BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/11776 21. Wahlperiode 02.02.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Birgit Stöver (CDU) vom 25.01.18 und Antwort des Senats Betr.: Kahlschlag in der Hamburgischen Schullandschaft durch Schließung katholischer Schulen – Was wusste Senator Rabe wann? Der Schock bei Eltern, Lehrer- und Schülerschaft sitzt tief seit der Ankündigung des Erzbistums Hamburg, mehr als ein Drittel seiner bestehenden Schulen zu schließen. Die Wut und Verzweiflung darüber, dass die Betroffenen vor vollendete Tatsachen gestellt werden, führt zu der Frage, warum es offensichtlich im Vorfeld keine Bemühungen gegeben hat, diesen Kahlschlag zu verhindern oder abzumildern. In der Hauptverantwortung steht die Spitze des Erzbistums, doch ist auch Senator Rabe in der Pflicht: Die Schließung von bis zu acht katholischen Schulen, die ein wesentlicher Baustein im Hamburgischen Schulwesen sind, ist keine rein innerkirchliche Angelegenheit, sondern trifft das Hamburgische Bildungssystem ins Mark, immerhin ist die katholische Kirche der größte Privatschulträger mit langer und guter Tradition . In einem Interview im „Hamburger Abendblatt“ lässt Senator Rabe verlauten, er habe von den geplanten Schulschließungen erst aus den Medien erfahren, der Generalvikar Thim hingegen bekräftigt in einer sogenannten Klarstellung des Erzbistums, die Behörde sei frühzeitig informiert worden. Beide scheinen sich gegenseitig den „schwarzen Peter“ zuzuschieben, anstatt nach Lösungen für Hamburgs Schülerinnen und Schüler zu suchen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Das katholische Erzbistum Hamburg hat am 19. Januar 2018 bekannt gegeben, bereits zum Schuljahr 2018/2019 fünf Schulen auslaufen zu lassen und damit perspektivisch zu schließen. Bei drei weiteren Schulen ist zum Schuljahr 2019/2020 beabsichtigt, keine neuen Schülerinnen und Schüler mehr aufzunehmen. Vertreter des Erzbistums haben leitende Beamte der Behörde am 16. Januar 2018, drei Tage vor der öffentlichen Pressekonferenz, über die konkreten Schließungspläne informiert. Im Übrigen pflegen Vertreterinnen und Vertreter der für Bildung zuständigen Behörde und der Abteilung Schule und Hochschule des Erzbistums Hamburg regelhaft Arbeitskontakte , unter anderem zu Fragen der Schulführung (Rechtsabteilung, Schulaufsicht ), des katholischen Religionsunterrichts (Fachreferat Religion) und der Qualifizierung (Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung). Spitzenbeamte der für Bildung zuständigen Behörde wurden seit Juli 2017 in mehreren Gesprächen, zum Teil am Rande anderer Termine, darüber informiert, dass eine Unternehmensberatung mit der Erstellung einer Expertise für alle Schulstandorte beauftragt wurde, deren Ergebnisse zum Jahreswechsel 2017/2018 vorläge. Es handelt sich um folgende Gespräche: Drucksache 21/11776 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Datum Gesprächs - format und -ort Teilnehmende BSB Teilnehmende Erzbistum Themen des Gesprächs 05.07.2017 Telefonat Landesschulrat Herr Dr. Haep Information seitens des Erzbistums , dass eine Expertise für alle Schulstandorte durch eine Unternehmensberatung erstellt würde. 26.07.2017 Treffen BSB Landesschulrat Herr Dr. Haep Austausch zu Fragen der Weiterentwicklung katholischer Schulen. Fragen einer konkreten oder möglichen Standortschließung wurden nicht angesprochen. 13.11.2017 Treffen Rathaus Landesschulrat, Direktor des LI, Fachreferent Religion Herr Dr. Haep, Frau Mizdalski, Frau Hutmacher Themen: Vorstellung von Frau Hutmacher als Leitung des Referats Schulaufsicht und schulfachliche Beratung im Erzbistum. Neuorganisation der Abteilung Schule und Hochschule im Erzbistum Vorbereitungsdienst in kath. Religion für Sekundarstufe II kath. Religionslehrkräfte im Religionsunterricht für alle in ev. Verantwortung (Diskussion zukünftige Beschlussvorlage ) Finanzierung Kernpraktikum 07.12.2017 Treffen Kath. Akademie Leiter der Rechtsabteilung Herr Dr. Haep Sitzung Arbeitsgemeinschaft Schulen in freier Trägerschaft. Im Nachgang Information durch Herrn Dr. Haep über ernsthafte finanzielle Probleme der katholischen