organen und Einrichtungen der Religionsgesellschaften Kirchenrecht 2 1 Beratungstätigkeit für die ÖRA § 8 Rechtsdienstleistungsgesetz 6 2 Organe von Vereinen, Stiftungen § 55 ff. BGB, § 80 ff. BGB 15 6 Mitgliedschaft in der freiwilligen Feuerwehr Feuerwehrgesetz 4 10 Ehrenamtliche Tätigkeit für gemeinnützige Organisationen , im Katastrophen- und Unfallhilfsdienst des zivilen Bevölkerungsschutzes 4 14 Jugendgruppenleitung 1 Stand 01.01.2015 (Erhebung nach den letzten Personalratswahlen 2014) Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/11748 5 Hinsichtlich der Beteiligungsgesellschaften ergibt sich folgendes Bild: Anzahl der ehrenamtlich tätigen Beschäftigten in Beteiligungsgesellschaften Bereich der ehrenamtlichen Tätigkeit Rechtsgrundlage Beamtinnen, Beamte, Richterinnen , Richter Arbeitnehmerinnen , Arbeitnehmer 3 Ehrenamtliche Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane der Unfallkasse Nord § 44 SGB IV, § 11 Abs. 2 der Satzung der UK Nord 2 3 Ehrenamtliche Richterinnen und Richter in der Arbeitsgerichtsbarkeit §§ 6, 20 ff. ArbGG 2 7 Ehrenamtliche Richterinnen und Richter in den Fachkammern bzw. im Fachsenat für Personalvertretungsrecht der Verwaltungsgerichtsbarkeit § 100 HmbPersVG 3 137 Mitglieder der Personalräte und Betriebsräte in den öffentlichen Unternehmen §§ 49, 50 Hmb- PersVG, § 37 BetrVG 19 Vertrauenspersonen für Schwerbehinderte Menschen in den öffentlichen Unternehmen § 179 SGB IX 6 1 Schöffinnen und Schöffen bzw. ehrenamtliche Beisitzerinnen und Beisitzer in Gerichten § 31 GVG 1 Ehrenamtlich in der Deichverteidigung engagierte Beschäftigte § 12 DeichO 3 18 Betreuerinnen bzw. Betreuer § 1896 ff. BGB 5 Mitglieder von Berufsbildungs- und Prüfungsausschüssen BBiG, diverse Ausbildungs - und Prüfungsordnungen Darüber hinaus ist allgemein bekannt - ohne dass Zahlen genannt werden können -, dass sich Beschäftigte der FHH und der öffentlichen Unternehmen ehrenamtlich u.a. auch in Sportvereinen, in sozialen Einrichtungen und in Kirchengemeinden, in der gewerkschaftlichen Arbeit sowie bei Wahlen als Wahlhelferinnen und Wahlhelfer engagieren . Drucksache 21/11748 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 6 Anlage 2 Beschäftigtengruppe Freistellungen am 23.01.2018 Anzahl der Beschäftigten des Segments lt. Personalbericht 2017 Prozentualer Anteil der freigestellten oder teilfreigestellten Personen Beamtinnen/Beamte LG2 EA2 (ehemals höherer Dienst), wissenschaftliches Personal sowie Richterinnen und Richter 44 15.699 0,28 % Beamtinnen/Beamte LG2 EA1 (ehemals gehobener Dienst) 49 17.191 0,29 % Beamtinnen/Beamte LG1 (ehemals mittlerer und einfacher Dienst) 16 9.630 0,16 % Tarifbeschäftigte ab EG 13 12 6.126 0,20% Tarifbeschäftigte EG 9 bis EG 12 56 16.923 0,33 % Tarifbeschäftigte EG 5 bis EG 8 25 9.111 0,27 % Tarifbeschäftigte EG 1 bis EG 4 2 2.130 0,09 % Beschäftigte öffentlicher Unternehmen soweit Angaben vorliegen 186 26.137 0,71 %