BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/11908 21. Wahlperiode 13.02.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Nebahat Güçlü (fraktionslos) vom 06.02.18 und Antwort des Senats Betr.: Schutz geflüchteter Frauen, Kinder & LSBTI Am vergangenen Freitag sind der Öffentlichkeit die wesentlichen Ergebnisse der Polizeilichen Kriminalstatistik 2017 für Hamburg präsentiert worden. Erstmals soll auch eine differenzierte Erfassung zum Aufenthaltsstatus erfolgt sein, womit valide Angaben zur Opferwerdung geflüchteter Frauen und Kinder möglich werden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat hat in den letzten drei Jahren bereits mehrfach zur Gewalt an geflüchteten Frauen, Kindern und LSBTI*, zu konkreten Maßnahmen zum verbesserten Schutz dieser Personengruppen, wie insbesondere den einrichtungsspezifischen Gewaltschutzkonzepten und deren Mindestanforderungen, sowie zur Vermittlung über das Hilfesystem berichtet (siehe Drs. 21/1570, 21/3204, 21/3542, 21/4174, 21/5359, 21/6163, 21/6548, 21/6891, 21/7485, 21/9660, 21/10457, 21/10582). Der Schutz dieses Personenkreises bleibt weiterhin im Blick aller Beteiligten und wird durch die Etablierung eines Controllings der Schutzkonzepte im Hinblick auf ihre Wirksamkeit flankiert . Sofern sich weitere Optimierungsbedarfe ergeben, werden die bestehenden Schutzkonzepte angepasst. Im Übrigen siehe auch Drs. 21/10281. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1) Welche Erkenntnisse zur Gewalt an geflüchteten Frauen, Kindern und LSBTI hat der Senat in den vergangenen drei Jahren gewinnen können? Die im Rahmen der Umsetzung der Schutzkonzepte etablierten Meldewege und -pflichten gegenüber dem Zentralen Koordinierungsstab Flüchtlinge (ZKF) haben insgesamt zu einem veränderten Meldeverhalten der Betreiber und einer Verringerung der Dunkelziffer geführt. Dies spiegelt sich derzeit in einem gleichbleibenden Meldeaufkommen wider, von dem aber nicht auf höhere Fallzahlen geschlossen werden kann. Vielmehr zeigen die zur Kenntnis gelangten Ereignisse eine deutliche Sensibilisierung aller Beteiligten. Die in 2017 durchgeführten Optimierungen, die Schließung von prekären Standorten sowie der Betrieb spezieller Schutzeinrichtungen (zum Beispiel Kaltenkirchener Straße ) haben insbesondere den Schutz der Frauen und Kinder deutlich verbessert. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 2) Welche Aussagen können in Bezug auf die PKS 2017 zur Opferwerdung geflüchteter Frauen und Kinder getroffen werden? a) Wie viele Vorfälle sind 2017 zur Anzeige gelangt und welche? b) Welche Aussagen zum Anzeigeverhalten können getroffen werden? Drucksache 21/11908 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 c) Wie sind die Vorfälle auf die unterschiedlichen Tatörtlichkeiten (Aufnahmeeinrichtung /Asylbewerberunterkunft/sonstige soziale und karikative Einrichtung) verteilt? In der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) wird bei der Erfassung von Opfern das Merkmal „Asylbewerber/Flüchtling“ erhoben. Eine differenziertere Erfassung, wie zum Beispiel ob es sich hierbei um Erwachsene oder Kinder handelt, erfolgt nicht. Im Jahr 2017 wurden 332 weibliche Opfer von Straftaten mit dem Merkmal „Asylbewerber/ Flüchtling“ in der PKS erfasst. Im Übrigen führt die Polizei keine Statistik im Sinne der Fragestellungen. Für die Beantwortung wäre eine händische Auswertung von mehreren Zehntausend Ermittlungsakten erforderlich. Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. d) Welche Aussagen zur Sicherheit der verschiedenen Einrichtungstypen lassen sich aufgrund der bisherigen Erfahrung treffen? Grundsätzlich gelten in allen Einrichtungen dieselben Anforderungen für die Sicherheit der Bewohnerinnen und Bewohner. Im Rahmen der bestehenden Schutzkonzepte werden geeignete Schutzvorkehrungen getroffen, die sich je nach Beschaffenheit, Struktur und Art der Unterkunft unterscheiden. Flankiert werden diese Maßnahmen in den Hamburger Erstaufnahmeeinrichtungen (EA) durch den Einsatz von Sicherheitsdiensten . 