BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/11840 21. Wahlperiode 06.02.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 31.01.18 und Antwort des Senats Betr.: Finanzierung von Hamburgs Schulen in freier Trägerschaft Für eine vielfältige Schullandschaft bedarf es Wahlmöglichkeiten für Eltern und Schüler. Hier sind Schulen in freier Trägerschaft ein wertvoller und essenzieller Bestandteil des Hamburger Schulsystems und oftmals Motor für pädagogische Reformprozesse. Sie führen die Schülerinnen und Schüler zu den gleichen Abschlüssen wie staatliche Schulen. Während staatliche Schulen eine 100-Prozent-Finanzierung bekommen, sollen die Schulen in freier Trägerschaft für ihre Arbeit pro Schülerin und Schüler 85 Prozent (s.g. Schülerkostensatz ) davon erhalten. Die Berechnung der Finanzhilfe durch die Stadt sowie die scheinbar nicht berücksichtigten Verwaltungskosten und die mutmaßlich viel zu niedrig angesetzten Pensionsrückstellungen und Gebäudefinanzierungen , werden seit längerer Zeit von Seiten der freien Schulträger kritisiert. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 10 Prozent der Hamburger Schülerinnen und Schüler (19.000) besuchen eine allgemeinbildende Privatschule, knapp die Hälfte von ihnen (9.000) eine der 21 katholischen Privatschulen. Das katholische Erzbistum hat jetzt beschlossen, in zwei Schritten bis zu acht Schulen mit derzeit knapp 2.900 Schülern zu schließen. Diese Schulen sollen künftig keine Schülerinnen und Schüler mehr aufnehmen. Die bereits aufgenommenen Schülerinnen und Schüler sollen dagegen auf den Schulen bleiben und ihren Bildungsweg dort bis zum Ende fortsetzen. Privatschulen sind im Grundgesetz abgesichert und werden von den Ländern finanziert . Die Finanzierung richtet sich nach den Kosten des jeweiligen staatlichen Schulsystems , umgerechnet in „Schülerjahreskosten“. Für zahlreiche Schulformen und Schülergruppen legen die Länder deshalb ihre „Schülerjahreskosten“ fest. Davon werden den Privatschulen pauschale Prozentanteile erstattet. Diese Finanzierung stellt sicher, dass Privatschulen von Verbesserungen im staatlichen Schulsystem profitieren . Hamburg hat 2001 beschlossen, die pauschale Prozent-Erstattung von 2004 bis 2011 schrittweise auf 85 Prozent zu erhöhen (2002 bis 2003 = 60 Prozent, 2004 = 65 Prozent , 2005 = 70 Prozent, 2006 = 72,5 Prozent, 2007 = 75 Prozent, 2008 = 77,5 Prozent , 2009 = 80 Prozent, 2010 = 82,5 Prozent, ab 2011 = 85 Prozent). Das führte zu einer überproportionalen Steigerung der Privatschulfinanzierung, weil zusätzlich zu den üblichen Erhöhungen der staatlichen Schülerjahreskosten auch der Prozentanteil für die Erstattung erhöht wurde. Die Festlegung der Schülerjahreskosten erfolgt in den Ländern in der Regel ohne klare Berechnungen der einzelnen Kostenbestandteile. Hamburg weicht davon ab und legt genau dar, aus welchen Kostenbestandteilen sich die Schülerjahreskosten zusammensetzen. Drucksache 21/11840 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Der Privatschulverband kritisiert, dass Schülerjahreskosten in Teilbereichen nicht auf realen staatlichen, sondern auf kalkulierten (geringeren) Kostensätzen basieren. Tatsächlich handeln alle Länder auf diese Weise, weil Privatschulen in Teilbereichen unter günstigeren Bedingungen wirtschaften als der Staat. Das gilt zum Beispiel für Schulgebäude. So muss die Stadt auch in teuersten und schwierigsten Lagen Schulgebäude vorhalten, beispielsweise die Inselschule Neuwerk für einen einzigen Schüler , einzügige Schulen in Randgebieten oder kostenintensive Gebäude und Flächen in teuren Stadtlagen, während Privatschulen gezielt