BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/1190 21. Wahlperiode 07.08.15 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Dirk Nockemann, Dr. Joachim Körner und Dr. Ludwig Flocken (AfD) vom 30.07.15 und Antwort des Senats Betr.: Integration von Roma Im Juni 2015 erschien der neue Bericht „Decade of Roma Inclusion: Progress Report“ der UNDP (United Nations Development Programme). Dem Bericht liegt eine Untersuchung über die Situation der Roma-Familien in verschiedenen Ländern Europas sowie über die Probleme ihrer Integration in die jeweiligen Gesellschaften zugrunde. Die Schlussfolgerungen des Berichtes sind Anlass dafür, nach den Maßnahmen und Erfolgen bei der Integration der zugewanderten Roma-Familien in Hamburg in den letzten zehn Jahren zu fragen. Einerseits werden Mitglieder von Roma-Familien noch immer in der Öffentlichkeit als Bettler wahrgenommen, die durch zuweilen hartnäckiges Bedrängen von Passanten Geld fordern. Beim Betteln dieser Art handelt sich um eine selbständige, auf Gewinnerzielung angelegte und dauerhafte Tätigkeit, die einer Gewerbeanmeldung bedarf. Andererseits ist unklar, welchen Aufenthaltsstatus die Angehörigen der Roma haben und welche Hilfe zum Lebensunterhalt beziehungsweise zur Grundsicherung nach SGB II sowie SGB XII die Roma-Familien bekommen. Hilfe zum Lebensunterhalt wäre mit der Tätigkeit des Bettelns nicht vereinbar . In diesem Fall würde eine Mittelbedürftigkeit vorgetäuscht, die so nicht vorliegt. Unklar ist weiterhin, an welchen Maßnahmen zur Eingliederung von Ausländern nach den §§ 43 – 45 Aufenthaltsgesetz die Mitglieder der RomaFamilien teilnehmen. So ist die Teilnahme an Sprachkursen nach § 44a Pflicht, genauso wie die Teilnahme an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung wie Bewerbungstraining und Orientierung am Arbeitsmarkt. Nach dem oben erwähnten Bericht sind Kernmaßnahmen zur Integration von Roma, so die Erfahrung in anderen Ländern, zum Beispiel eine effektive Schul- und Ausbildung der Kinder sowie spezielle Beschäftigungsprogramme für Erwachsene. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Artikel 3 Absatz 3 Grundgesetz, Artikel 21 der EU-Grundrechtscharta sowie das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz garantieren die Gleichbehandlung aller Menschen. Diskriminierungen unter anderem wegen der ethnischen Herkunft sind verboten. Die gesonderte Erfassung einer ethnischen Gruppe wäre eine Form der Diskriminierung und somit ein Verstoß gegen die genannten Vorschriften und die verfassungsmäßig geschützten Grundrechte. Dementsprechend werden bei den in Hamburg Drucksache 21/1190 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 lebenden ausländischen Staatsangehörigen – unter Zugrundelegung der aufenthaltsrechtlichen Vorschriften – die Herkunftsländer erfasst, nicht aber die Zugehörigkeit zu bestimmten Ethnien. Amtliche statistische Daten über Roma werden auch nicht anderweitig erhoben. Der Senat wendet sich ausdrücklich und aktiv gegen die Diskriminierung von Bevölkerungsgruppen (siehe Drs. 20/12555) und fördert die gleichberechtigte Teilhabe, Vielfalt , Toleranz und Zusammenhalt. Er tritt daher entschieden gegen die Diskriminierung von Roma ein. Daher fördert er die Prävention und Bekämpfung von Antiziganismus und anderen menschenverachtenden Einstellungen auf der Grundlage des Landesprogramms gegen Rechtsextremismus (siehe Drs. 20/9849). Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1) Wie viele den Roma zuzurechnenden Personen sind derzeit in Hamburg erfasst? Bitte unterscheiden in Erwachsene und in Kinder. 2) Welchen Aufenthaltsstatus besitzen die zugewanderten Roma-Familien? Siehe Vorbemerkung. 