BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/11877 21. Wahlperiode 09.02.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Franziska Grunwaldt (CDU) vom 01.02.18 und Antwort des Senats Betr.: Asylbewerber 2017 (III) Aus Drs. 21/11631 ergeben sich Nachfragen. Ich frage den Senat: 1. Auf die Frage, welche Konsequenzen es für Flüchtlinge habe, die sich nachweislich fälschlicherweise als minderjährig ausgeben haben, heißt es in Drs. 21/11631 nur allgemein, dass die Polizei „bei dem Verdacht einer Straftat ein Ermittlungsverfahren“ einleite. Wie oft das in diesem Fall geschehen ist, könne allerdings nicht gesagt werden, da hierüber keine Statistik geführt werde. Auch könne nicht allgemein beantwortet werden, unter welchen Voraussetzungen falsche Altersangaben strafrechtlich relevant sind. a) Inwieweit ist es strafrechtlich relevant, wenn sich ein Ausländer über eine falsche Angabe des Alters Vorteile im Asylverfahren zu sichern versucht? Unter welchen Voraussetzungen falsche Altersangaben strafrechtlich relevant sind, lässt sich allgemein nicht beantworten, sondern hängt von den Umständen des konkreten Einzelfalls ab. Sind Altersangaben unrichtig, ist in erster Linie eine Strafbarkeit gemäß § 95 Absatz 1 Nummer 5 AufenthG oder § 95 Absatz 2 Nummer 2 AufenthG in Betracht zu ziehen. b) Welche Handlungen löst die Information, dass ein unbegleiteter minderjährigen Ausländer (UMA) doch volljährig ist, beim Landesbetrieb Erziehung und Beratung (LEB) aus? Stellt der Landesbetrieb für Erziehung und Beratung (LEB) die Volljährigkeit fest, erfolgt keine vorläufige Inobhutnahme nach § 42a SGB VIII beziehungsweise wird diese beendet. Die Person erhält einen rechtsmittelfähigen Bescheid über die Ablehnung der Inobhutnahme und wird an das Ankunftszentrum Rahlstedt verwiesen. Eine weitere jugendhilferechtliche Zuständigkeit für diese Personen besteht nicht. c) Welche Informationen liegen dem LEB bezüglich der Strafverfolgung von nachträglich als volljährig eingestuften Flüchtlingen vor? Inwieweit muss der LEB beispielsweise bei den Ermittlungen zuarbeiten ? Dem LEB liegen hierüber keine Erkenntnisse und Informationen vor; im Übrigen siehe Antwort zu 1. b). d) Welche Handlungen löst die Information, dass ein angeblicher unbegleiteter minderjähriger Ausländer (UMA) doch volljährig ist, bei der zuständigen Behörde aus? Drucksache 21/11877 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Siehe Antwort zu 1. b). e) Welche Informationen liegen der zuständigen Behörde bezüglich der Strafverfolgung von nachträglich als volljährig eingestuften Flüchtlingen vor? Inwieweit müssen welche Stellen der zuständigen Behörde beispielsweise bei den Ermittlungen zuarbeiten? Im Vorgangsverwaltungs- und Vorgangsbearbeitungssystem MESTA der Staatsanwaltschaft Hamburg wird der Umstand, ob ein Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit der Angabe unzutreffender Personaldaten geführt wird, nicht gesondert erfasst. Liegen in einem Ermittlungsverfahren Anhaltspunkte für unrichtige Angaben im Asylverfahren vor, sind die bei dem hier in Rede stehenden Personenkreis mit Altersfeststellungen betrauten Behörden, sofern sie nicht bereits Anzeige erstattet und in diesem Zusammenhang entsprechende Dokumente zu den Altersangaben sowie Erkenntnisse zum tatsächlichen Alter übersandt haben, um Auskunft zu ersuchen. Daneben kann bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen das Institut für Rechtsmedizin mit der Erstellung eines Altersbestimmungsgutachtens beauftragt werden . Im Übrigen siehe Antwort zu 1. c) sowie Drs. 21/11631. f) Welche Stelle informiert das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) innerhalb welchen Zeitraums darüber, dass ein Flüchtling sich als UMA ausgegeben hat? Wie oft ist das im Jahr 2016 und 2017 jeweils erfolgt? Bei der Meldung als Asylsuchender werden die Personendaten, die auch das Geburtsdatum enthalten im Ankunftszentrum Rahlstedt in der Personenidentifikationskomponente des Bundes erfasst. Sofern unterschiedliche Angaben gemacht werden, erfolgt die Eintragung unter Aliaspersonalien. Diese Daten werden dann im Ausländerzentralregister hinterlegt, auf das auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Zugriff hat. Eine gesonderte statistische Erfassung dieser Fälle erfolgt im Ankunftszentrum Rahlstedt nicht. g) Welche Auswirkungen hat der Umstand, sich fälschlicherweise als minderjährig ausgegeben zu haben, auf das Asylverfahren? Das nach § 5 Asylgesetz für die Durchführung der Asylverfahren zuständige BAMF hat mitgeteilt, als Bundesbehörde unterliege es nicht der parlamentarischen Kontrolle durch die Hamburgische Bürgerschaft; eine freiwillige Beantwortung sei aufgrund der sehr hohen Arbeitsbelastung im Bundesamt und der sehr kurzen Frist derzeit nicht möglich. h) Welche Strafe erwartet einen falschen UMA, nachdem die Ermittlungen das Vorliegen einer Straftat bestätigt haben? Die Sanktionserwartung hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Auf einen Heranwachsenden