BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/1186 21. Wahlperiode 07.08.15 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Karl-Heinz Warnholz (CDU) vom 30.07.15 und Antwort des Senats Betr.: Geplante Änderung der Betreuung im Seniorenzentrum Nordlandweg der Flutopfer-Stiftung von 1962 in Hamburg-Rahlstedt, Ortsteil Meiendorf Seit den 1970er Jahren betreibt die von der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH) gegründete Flutopfer-Stiftung von 1962 das Seniorenzentrum Nordlandweg und bietet gemeinsam mit der SAGA GWG Hinterbliebenen der Flutkatastrophe von 1962, aber mittlerweile auch weiteren älteren Menschen, einen Ort zum Wohnen an. Bei Bedarf konnte zuletzt ein hauseigener Pflegedienst für über 500 Bewohner in Anspruch genommen werden. Nun wurde dem örtlichen Seniorenbeirat und den Bewohnern eröffnet, dass sich die ambulante Betreuung kurzfristig zum 1. September 2015 ändern solle . Künftig müsse der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) die Betreuung wahrnehmen . Allerdings werde dieser nicht vor Ort dauerhaft eingesetzt sein, sondern benötige einen Anfahrtsweg von 30 Minuten. Dieser Schritt sei nötig, da die städtische Flutopfer-Stiftung ein Defizit erwirtschaftet habe. Gleichzeitig ist mit dieser Änderung jedoch eine Kostensteigerung für die Bewohner verbunden. Der Seniorenbeirat ist nicht nur wegen der eigentlichen kurzfristigen Änderung besorgt, sondern auch wegen der Art und Weise, wie die Schritte den Bewohnern alternativlos präsentiert werden, bestürzt. Für viele Bewohner, die nach langwieriger Überlegung ihre bisherigen Wohnungen oder Häuser aufgegeben haben und in das Seniorenzentrum umgezogen sind, bedeuten die Änderungen eine radikale Verschlechterung der finanziellen und der pflegerischen Situation. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Zur Beantwortung der Fragen ist die Flutopfer-Stiftung von 1962 um einen Beitrag gebeten worden. Die nachfolgenden Antworten beruhen weitgehend auf der Rückmeldung des Trägers. Bei den Fragen 8. bis 11. und 13. wird davon ausgegangen, dass der Hausbeirat und nicht der bezirkliche Seniorenbeirat gemeint ist. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Welches Konzept wurde bislang im Seniorenzentrum Nordlandweg durch die städtische Flutopfer-Stiftung von 1962 verfolgt? Für die Versorgung der Mieterinnen und Mieter verfügt das Seniorenzentrum Nordlandweg über eine Seniorenbetreuung, einen hauseigenen Notruf sowie einen hauseigenen ambulanten Dienst. Das bisherige Konzept umfasst folgende Leistungen: - Regelmäßige Information und Beratung, Drucksache 21/1186 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 - Unterstützung in Krisensituationen, - Vermittlung von Dienstleistungen (zum Beispiel Mahlzeitenversorgung), - Angebote zur Freizeitgestaltung (gegebenenfalls gegen Entgelt), - Vermittlung von Kontakten in der Servicewohnanlage und im Stadtteil, - Betrieb einer hauseigenen Notrufanlage für Hilfe in Notfällen. 2. Inwieweit und warum soll das Konzept nun durch die neue Betreuung durch den ASB geändert werden? Mit Wirkung zum 1. September 2015 wird die Flutopfer-Stiftung von 1962 die Notrufversorgung nicht mehr mit eigenen Mitarbeitern abdecken, sondern an die Notrufzentrale des Arbeiter-Samariter-Bundes Hamburg (ASB) abgeben. Die Betreuungsfachkräfte der Stiftung nehmen regelhaft von Montag bis Freitag tagsüber alle Aufgaben, die im Hamburgischen Wohn- und Betreuungsqualitätsgesetz (HmbWBG) dargelegt sind, wahr. Der ASB übernimmt also keine Betreuungsleistungen, sondern lediglich den Hausnotruf . Dies führt zu einer deutlichen technischen Verbesserung der Qualität beim Notruf. Eine Überwachung der Funktionsfähigkeit der installierten Geräte sowie eine Bearbeitung mehrerer parallel erfolgender Notrufeingänge sind möglich. Erstmalig