3) Unterliegt Betteln als dauerhafte, selbständige und gewinnerzielende Tätigkeit der Hamburger Gewerbeordnung? Wenn ja, besitzen die Mitglieder der Roma-Familien einen Gewerbeschein ? Sind sie sozialversicherungspflichtig erfasst? Nein. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 4) Erhalten Erwachsene und Kinder der Familien Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach SGB II und SGB XII? Bitte auflisten nach Leistungen für die Erwachsenen und die der Kinder. Anspruchsvoraussetzungen und Ausschlusskriterien für den Bezug von Leistungen nach SGB II und SGB XII richten sich nicht nach der Zugehörigkeit zu ethnischen Gruppen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 5) Sind Mitglieder der Roma-Familien erkennungsdienstlich erfasst? Die Polizei ordnet erkennungsdienstliche Behandlungen (ED-Behandlungen) im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und zur Gefahrenabwehr an. Im Rahmen dieser Maßnahme wird unter anderem die Nationalität erfasst. Die Feststellung der ethnischen Zugehörigkeit ist nicht Bestandteil der ED-Behandlung. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 6) Werden die Einnahmen aus der Tätigkeit des Bettelns im gegebenen Falle auf die Leistungen zum Lebensunterhalt angerechnet? 7) Welche Nachweise müssen die Betroffenen über ihre Einnahmen aus dem Betteln vorlegen? Wenn sie keine Nachweise geben, wie werden die Einnahmen errechnet? (Bei Trinkgeldern für Friseure und Kellner wird nach Schätzungen verfahren.) Zum anrechenbaren Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert, sodass auch Einnahmen aus der Tätigkeit des Bettelns grundsätzlich anzurechnen wären. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 8) Nehmen Mitglieder der Roma-Familien regelmäßig an Integrationssprachkursen teil? Wenn nicht, welche Sanktionsmaßnahmen werden eingesetzt? 9) Welche Sprachniveaus erreichen die Betroffenen im Durchschnitt nach sechs – zwölf Monaten Deutschunterricht? A2? B1?B2? Siehe Vorbemerkung. 10) Sind die Kinder schulpflichtig? Welche Art Schulen besuchen sie? Wird in Hamburg die Einhaltung der Schulpflicht von Angehörigen der Roma zwangsweise durchgesetzt? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/1190 3 Ja. Jeder junge Mensch hat das Recht auf eine seinen Fähigkeiten und Neigungen entsprechende Bildung und Erziehung. Dies gilt ungeachtet seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen oder einer Behinderung, siehe § 1 Hamburgisches Schulgesetz (HmbSG). Gemäß §§ 37 fortfolgende HmbSG besteht die Schulpflicht für Kinder ab dem sechsten Lebensjahr und für Jugendliche, wenn sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Hamburg haben. Auch die Durchsetzung der Schulpflicht erfolgt unabhängig von Abstammung, Rasse, Sprache, Heimat und Herkunft und Glauben des Kindes beziehungsweise des Jugendlichen. Die Kinder und Jugendlichen besuchen die Schulen, die entsprechend ihres Alters und ihrer schulischen Vorbildung für sie geeignet sind. Neu zugewanderte Kinder und Jugendliche besuchen entsprechend ihres Alters und ihrer schulischen Vorbildung im Herkunftsland gegebenenfalls zunächst eine Internationale Vorbereitungsklasse (IVK), eine Basisklasse oder eine Berufsvorbereitungsschule. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 11) Welche speziellen Programme gibt es für die Erwachsenen zur beruflichen Eingliederung nach § 45 SGB III? Gibt es Eignungsprüfungen? Gibt es Praktika? 12) Wird regelmäßig der Fortschritt von Integrationsmaßnahmen, zum Beispiel schulische Leistungen, Sprachniveau, Ausbildung, Qualifikation, Bewerbungsaktivitäten, Arbeitsaufnahmen, geprüft? Siehe Vorbemerkung.