preiswerte Schulgebäude nutzen können. Daneben dienen staatliche schulische Immobilien nicht nur unmittelbar Unterrichtszwecken , sondern auch anderen Zwecken als dem Schulbetrieb, zum Beispiel der Sportförderung, den Belangen der Jugendmusikschule und der Hamburger Volkshochschule . Hinzu kommen weitere ebenfalls unentgeltliche Nutzungen durch regionale Gruppen, Vereine oder den Katastrophenschutz. Trotz der deshalb geringer veranschlagten Erstattungskosten für Schulgebäude gibt es zahlreiche Hamburger Privatschulträger , die damit gut auskommen. Die Kritik blendet darüber hinaus aus, dass es viele Kostenbestandteile gibt, die umgekehrt sehr großzügig kalkuliert sind. Zum Beispiel basiert der Personalanteil an den Schülerjahreskosten auf sehr kleinen Schulklassen, an der Grundschule in der Regel mit 21 Schülerinnen und Schülern. Wenn eine Privatschule die Klassengröße auf 26 Schüler anhebt, macht sie auch ohne die zusätzlichen Elternbeträge bereits „Gewinn“. Viele Privatschulen haben in der Regel jedoch weitaus größere Schulklassen . So hat eine Reihe von katholischen Grundschulen durchschnittlich mehr als 27 Kinder in einer Klasse, andere Privatschulen gehen gar über 30 Kinder hinaus. Zudem werden Sonderschulen in freier Trägerschaft zu 100 Prozent finanziert, ebenso wie die GBS-Angebote der Privatschulen. Die Diskussion einzelner Kostenbestandteile ist deshalb insgesamt nicht folgerichtig, entscheidend ist die Summe, wie sie in den Schülerjahreskosten abgebildet ist. Hier ist festzustellen, dass Hamburgs Privatschulfinanzierung mittlerweile in der Spitzengruppe aller Länder liegt und in der Hamburger Schulgeschichte noch niemals so hoch war wie seit 2011, was folgende Beispiele belegen: ‐ So förderte Hamburg zum Beispiel die katholischen Privatschulen 2004 mit 33,3 Millionen Euro (3.619 Euro pro Schüler), 2011 dagegen mit 52,4 Millionen Euro (5.809 Euro pro Schüler). Diese Steigerung von gut 60 Prozent pro Schüler ist drei Mal höher als die Inflationsrate von knapp 20 Prozent in diesem Zeitraum. ‐ Für einen Grundschüler zahlt Hamburg den Privatschulen mittlerweile beispielsweise zwischen 5.277 und 5.976 Euro, Schleswig-Holstein dagegen 4.186 Euro. Hamburg zahlt in diesem wichtigen Schulbereich den Privatschulen somit durchschnittlich 30 Prozent mehr als Schleswig-Holstein. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie werden die Kosten eines staatlichen Schülers pro Jahr in Hamburg berechnet? Bitte im Detail erläutern. Siehe Drs. 21/11765. 2. Wie hoch waren die berechneten Schülerjahreskosten in Hamburg in jedem einzelnen Jahr, angefangen 2002 bis heute? Die Kennzahlen Schülerjahreskosten sind den jeweiligen Haushaltsplänen der FHH zu entnehmen, siehe für die Haushaltsjahre 2002 bis 2015/2016 unter http://www.hamburg.de/fb/fruehere-haushalte und für den Haushalt 2017/2018 unter http://www.hamburg.de/fb/doppelhaushalt-2017-2018/. 3. Werden bei der Berechnung der Schülerjahreskosten die Kosten für die Schulverwaltung miteinbezogen? Wenn nein, warum nicht? 4. Wie hoch waren die Kosten für die Schulverwaltung pro Schüler in Hamburg in jedem einzelnen Jahr, angefangen 2002 bis heute? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/11840 3 Die den Einzelschulen zurechenbaren Kosten werden berücksichtigt. Im Übrigen siehe Drs. 21/11765. 