ist bei einem Notruf auch ein Hör-Sprech-Kontakt mit Bewohnern möglich. Das neue Konzept beruht auch auf wirtschaftlichen Erwägungen, da es keine ausreichende Gegenfinanzierung für das bisher betriebene eigene Notrufsystem der Stiftung gab. 3. Welches Konzept soll künftig verfolgt werden? Das künftige Konzept umfasst folgende Leistungen: - Regelmäßige Information und Beratung, - Unterstützung in Krisensituationen, - Vermittlung von Dienstleistungen (zum Beispiel Mahlzeitenversorgung), - Angebote zur Freizeitgestaltung (gegebenenfalls gegen Entgelt), - Vermittlung von Kontakten in der Servicewohnanlage und im Stadtteil, - Bereitstellung technischer Voraussetzungen zur Inbetriebnahme einer Notrufanlage , - Abdeckung des Notrufes über eine Rahmenvereinbarung mit dem ASB, um Mieterinnen und Mietern nahtlos ein hohes Versorgungsniveau zu günstigen Konditionen anzubieten. 4. Inwieweit ist der Grund der Änderung der Betreuung in dem Defizit der Stiftung beim Betrieb der Seniorenzentren zu sehen und warum ist dieses entstanden? Beim bisherigen Konzept war eine Refinanzierung der „Rund-um-die Uhr“-Betreuung nach Angaben der Stiftung nicht möglich. Durch anfallende Reparaturen sowie durch den Einsatz von zusätzlichem Personalservice bei krankheitsbedingten Ausfällen entstanden hohe Kosten. 5. Welche Auswirkungen auf die Finanzierung und die Bilanz erwartet die Stiftung von der geänderten Betreuung? Die Stiftung erwartet sinkende Personalkosten sowie die Notwendigkeit einer Sonderabschreibung der Notrufanlage (einmalig). 6. Welche Auswirkungen haben die Änderungen auf die weitgehend selbstständigen, aber insbesondere auf die auf Betreuung angewiesenen Bewohner? Da die Bedienung des Notrufs durch eigenes Personal entfällt, ist werktags eine intensivere Betreuung der Bewohnerinnen und Bewohner als bisher möglich. Nachts Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/1186 3 und am Wochenende sind zukünftig keine eigenen Mitarbeiter der Stiftung mehr im Haus anwesend. Stattdessen steht an jedem Tag (auch werktags) eine 24-StundenNotversorgung durch den ASB zur Verfügung. 7. Welche finanziellen Auswirkungen ergeben sich durch die neue Betreuung ? Das Notrufentgelt für die Grundversorgung (nur Noteinsätze) steigt von 17,90 Euro auf 18,36 Euro im Monat und entspricht damit dem in Hamburg üblichen Wert. Zusätzliche Angebote des ASB (ein sogenanntes Schlüsselpaket) kosten zusätzlich 11,36 Euro im Monat. Durch die Umstellung auf ein modernes Notrufsystem ist es zukünftig möglich, dass Menschen mit einer Pflegestufe die Kosten für den Hausnotruf (Grundversorgung ) von ihrer Pflegekasse erstattet bekommen können. 8. Warum wurden der Seniorenbeirat und die Bewohner erst so kurzfristig über die Änderungen informiert? Der Hausbeirat wurde am 17. Juni 2015 informiert. Dem Träger erschien eine Information des Hausbeirats 2,5 Monate vor Inkrafttreten der Maßnahme ausreichend, da der bisherige Notruf nahtlos in die neue Notrufversorgung überführt wird. 9. Wann und wie oft hat der Seniorenbeirat in den letzten zwölf Monaten getagt? Wie oft waren Änderungen in der Betreuung Thema? Bitte Ort und Datum angeben. Wenn nein, warum nicht? Die Stiftung weist darauf hin, dass der Hausbeirat seine Sitzungen selbst organisiert. Eine Teilnahme der Einrichtungsleitungen an den Sitzungen einmal pro Quartal erfolgt auf Einladung des Heimbeirats. Bei diesen Treffen sind die Veränderungen beim Notruf nicht angesprochen worden. Aus Sicht der Stiftung war eine Information erst sinnvoll nach erfolgter Entscheidung über den Inhalt der Umstrukturierung und die Auswahl eines geeigneten Anbieters. 10. Inwieweit wurden der Seniorenbeirat und die Bewohner vor vollendete Tatsachen gestellt? Der Hausbeirat ist über die angestrebte Maßnahme vorab informiert worden. Ein Mitwirkungsrecht ergebe sich nach Auskunft der Stiftung aus der Wohn- und Betreuungsmitwirkungsverordnung (WBMitwVO) für Hausbewohner jedoch nicht. 