BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/11793 21. Wahlperiode 02.02.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Detlef Ehlebracht (AfD) vom 26.01.18 und Antwort des Senats Betr.: Viele Fragezeichen zur Schließung der Kantine im Ortsamt Billstedt! Die Schließung der Betriebskantine des Ortsamts Billstedt trifft nicht nur die Bediensteten, sondern auch die Bürger unvermittelt und nicht minder hart. In Billstedt regt sich Widerstand gegen die Schließung. Billstedter Bürger und Kantinenbesucher sowie Teile der Lokalpolitik sprechen sich für einen Erhalt der Kantine aus. Eine Unterschriftenaktion ist gestartet und verzeichnet vermehrten Zulauf. Die Kantine gilt als Treffpunkt und Ort des Austausches, insbesondere für die älteren Anwohner in einem ohnehin schon als prekär geltenden Stadtteil mit einem überschaubaren Angebot an Begegnungsstätten. Das kostengünstige Angebot der Mahlzeiten zum Frühstück und Mittag stellt für Menschen mit geringem Einkommen und geringer Rente eine unverzichtbare Alternative dar. Somit erfüllt die Kantine aus Sicht ihrer Besucher eine soziale Funktion. Sinnbildlich steht hierfür die Aussage einer Rentnerin aus Billstedt, wie sie in „Der Bild“-Zeitung veröffentlicht wurde: „Menschen mit geringem Einkommen sollten doch einen Treffpunkt haben, eine Gemeinschaft in der sie sein können . Hierher zu kommen ist mehr als nur zum Essen gehen.“ Der seit 1996 führende Betreiber mit sieben Mitarbeitern ist an einer Weiterführung der Kantine interessiert. Jedoch hat das Bezirksamt die schriftliche Kündigung am 10. November 2017 für den 30. Juni 2018 ausgesprochen. Nach Auskunft der politisch Verantwortlichen, wie dem Bezirksamtsleiter des Bezirks Mitte, Heiko Droßmann, (SPD) ist eine Weiterführung aufgrund der anberaumten Sanierungskosten von rund 1,7 Millionen Euro nicht tragbar. Genannt werden unter anderem, die aus aktuellen Anforderungen entstehen Kosten, wie der Brandschutz, die Hygiene und Arbeitssicherheit. Mittlerweile soll für circa 15.000 Euro eine neue Gastherme eingebaut worden sein. Am 25. Januar 2018 hat die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte zur Ortsamtskantine Billstedt getagt. Der Präsenz der Billstedter Kantinenbesucher als Teilnehmer der Sitzung wurde Rechnung getragen, sodass der letzte Punkt auf der Tagesordnung zur Kantine in Billstedt als erstes behandelt wurde. Die Teilnehmer äußerten sogleich ihren Unmut über die Schließung der Kantine und bekräftigen leidenschaftlich ihr Engagement für deren Erhalt. Der Antrag der CDU-Bezirksfraktion „Ortsamtskantine Billstedt erhalten – Moratorium schaffen!“ wurde jedoch nur in den Hauptausschuss für den 6. Februar verwiesen. Der Bezirksamtsleiter hat zugesagt, den Abgeordneten die Aufschlüsselung der Sanierungskosten bis dahin offenzulegen. Die Aussetzung der Kündigung und die Prüfung nach der Beseitigung der notwendigsten Mängel wurden mit der rot-grünen Mehrheit durch Ablehnung des Antrags verhindert. Drucksache 21/11793 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Dies vorausgeschickt frage ich den Senat: 1. Die Renovierungskosten werden sehr konkret mit 1,73 Millionen Euro angegeben. Bitte schlüsseln Sie die Kosten nach Gewerken auf. Siehe Drs. 21/11045. Genaue Aufschlüsselungen der Sanierungskosten liegen bisher nicht vor. 2. Wird nach Auszug des Pächters unmittelbar mit der Renovierung begonnen? Wenn ja, wann? 3. Welche Form der Nutzung nach auslaufendem Pachtvertrag ist angedacht oder möglich? 