5. Wie hoch waren die tatsächlichen Schulgebäudekosten pro Schüler in Hamburg in jedem einzelnen Jahr, angefangen 2002 bis heute? Aufgrund der schrittweisen Einführung eines Gebäudemanagements und den damit zusammenhängenden Veränderungen der Eigentumsverhältnisse an den Schulgebäuden sind die Zahlen zu den in der für Bildung zuständigen Behörde veranschlagten Gebäudekosten seit 2002 nicht mehr miteinander vergleichbar. Die veranschlagten Investitionen und die anteiligen Instandhaltungs- und Bewirtschaftungskosten sind entsprechend in einer anderen Haushaltssystematik dargestellt worden. Ab dem Haushaltsjahr 2010 zahlt die für Bildung zuständige Behörde eine Miete für die Nutzung der Schulgebäude. Eine vergleichende Darstellung der tatsächlichen Schulgebäudekosten pro Schüler in Hamburg seit 2002 ist daher nicht möglich. Seit 2002 wurden im Haushalt der für Bildung zuständigen Behörde, EP 3.1., im Kapitel 3010 die Investitionen und in den Kapiteln 3100 – 3150 bei den Haushaltstiteln 519.01 Bauunterhaltungs- und 517.78 Bewirtschaftungsmittel veranschlagt. Mit Gründung des Landesbetriebes Hamburger Institut für Berufliche Bildung (HIBB) zum 1. Januar 2007 wurden die Mittel für Bauunterhaltung und die Bewirtschaftung der Schulgebäude im dortigen Wirtschaftsplan veranschlagt. Zeitgleich mit Einführung des Modells HH-Süd (vergleiche Drs. 18/4630 und 18/5799) wurden die Kosten für die in das Modell gewechselten Schulen im Kapitel 3010 als Leistungsentgelt veranschlagt und die Mittel für Investitionen sowie Bauunterhaltung und Bewirtschaftung in den Kapiteln 3100 bis 3140 entsprechend abgesenkt. Mit Gründung von Schulbau Hamburg und der Einführung des Gebäudemanagements für staatliche Schulen (vergleiche Drs. 19/4208) waren die Gebäudekosten für staatliche Schulen in den Kapiteln 3100 – 3140 nicht mehr investiv und in den Schulkapiteln 3100 bis 3140 als Kaltmiete im Haushaltstitel 518.78 und als Bewirtschaftungskosten bei 517.78, sowie im Wirtschaftsplan des HIBB veranschlagt. Im Zuge der Neuorganisation des Vermieter- Mieter-Modells 2013 (vergleiche Drs. 20/5317) sind die Gebäudekosten im Haushaltsplan der BSB als Warmmiete im EP 3.1 in den Kapiteln 3100 – 3140 beim Haushaltstitel 518.78 sowie im Wirtschaftsplan des HIBB veranschlagt. 2014 finden sich die Gebäudekosten aufgrund der Umstellung auf SNH in den Ergebnisplänen der Behörde für Schule und Berufsbildung unter den Produktgruppen 241.01 bis 241.04 in der Position Kosten für laufende Verwaltungstätigkeit sowie im Wirtschaftsplan des HIBB wieder. Für die Schülerzahlen an staatlichen Schulen siehe http://www.hamburg.de/ schulstatistiken. 6. Wie hoch waren die fiktiven Mieten für Schulgebäude pro staatlichem Schüler in Hamburg in jedem einzelnen Jahr, angefangen 2002 bis heute ? 7. Wie hoch waren die fiktiven Mieten für Schulgebäude pro Schüler einer Schule in freier Trägerschaft in Hamburg in jedem einzelnen Jahr, angefangen 2002 bis heute? Zur Höhe der kalkulatorischen Miete innerhalb der Schülerjahreskosten siehe Drs. 21/11765. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 8. Warum werden anstelle der tatsächlich anfallenden Schulgebäudekosten nach wie vor fiktive Mieten angesetzt? 9. Aus welchen Gründen kommt die Behörde für Schule und Berufsbildung (BSB) zu dem Ergebnis, dass sich die Gebäudekosten für einen Schüler an einer staatlichen Schule seit dem Jahr 2006 bis zum Jahr 2017 nicht nennenswert verändert hätten und zum Teil sogar gesunken wären? 