Schulen, aber keinesfalls über Schulschließungen 16.01.2018 Gespräch BSB Landesschulrat, Leiter der Rechtsabteilung Herr Dr. Haep, Herr Freistedt, Frau Hutmacher , Herr von Waldenfels Information über beabsichtigte Schulschließungen und über das Gutachten Ernst & Young Bis zum 16. Januar 2018 waren die Notwendigkeit und Konkretisierung von Standortschließungen oder Unterstützungsanfragen an die für Bildung zuständige Behörde, um Standortschließungen abzuwenden, nicht Gegenstand der Informationen. Das gilt ebenso für das zitierte Gespräch am 26. Juli 2017 zwischen dem Landesschulrat und dem Vertreter des Erzbistums, in dem lediglich verabredet wurde, zum Jahreswechsel Gespräche über die zu diesem Zeitpunkt vom Erzbistum angekündigten Ergebnisse der beauftragten Unternehmensberatung aufzunehmen. Es wurden auch in diesem Gespräch lediglich die grundsätzlichen Rahmenbedingungen für die Sicherstellung staatlicher und privater Schulangebote erörtert und seitens der für Bildung zuständigen Behörde wurde zum Beispiel angeboten, einen Kontakt zum Informationsaustausch über Fragen des Schulbaus herzustellen, wenn das Erzbistum hierzu Bedarf sähe. Konkrete Schließungspläne lagen der für Bildung zuständigen Behörde nicht vor und wurden nicht erörtert. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/11776 3 Die katholischen Schulen sind ein fester Bestandteil des Hamburgischen Schulwesens . Sie ergänzen das Angebot der staatlichen Schulen und geben Eltern erweiterte Auswahlmöglichkeiten für die Bildungswege ihrer Kinder. Vor diesem Hintergrund bedauert die für Bildung zuständige Behörde die Entscheidung des Erzbistums und das gewählte Vorgehen. Die Sorgen der von den Schließungsplänen betroffenen Eltern und Kinder werden seitens der für Bildung zuständigen Behörde sehr ernst genommen. Bereits für den 29. Januar 2018 wurde zu einer Informationsveranstaltung für Eltern eingeladen worden, die ihre Kinder zum kommenden Schuljahr in Jahrgangsstufe 5 des Niels-Stensen-Gymnasiums einschulen wollten. Sie erhielten so kurzfristig die Möglichkeit, sich über alle Alternativen im staatlichen Schulwesen zu informieren. Darüber hinaus wurde eine Hotline (Tel.: 428 63 – 2024) eingerichtet, sodass sich alle betroffenen Eltern mit ihren Fragen telefonisch an die für Bildung zuständige Behörde wenden können. Eine Kontaktaufnahme per E-Mail (schulinformastionszentrum @bsb.hamburg.de) besteht ebenfalls. Dieses Informationsangebot hat die für Bildung zuständige Behörde unter anderem im Internet veröffentlicht (http://www.hamburg.de/contentblob/10338726/78856fb7f0f7e1f502ff3eee9fe308d0/d ata/katholischeschulen.pdf). Grundsätzlich haben alle Hamburger Schülerinnen und Schüler das Recht, eine staatliche Schule zu besuchen. Wenn künftig acht katholische Schulen keine neuen Schülerinnen und Schüler mehr aufnehmen, wird seitens der zuständigen Behörde sichergestellt werden, dass für alle Kinder und Jugendlichen ein hochwertiges schulisches Bildungsangebot an einer staatlichen Schule zur Verfügung steht. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Entspricht es den Tatsachen, dass bereits am 5. Dezember 2016 ein Gespräch von Vertretern des Erzbistums mit Senator Rabe über die finanzielle Lage und drohende Schließung von katholischen Schulen in den Räumen der Schulbehörde stattgefunden hat? a) Wenn ja: Mit welcher Konsequenz und Deutlichkeit wurden die drohenden Schließungen von katholischen Schulen offen angesprochen ? b) Welche weiteren Informationen erhielt Senator Rabe bei diesem Gespräch über den Zustand und die Zukunftsaussichten der katholischen Schulen in Hamburg? c) Welche Konsequenzen zogen die zuständigen Behörden aus diesen Informationen? Nein. Generalvikar Thim hat den Präses der für Bildung zuständigen Behörde am 5. Dezember 2016 über die Veränderungen in der Trägerschaft der katholischen Schulen informiert und ihm den Leiter der neu geschaffenen Abteilung Schule und Hochschule vorgestellt. In diesem Zusammenhang wurde auch der bevorstehende Betriebsübergang der katholischen Schulen vom Katholischen Schulverband in das Erzbistum Hamburg zum 1. Januar 2017 erläutert. Die für Bildung zuständige Behörde hat in diesem Kontext zur Kenntnis genommen, dass sich das Erzbistum mit seiner wirtschaftlichen Gesamtsituation befasst. Fragen einer möglichen oder konkreten Standortschließung wurden von den Vertretern des Erzbistums nicht angesprochen. d) War dem zuständigen Schulsenator bewusst, welche Konsequenzen aus diesen Informationen für das Hamburgische Schulsystem entstehen würden? Entfällt. 