4. Ist eine Nachnutzung bereits konkret geregelt oder gibt es Vorabsprachen ? Wenn ja, welche und wie sehen diese aus? 5. In Bezug auf welche Art (Verwaltung, Gastronomie et cetera) der Nachnutzung würde die Renovierung durchgeführt werden? Die Kantinenflächen sollen zukünftig ausschließlich verwaltungsintern genutzt werden. Darüber hinaus sind die Planungen noch nicht abgeschlossen. 6. Der Bezirksamtsleiter beklagt, dass die Kantine nur in sehr geringem Umfang von Mitarbeitern des Bezirksamts genutzt wird. a. Was sind die Gründe dafür, wenn dem so ist? b. Was heißt „in sehr geringem Umfang“ in Zahlen ausgedrückt? c. Wie wurden die Zahlen erhoben? Nach Schätzungen des Bezirksamtes Hamburg-Mitte sind durchschnittlich höchstens 20 Prozent der Gäste Bedienstete des Bezirksamtes. Im Übrigen siehe Drs. 21/11678. 7. Wie viele und wo gibt es Kantinen in Hamburg für Mitarbeiter von Orts-/ Bezirksämtern in erreichbarer Nähe? Siehe Drs. 21/11678. a. Auf Basis welcher Verträge wird welche der genannten Kantinen betrieben (zum Beispiel Pachtvertrag ...)? Die Kantinen werden auf Grundlage von Pacht- und Überlassungsverträgen betrieben. b. Wie viele Essen werden jeweils in den Kantinen ausgegeben und wie setzt sich die Kundschaft prozentual zusammen, unterteilt nach „Beschäftigte Bezirksamt“, „Privatpersonen“, „andere städtische Bedienstete“? Je nach Größe der bezirklichen Kantinen werden zwischen 75 und 260 Essen pro Tag ausgegeben. Die übrigen Daten werden statistisch nicht erfasst. 8. Welche kostengünstigen Angebote für Mahlzeiten gibt es im näheren Umfeld der Betriebskantine Billstedt? Welche entsprechenden Angebote über regionale Hausmannskost gibt es im näheren Umfeld? Siehe Drs. 21/11678. Im Übrigen liegen keine entsprechenden Informationen vor. 9. Wenn die Nachnutzung keinen gastronomischen Betrieb vorsieht, gedenkt die zuständige Stelle den Wegfall der Begegnungsstätte und die preiswerte gastronomische Versorgung durch andere Maßnahmen auszugleichen ? Neue gastronomische Angebote nach Schließung der Betriebskantine sind seitens des Bezirksamtes nicht geplant. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/11793 3 10. Begehungen: Wann fanden die regelmäßigen Begehungen zur Brandverhütungsschau , im Bereich der Betriebskantine und zum Bestandsschutz statt? Bitte seit der Sanierung 1989 aufzählen sowie die Mängel beschreiben. Das Objekt unterliegt aufgrund der Nutzungsart und der Gebäudegröße nicht der Schaupflicht nach der Brandverhütungsschauverordnung. 11. Wie erklärt sich das zuständige Bezirksamt Mitte, dass eine Behebung der Mängel im Bereich der Warmwasserbereitung (Gastherme) so umfänglich in den Bestand eingreift, dass der Bestandsschutz aufgehoben wird? Die Erneuerung der Anlage zur Warmwasserbereitung erfolgte zur Herstellung des ordnungsgemäßen Zustandes. Der damit verbundene umfängliche Eingriff in den Anlagenbestand führte zum Fortfall des Bestandschutzes. a. Wie erklärt sich dies vor der Angabe, dass keine Verstöße bei den bisherigen regelhaften Begehungen festgestellt wurden? Dem Bezirksamt Hamburg-Mitte sind zuvor