10. Wie erklärt die BSB die Diskrepanz aus den von ihr angesetzten Gebäudekosten und den Kosten in ihren Haushaltsplänen für Mieten, Pachten und Erbbauzinsen für Grundschulen, Stadtteilschulen und Gymnasien pro Schüler pro Jahr? Drucksache 21/11840 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Im Zuge der Umsetzung der Privatschulnovellierung des Jahres 2004 wurde auch die Systematik der damaligen Kennzahlen „Schülerjahreskosten“ unter Einbeziehung der freien Schulträger überprüft. Hintergrund war die neue Funktion dieser Kennzahl für die Finanzierung der Schulen in freier Trägerschaft, die Kostenkennzahl war demnach möglichst trägerneutral zu gestalten. Einvernehmliches Ziel war es, die maßgeblichen Aufwandspositionen für die Leistungseinheit „Unterricht, Erziehung und Betreuung eines Schülers an einer Schule“ betriebswirtschaftlich sinnvoll abzugrenzen und mit nachvollziehbaren Kostenstellen zu verknüpfen. Insbesondere bei den Investitionen in den Schulbau und bei den Zukunftsbelastungen aus Dienstverhältnissen zeigten sich insoweit atypische Sachverhalte bei dem Schulträger Freie und Hansestadt Hamburg: Dieser beschäftigt Beamte, dies ist nur zwei von etwa 60 freien Schulträgern möglich. Was die bauliche Infrastruktur an Schulgebäuden angeht, ist die Freie und Hansestadt Hamburg als Gebietskörperschaft verpflichtet , über das gesamte Stadtgebiet flächendeckend mögliche Nachfragen zu bedienen, dies gilt auch für die Landgebiete, Schulstandorte in Neubaugebieten, die sich erst im Laufe der Jahre füllen, und Schulstandorte, die wegen Veränderung der Besiedlung oder demographischer Effekte schrumpfen. Freie Schulträger hingegen sind an die Höchstfrequenzen nicht gebunden und haben deutlich höhere durchschnittliche Schülerzahlen je Klassenraum, sie schaffen zusätzlich Räume erst dann, wenn entsprechende Buchungen vorliegen. Daneben dienen staatliche schulische Immobilien nicht nur unmittelbar Unterrichtszwecken, sondern auch anderen Zwecken als dem Schulbetrieb, zum Beispiel der Sportförderung, den Belangen der Jugendmusikschule und der Hamburger Volkshochschule. Hinzu kommen weitere ebenfalls unentgeltliche Nutzungen durch regionale Gruppen, Vereine oder den Katastrophenschutz. Im Ergebnis wurde die Formel einer Kaltmiete (Preisfaktor ) von 7 Euro eines standardisierten Raumangebotes pro Schüler und Schulform (Mengenfaktor) vereinbart. Der Mengenfaktor dürfte im Regelfall die tatsächlich in Schulen in freier Trägerschaft vorgehaltenen Flächen schon deshalb übersteigen, weil diese nicht an die für die staatlichen Schulen verbindlichen Klassenfrequenzen gebunden sind. Die zwischenzeitlichen Veränderungen in der kalkulatorischen Miete pro Schüler sind das Ergebnis von Veränderungen im Musterflächenprogramm (Mengenfaktor ). Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 11. Werden die Pensionsrückstellungen für die freien Schulen mit dem gleichen Ansatz wie dem für die staatlichen Schulen berechnet? Wenn nein, wie hoch sind die absolute und die prozentuale Differenz zwischen staatlichen und freien Schulen pro Schüler pro Jahr? Nein, in die Berechnung der Schülerjahreskosten gehen kalkulatorische Rückstellungen und nicht die tatsächlich getätigten Rückstellungen ein. Die aus den Einzelplänen des staatlichen Haushalts ersichtliche Aufwandsgröße „Kosten für Versorgungsleistungen “ dient überwiegend der Zahlung von Pensionen, zum anderen werden Mittel für zukünftige solche Zahlungen zurückgestellt. Eine prozentuale Inbezugsetzung dieser Größen in der Systematik der Schülerjahreskosten (Bildungsgang, Schulform, Schulstufe) ist nicht möglich. 12. Wurden zum Erhalt und der zukünftigen Finanzierung der Hamburger Schulgebäude Bundesmittel abgerufen, wie beispielsweise die Mittel aus dem Kommunalinvestitionsfördergesetz? Wenn ja, wie viel wurde wann abgerufen? Wenn nein, warum nicht? Die möglichen Bundesmittel wurden abgerufen. Die Schulen in freier Trägerschaft wurden in angemessener Weise beteiligt. Dies gilt auch für die neue Initiative des Bundes, die Kommunen im Bereich Neubau- und Sanierungsbedarf im Schulbau finanziell zu unterstützen.