3) Wie stellt der Senat die Wirksamkeit und Funktionalität der verschiedenen Gewaltschutzkonzepte in den Einrichtungen sicher und prüft diese nach? a) Welche Vorgaben für das Controlling existieren? b) Welche Maßnahmen für ein verbessertes Controlling wurden wann beschlossen und aus welchem Grund? Wenn keine getroffen wurden , bitte begründen. c) Welche Qualifikationen haben die für das Controlling verantwortlichen Mitarbeiter? d) Welche Handlungsbefugnisse haben die für das Controlling verantwortlichen Mitarbeiter? Siehe Vorbemerkung. Darüber hinaus liegen keine Erkenntnisse vor. 4) Aus welchen Gründen gibt es keine gesetzlich geregelte Aufsicht für Flüchtlingsunterkünfte? Die Flüchtlingsunterkünfte unterliegen einer Aufsicht auf Grundlage entsprechender Vereinbarungen mit den Betreibern über die Etablierung von einrichtungsspezifischen Schutzkonzepten sowie Standards zur Sicherheit und Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner. Im Übrigen finden die für Gemeinschaftseinrichtungen vorgesehenen gesetzlichen Vorgaben Anwendung. Sie sind von den Betreibern einzuhalten. 5) Welches sind bis dato die am häufigsten getroffenen Maßnahmen zur Anpassung von Gewaltschutzkonzepten, zwecks Optimierung des Schutzes für geflüchtete Frauen und Kinder, in den Hamburger Einrichtungen ? Siehe Vorbemerkung. 6) 2015 hat das Deutsche Institut für Menschenrechte ein Policy Paper zum effektiven Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt – auch in Flüchtlingsunterkünften – herausgebracht, welches dem Senat bekannt ist. Unter anderem geht daraus hervor, dass die Ausländer- und Sozialbehörden eine zentrale Rolle beim Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt einnehmen müssen. Welche Maßnahmen zur Sensibilisierung behördlicher Mitarbeiter hat der Senat seit 2015 ergriffen? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/11908 3 Wenn es Fortbildungen gab, bitte Titel und Dauer der Veranstaltung, sowie Anzahl der Teilnehmer nennen. Sofern möglich, Aussagen zur Teilnahmebereitschaft treffen: Wie viel Prozent der Mitarbeiter aus den jeweiligen Behörden haben entsprechende Sensibilisierungsangebote wahrgenommen? 7) Welche Netzwerkarbeit wurde seit 2015 geleistet? a) Welche Initiative hat der Senat ergriffen, um einen fachlichen Austausch zwischen allen relevanten Akteuren zu gewährleisten beziehungsweise zu fördern? b) Wie viele Austauschgespräche zwischen Beratungsstellen gegen geschlechtsspezifische Gewalt haben seither stattgefunden? c) An wie vielen dieser Gespräche haben sich Vertreter der BASFI und Ausländerbehörde beteiligt? Bei der Verbesserung des Schutzes von Frauen und Mädchen sowie von LSBTI* kommt den Flüchtlingseinrichtungen eine zentrale Rolle zu. Sie standen und stehen daher zunächst im Fokus von Sensibilisierungsmaßnahmen der zuständigen Behörden . Im Rahmen der einrichtungsspezifischen Schutzkonzepte hat daher das Zentrum für Aus- und Fortbildung (ZAF) im Auftrag der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) seit September 2017 eine Fortbildungsreihe zu allen geschlechtsspezifischen Gewaltthemen einschließlich Menschenhandel sowie zum Thema Gewalt gegen LSBTI*-Geflüchtete angeboten. Die Fortbildungsreihe wird in 2018 fortgesetzt. Sie richtet sich an die in den Schutzkonzepten benannten Ansprechpersonen für den Gewaltschutz in den Flüchtlingsunterkünften sowie weitere Fachkräfte , die in diesen Unterkünften arbeiten. Über den fachlichen Austausch im Rahmen einer intensiven Netzwerkarbeit findet zudem eine kontinuierliche interdisziplinäre und interkulturelle Sensibilisierung der Beschäftigten der jeweiligen Behörden statt. So gibt es auf verschiedenen Ebenen eine Vielzahl von Besprechungsformaten der