wird Jugendstrafrecht angewendet, wenn dieser zur Tatzeit nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand (§ 105 Absatz 1 Nummer 1 Jugendgerichtsgesetz (JGG)) oder es sich um eine Jugendverfehlung handelt (§ 105 Absatz 1 Nummer 2 JGG). Wird Jugendstrafrecht angewendet, ist die Rechtsfolge vorrangig am Erziehungsgedanken auszurichten . Als Rechtsfolgen nennt § 5 JGG die Erziehungsmaßregeln (§§ 9 bis 12 JGG), die Zuchtmittel (§§ 13 bis 16 JGG) und die Jugendstrafe (§§ 17 fortfolgende JGG). §§ 9, 10 JGG sehen für Heranwachsende Weisungen vor, wobei der Weisungskatalog des § 10 JGG nicht abschließend ist. Nach § 13 JGG kommt als Zuchtmittel die Verwarnung , die Erteilung von Auflagen sowie Jugendarrest und nach § 17 JGG die Verhängung von Jugendstrafe in Betracht. Wird kein Jugendstrafrecht angewendet, ist die Strafe dem Strafrahmen der angewendeten Strafnorm zu entnehmen. So sieht etwa § 95 Absatz 1 AufenthG als Rechtsfolge Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe, § 95 Absatz 2 Aufenth G Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vor. 2. Drs. 21/11631 ist zu entnehmen, dass unter den 164 UMA, die sich entfernt haben, 88 Personen aus Marokko stammten. Das heißt, dass sich 75 Prozent aller 119 Marokkanern, die im Jahr 2017 in Hamburg als UMA in Obhut genommen worden sind, ohne Hinweis auf ihren Verbleib Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/11877 3 entfernt haben. Gleichzeitig liegen dem Senat „keine gesicherten Erkenntnisse“ vor, warum Marokkaner nach den Afghanen im Jahr 2017 die größte Gruppe an UMA gestellt haben. Gleichzeitig befanden sich Ende November 2017 acht Marokkaner in Strafhaft und elf in U-Haft in der Justizvollzugsanstalt Hahnöfersand (Drs. 21/11235). Inwieweit befasst sich der Senat speziell mit der Zielgruppe der Marokkaner und welche Maßnahmen werden von welcher Stelle ergriffen beziehungsweise entwickelt? Die Anzahl delinquenter unbegleiteter minderjähriger Ausländer mit marokkanischer Herkunft hat im Vergleich zu den Vorjahren deutlich abgenommen und stellt nur noch eine kleine Teilmenge innerhalb der insgesamt abnehmenden Anzahl delinquenter unbegleiteter minderjähriger Ausländer dar. Aktuell werden gegen delinquente unbegleitete minderjährige Ausländer mit marokkanischer Herkunft im Rahmen des Senatskonzeptes „Handeln gegen Jugendgewalt“ (siehe Drs. 18/7296, 19/8174 und 20/5972) die dort vorgesehenen Maßnahmen getroffen. Derzeit befindet sich eine Person in Untersuchungshaft, für zwei Jugendliche besteht eine auswärtige Zuständigkeit und bei einer weiteren Person ist der aktuelle Aufenthalt unbekannt. 3. Bei 6.221 Asylanträgen, die in Hamburg im Jahr 2017 negativ beschieden wurden beziehungsweise sich anderweitig erledigt haben, gab es nur 1.211 vollzogene Rückführungen. Innerhalb welches Zeitraums müssen Asylbewerber ohne Aufenthaltsstatus die Flüchtlingsunterkünfte verlassen? Welche Maßnahmen ergreifen Betreiber wie f & w fördern und wohnen AöR, wenn die freiwillige Ausreise beziehungsweise der Auszug aus der Unterkunft innerhalb des genannten Zeitraums nicht erfolgt? Eine Leistungsberechtigung besteht nach § 1 Absatz 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) auch für ausreisepflichtige Personen. Dies schließt als Grundleistung nach § 3 AsylbLG eine Unterbringung ein. Im Übrigen wird unter den Voraussetzungen des § 1a AsylblG von den Möglichkeiten einer Anspruchseinschränkung Gebrauch gemacht. 4. Im Jahr 2017 wurde ein UMA abgeschoben. In welches Land erfolgte die Abschiebung? Die Abschiebung erfolgte nach Albanien. 5. Außerdem erhielten im Jahr 2017 vier UMA einen ablehnenden Asylbescheid . Eine unmittelbare Abschiebung nach Eintritt der Volljährigkeit erfolgte im Jahr 2017 nicht. Dürfen die abgelehnten UMA nun trotzdem im Land bleiben? Wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage? Personen, deren Asylantrag bestandskräftig abgelehnt wurde, sind gemäß § 50 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) zur Ausreise verpflichtet, gemäß § 58 Absatz 2 AufenthG werden diese Personen, sowohl minderjährige als auch volljährige, vollziehbar ausreisepflichtig . Vor der Abschiebung unbegleiteter minderjähriger Ausländer ist § 58 Absatz 1a AufenthG zu beachten. Sofern eine Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen vorübergehend nicht durchgeführt werden kann, erhalten die Personen eine Duldung gemäß § 60a Aufenthaltsgesetz. Die Ausreisepflicht wird dadurch nicht berührt (§ 60a Absatz 3 AufenthG). Sobald die Gründe, die zur vorübergehenden Aussetzung der Abschiebung geführt haben, wegfallen, erfolgt die Abschiebung durch die Ausländerbehörde. 6. Die Gesamtschutzquote in Hamburg lag im Jahr 2017 bei 47,9 Prozent. Bezüglich der Gesamtschutzquote der UMA äußert sich der Senat in Drs. 21/11631 allerdings nicht. In Drs. 21/9893 war für den Zeitraum Januar bis Juni 2017 jedoch die Schutzquote für UMA von 83,7 Prozent angegeben. Entspricht dies auch in etwa dem Wert für das gesamte Jahr 2017? Siehe Antwort zu 1. g).