2. Das Erzbistum lässt weiterhin in seiner Klarstellung verlauten, es habe bereits seit Juli 2017 mehrere Gespräche des Leiters der Abteilung Schule und Hochschule des Erzbistums Hamburg mit Spitzenbeamten der Schulbehörde über die Restrukturierungspläne des Erzbistums gegeben. Drucksache 21/11776 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 a) Entspricht diese Angabe den Tatsachen? b) Wenn ja: Wie viele Gespräche hat es seit Juli 2017 zwischen dem Erzbistum und Vertretern der Schulbehörde über die Schulschließungsvorhaben des Erzbistums gegeben und was waren jeweils die Inhalte? 3. Entspricht es den Tatsachen, dass am 26. Juli 2017 der Leiter des Amtes für Bildung in einem ausführlichen Gespräch mit Vertretern des Erzbistums über mögliche Standortszenarien der katholischen Schulen informiert worden ist? Wenn ja: a) Welche genauen Informationen hat der zuständige Amtsleiter über die Schließungspläne erhalten und wann hat er diese Informationen an Senator Rabe weitergegeben? b) Welche Schlüsse und Maßnahmen zog die Behördenleitung aus diesen Informationen, die einen gravierenden Einschnitt in die Hamburgische Schullandschaft bedeuten? c) Gab es Überlegungen, die sich abzeichnenden Schließungspläne des Erzbistums abzumildern oder gar ganz zu verhindern und wenn ja, wie sahen diese Überlegungen aus? d) War sich die Behördenleitung zu diesem Zeitpunkt (26. Juli 2017 und danach) bewusst, welche Konsequenzen diese Pläne für das Hamburgische Schulsystem haben? 4. Laut Klarstellung des Erzbistums soll der Leiter des Amtes für Bildung in dem Gespräch am 26. Juli 2017 auf mögliche Kooperationen mit Schulbau Hamburg verwiesen haben. Entspricht dies den Tatsachen? a) Wenn ja: Wie sollte diese Kooperation aussehen und welches Ziel sollte sie verfolgen? b) War die Behördenleitung über diese Kooperationspläne informiert? Siehe Vorbemerkung. 5. Entspricht es den Tatsachen, dass es am 16. Januar 2018 ein Treffen in der Schulbehörde mit dem Amtsleiter Bildung, dem stellvertretenden Leiter des Amtes für Verwaltung und Vertretern des Erzbistums gegeben hat, in dem über die gefassten Standortbeschlüsse des Erzbistums informiert wurde? Wenn ja, zu welchem Zeitpunkt erfuhr die Behördenleitung von diesen Standortbeschlüssen und welche Konsequenzen zog sie hieraus? Ja, die Behördenleitung der für Bildung zuständigen Behörde wurde im Anschluss umgehend informiert. Im Übrigen siehe Vorbemerkung sowie die Antworten zu 6. und 8. 6. Entspricht es den Tatsachen, dass zwischen Behördenvertretern und Vertretern des Erzbistums bereits weitere Gespräche für April 2018 anberaumt worden sind? Wenn ja: Welche Amtsvertreter sollten bei diesem Gespräch die Behörde vertreten und mit welchem Ziel sollten im April die Gespräche fortgesetzt werden? Die für Bildung zuständige Behörde ist zu unterschiedlichen Sachverhalten in einem kontinuierlichen Austausch mit dem Erzbistum beziehungsweise steht für dessen konkrete Anliegen stets für Gespräche zur Verfügung, siehe auch Vorbemerkung. Der Präses der für Bildung zuständigen Behörde hat sich am 1. Februar 2018 mit Vertretern des Erzbistums getroffen. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/11776 5 7. Entspricht es den Tatsachen, dass es seitens der Behörden ein Angebot zur Hilfestellung bei den Bauinvestitionen für das Erzbistum gegeben hat? Wenn ja: Wer hat wann dieses Angebot in Aussicht gestellt und wie sollte diese Hilfestellung konkret aussehen? Nein. 8. Aus welchen Gründen bietet Senator Rabe in der Presse dem Erzbistum Gespräche an, wenn es diese Gespräche doch offensichtlich schon seit Dezember 2016 gibt? Der in Frage 8. wiedergegebene Sachverhalt entspricht nicht den Tatsachen. Im Übrigen siehe Antworten zu 1. bis 1. c) und 6.