zuständigen Behörden und relevanten Stellen, die auch die Sicherheit in den Einrichtungen und den Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner zum Inhalt haben. Dazu gehören insbesondere der regelmäßige sowie anlassbezogene Austausch mit den Betreiberinnen und Betreibern der Flüchtlingseinrichtungen , dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), der BASFI, dem ZKF, den Bezirksämtern, der Hamburger Ombudsstelle in der Flüchtlingsarbeit, dem Belegungsmanagement von f & w fördern und wohnen AöR (f & w), savîa, ABRIGO, dem Magnus-Hirschfeld-Centrum e.V. (mhc), Intervention e.V., dem LKA, dem Landesamt für Verfassungsschutz Hamburg oder der Diakonie. Über die Anzahl der Gespräche sowie über die Teilnahme behördlicher Vertreterinnen und Vertreter wird keine Statistik geführt. Eine Einzelauswertung aller geführten Gespräche und besuchten Fortbildungsangebote von mehreren Hundert Personen und deren Kalendereinträgen ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 8) Welche Informationen über das Hilfesystem sowie Rechte von Betroffenen hat der Senat bislang veröffentlicht? a) Falls Flyer oder Broschüren existieren, wann sind sie erschienen, unter welchem Titel, in welchen Sprachen? Wo werden sie veröffentlicht beziehungsweise liegen aus und wie wird ihre Verfügbarkeit an den verschiedenen Auslagestandorten sichergestellt? b) Der Senat hatte 2015 angekündigt, den Zugang zu Informationen über bestehende Angebote weiter zu verbessern. Inwiefern ist er dem nachgekommen? Das Einwohner-Zentralamt hat zusammen mit der Landeszentrale für politische Bildung im März 2016 den Flyer „Willkommen in Hamburg“ in den Sprachen Deutsch, Arabisch, Farsi, Englisch und Tigrinya herausgegeben, in dem auch auf die Hotline „Gewalt gegen Frauen“ hingewiesen wird. Der Flyer wird im Ankunftszentrum an alle Neuankömmlinge ausgehändigt und über die Monitore im Wartebereich präsentiert. Er Drucksache 21/11908 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 ist im Internet abrufbar unter http://www.hamburg.de/politische-bildung/5955578/infosfluechtlinge /. Die BASFI hat zur Einrichtung von savîa im Juli/August 2016 den deutschsprachige Flyer „Unterstützung und Beratung bei Gewalt gegen Geflüchtete in Hamburger Flüchtlingseinrichtungen“ sowie mehrsprachige (Englisch, Dari, Arabisch, Tigrinya) Plakate für die Unterkünfte herausgegeben. In Abstimmung mit der BASFI existieren seit September 2017 zusätzlich Flyer und Plakate von savîa, die sich direkt an Betroffenen wenden. Diese Plakate und Flyer enthalten Informationen auf Deutsch, Englisch, Arabisch, Dari und Serbokroatisch. Die Verteilung der Materialien an die Erstaufnahmen erfolgt zentral und flächendeckend. Die Folgeunterkünfte werden von den Beraterinnen bei der aufsuchenden Beratung bedarfsgerecht versorgt. Darüber hinaus gibt die BASFI die mehrsprachige Broschüre „Beratung und Unterstützung für Familien“ in acht Sprachen (Deutsch, Englisch, Französisch, Türkisch, Russisch, Polnisch, Farsi/Dari, Arabisch) heraus (Stand Juli 2017) Die Broschüre liegt in den Bezirken aus und ist im Internet abrufbar: http://www.hamburg.de/contentblob/3055314/430e9714ba8c025ba877aa2ae9bf720c/ data/beratung-familien-mehrsprachig.pdf. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 9) Die Verbesserung des Schutzes von geflüchteten Frauen, Kindern und LSBTI soll bei der Fortschreibung des Konzepts zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen, Menschenhandel und Gewalt in der Pflege besondere Berücksichtigung finden. Wann ist mit der Veröffentlichung des fortgeschriebenen Konzepts zu rechnen? Welche konkreten Maßnahmen zur weiteren Verbesserung des Schutzes geflüchteter Frauen, Kinder und LSBTI sind derzeit geplant beziehungsweise welche Überlegungen gibt es hierzu? Die Planungen sind noch nicht abgeschlossen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.