11. Inwiefern sind der zuständigen Behörde die Vorwürfe des Seniorenbeirats bekannt? Die Wohn-Pflege-Aufsicht des Bezirksamtes Wandsbek hat weder vom Hausbeirat noch von einzelnen Mietern der Anlage Anfragen erhalten. Der Hausbeirat hat sich zur Beratung an den Bezirks-Seniorenbeirat gewandt. Ein Mitglied des BezirksSeniorenbeirats hat bei der Wohn-Pflege-Aufsicht nachgefragt, ob das Vorgehen des Betreibers gegen gesetzliche Anforderungen des Hamburgischen Wohn- und Betreuungsqualitätsgesetzes (HmbWBG) verstößt. Es wurde dahin gehend beraten, dass die vertraglich vereinbarten Leistungen zwischen Betreiber und Mieter zu betrachten sind, da gemäß HmbWBG Betreiber von Servicewohnanlagen lediglich die technischen Voraussetzungen zur Inbetriebnahme einer Notrufanlage vorhalten müssen. 12. Inwiefern waren die Kostenabrechnungen 2012 der Bewohner unvollständig ? Der Träger hat mitgeteilt, dass die Erträge aus Betreuungs- sowie Notrufpauschalen vollständig in die Betreuung beziehungsweise die Notrufversorgung der Bewohner geflossen sind. Die Höhe der Entgelte orientiert sich dabei an den durch den Sozialhilfeträger festgelegten Höchstwerten. Eine Übernahme entstandener Defizite ist durch die Flutopfer-Stiftung von 1962 erfolgt. 13. Wie reagieren die Stiftung beziehungsweise die zuständige Behörde auf die Vorwürfe des Seniorenbeirats? Drucksache 21/1186 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Dem Bezirksamt Wandsbek sind Vorwürfe des Bezirks-Seniorenbeirates beziehungsweise des Hausbeirates nicht bekannt. Die Mieter können sich jederzeit zur Beratung an die Wohn-Pflege-Aufsicht wenden. Die Mitarbeiter der Stiftung stehen für alle Mieter jederzeit für Nachfragen zur Verfügung . 14. Wie bewerten die Stiftung beziehungsweise die zuständige Behörde die Verschlechterung der Betreuung der Bewohner des Seniorenzentrums Nordlandweg? Die Stiftung ist der Auffassung, dass durch das neue Konzept keine Verschlechterung der Betreuung eintritt. Aus Sicht des Bezirksamtes Wandsbek bewegt sich das Angebot der Service-Wohnanlage im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben des HmbWBG. 15. Inwieweit ist die Entscheidung final und ließe sich gegebenenfalls noch ändern? Die Kooperationsvereinbarungen mit dem Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) sind abgeschlossen . Ab dem 1. September 2015 wird der Notruf im Seniorenzentrum Nordlandweg rund um die Uhr vom ASB betreut. 16. Inwieweit wird unzufriedenen Bewohnern nunmehr Hilfe bei der Suche nach anderen Betreuungsformen angeboten? Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stiftung sind für alle Belange der Mieterinnen und Mieter jederzeit ansprechbar. Die Mieter können sich außerdem gemäß § 3 HmbWBG jederzeit an die Wohn-Pflege-Aufsicht, an eine anerkannte Beratungsstelle gemäß § 36 HmbWBG (zum Beispiel Pflegestützpunkte) und an die Bezirkliche Seniorenberatung wenden. 17. Wie viele Wohnanlagen betreibt die Flutopfer-Stiftung 1962 in welchen Stadtteilen in Hamburg und wie viele Plätze werden in den einzelnen Wohnanlagen angeboten? Die Flutopfer-Stiftung von 1962 betreibt folgende Service-Wohnanlagen: - Seniorenzentrum Nordlandweg in Rahlstedt (203 Wohnungen), - Wilhelm Leuschner Seniorenzentrum in Lohbrügge (222 Wohnungen), - Wohnanlage Eidelstedt (146 Wohnungen), - Wohnanlage Wilhelm-Carstens-Weg in Wilhelmburg (52 Wohnungen). 18. Welche Änderungen sind in den anderen Wohnanlagen der FlutopferStiftung zu erwarten und warum? Die Veränderungen im Seniorenzentrum Nordlandweg haben keine Auswirkungen auf die anderen Wohnanlagen. 19. Inwieweit werden die dortigen Bewohner früher in einen Änderungsprozess eingebunden oder informiert? Entfällt, siehe Antwort zu 18.