keine Sachverhalte bekannt geworden, die Auswirkungen auf den Bestandsschutz des Gebäudes hätten haben können. b. In welchem Kostenrahmen bewegt sich die Installation einer neuen Gastherme? c. Aus welchen Gründen wird keine neue Gastherme angeschafft? Die für die Warmwasserbereitung notwendigen Geräte wurden bereits ausgetauscht. Die Kosten betragen etwa 15.000 Euro. d. Wann sind die beiden letzten Prüfungen der Gastherme durch den Schornsteinfeger oder andere erfolgt? Welche Mängel sind festgehalten ? Dazu liegen dem Bezirksamt Hamburg-Mitte keine Erkenntnisse vor. 12. Wann und inwiefern haben sich jeweils die Anforderungen der Kernsanierung für Großküchenbetriebe verändert? Welche Gesetzesänderungen liegen dem zugrunde? a. Was bedeutet dieses in Hinblick auf die Kernsanierung der Küche im Ortsamt Billstedt? b. Warum ist es erforderlich einen geschlossenen und miteinander verbundenen Hygienebereich herzustellen, der von den Umkleideräumen und WC-Anlagen klar getrennt ist? Konkrete Vorschriften für die Kernsanierung von Großküchenbetrieben existieren nicht. Vielmehr können, bezogen auf das jeweilige Schutzziel (Brandschutz, Verkehrssicherheit , Gesundheitsschutz et cetera), aus bauordnungsrechtlicher Sicht unterschiedliche Gesetze, Verordnungen oder Technische Baubestimmungen betroffen sein, insbesondere die Neufassung der Hamburgischen Bauordnung vom 14. Dezember 2005 (Drs. 18/2549), der ein neues Brandschutzkonzept zugrunde liegt. Darüber hinaus muss aus hygienischen Gründen grundsätzlich zwischen reinen (Küche , Lebensmittellager, Kühllager) und unreinen Bereichen (Umkleideräume, WC- Anlagen) getrennt werden; dabei ist die Verordnung (EG) Nummer 852/2004 des europäischen Parlaments und des Rates über Lebensmittelhygiene vom 29. April 2004 zu beachten. Die entsprechende Anpassung der Kantine würde bauliche Maßnahmen in erheblichem Umfang nach sich ziehen, die zudem die Fläche des Speisebereichs einschränken würden. 13. Aus welchen Gründen führte der Vermieter, wie durch das Schreiben vom 31.08.2017 an das Bezirksamt-Mitte gerichtet, eine Begehung der Kantine durch? Drucksache 21/11793 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 a. Wann haben weitere Begehungen durch den Vermieter stattgefunden ? b. Was waren jeweils die Gründe dafür und welche Beanstandungen wurden festgestellt? Dazu liegen dem Bezirksamt Hamburg-Mitte keine Erkenntnisse vor. 14. Wurden die Beschäftigten des Ortsamtes Billstedt über die Schließung der Kantine informiert und wenn ja, wann? Wenn nein, warum nicht? Ja, am 18. Oktober 2017. 15. Welche Eigentumsverhältnisse hat es seit Fertigstellung der Betriebskantine des Ortsamts Billstedt gegeben? Bitte namentlich aufführen und die entsprechenden Zeiten ausweisen. Das Objekt wurde am 30. Januar 2006 an die Alstria Zweite Hamburgische Grundbesitz S.a.r.l. Co. KG veräußert. 16. Welche Investitionen wurden seit Fertigstellung der Kantine getätigt? Die Kantine wurde zuletzt im Jahr 1989 umfassend saniert. Erneuerungen, Reparaturen und Ersatzbeschaffungen sind danach bei Bedarf erfolgt. 17. Plant das Bezirksamt-Mitte, Kontakt mit dem Vermieter und Nutzungsnehmer aufzunehmen, um den Erhalt der Kantine zu erörtern? a. Wenn ja, wann und mit welchem Ziel? b. Wenn nein, warum nicht? Nein (siehe Drs. 21/11045).