BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/11913 21. Wahlperiode 13.02.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Norbert Hackbusch (DIE LINKE) vom 06.02.18 und Antwort des Senats Betr.: Hamburgs freie darstellende Künste sind unterfinanziert – Die Projekt- Jury schlägt erneut Alarm Erneut konnten weniger Projekte der freien Tanz und Theaterszene in Hamburg gefördert werden als im Vorjahr, und das bei steigender Qualität und Produktivität der Hamburger Szene. Und erneut weist die zuständige Fachjury, von der die Behörde für Kultur und Medien bei der Förderung der freien Tanz- und Theaterszene für die Spielzeit 2018/2019 beraten wird, mit Nachdruck darauf hin, dass „die förderungswürdigen Anträge bei weitem das zur Verfügung stehende Budget (übersteigen)“ und „es dringend einer Aufstockung der Förderungsgesamtsumme “ bedarf, „um das Bestehende nicht weiter einzuschränken und im nationalen wie internationalen Vergleich nicht noch weiter zurückzufallen.“ (http://www.hamburg.de/contentblob/10398392/8d247f68356cef6126b4dbad ec7d6b02/data/jury-kommentar-2018-19.pdf.) Ein weiterer Aspekt, auf den die wiederholt Jurymitglieder hinweisen, sind die prekären Arbeitsbedingungen beziehungsweise der Aspekt der notwendigen Honoraruntergrenzen. „Die Jury orientiert sich weiterhin an der vom Dachverband für die freien darstellenden Künste ausgesprochenen Empfehlung für eine Honoraruntergrenze für freischaffende Künstlerinnen und Künstler. Diese ist in Angleichung der Inflation letztes Jahr angehoben worden, während die zur Verfügung stehende Gesamtfördersumme stagniert. Auffällig ist, dass viele Künstler*innen zwar realistische Honorare veranschlagen, ihre künstlerischen Budgets aber sehr niedrig ansetzen, um nicht wegen zu hoher Ansprüche zurückgestellt zu werden.“ „Aus Sicht der Jury ist mit der vorliegenden finanziellen Ausstattung keine Aufrechterhaltung von Produktivität und Vielfalt der Hamburger freien Szene möglich. (…) Eine entsprechende Weiterentwicklung der 2011 erstellten Potenzialanalyse für die freie Szene Hamburg steht nach wie vor aus.“ Auch „eine Weiterentwicklung der Förderinstrumente im Sinne der 2011 erstellten Potenzialanalyse für die freie Szene Hamburg“ mahnte die Jury bereits im Vorjahr an und empfahl beispielhaft: „Unabhängige Töpfe für Basisförderungen zum Strukturaufbau und für bereits etablierte Künstler *innen, Recherchestipendien für etablierte Künstler*innen ebenso wie für Künstler*innen, die ganz am Anfang ihrer Karriere stehen.“ (http://suche.transparenz.hamburg.de/dataset/freie-darstellende-kuenstefoerderungen -spz-17-18-mit-jurykommentar1.) Drucksache 21/11913 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Und schon im vergangenen Jahr schloss der Jurykommentar mit den Worten: „Wenn Hamburg als Kulturstadt mitmischen will national und international, müssen die Mittel aufgestockt werden.“ Ich frage den Senat: (Bitte die Fragen einzeln beantworten und nicht en bloc.) Die zuständige Behörde evaluiert stetig die eigene Förderstruktur. Ihre Ziele sind die Nachwuchs- und Exzellenzförderung, die Förderung strukturgebender und künstlerischer Projekte sowie das Setzen lokaler, nationaler und internationaler Schwerpunkte. Die zuständige Behörde bedient sich bei der Auswahl der zu fördernden Projekte und Konzeptionen der Fachkompetenz einer Jury. Die insgesamt neun Jurorinnen und Juroren haben die Aufgabe, Förderempfehlungen im Rahmen der zur Verfügung stehenden Mittel auszusprechen. Die Ausführungen der Jury fließen in die internen Überlegungen ein. Mit Blick auf Antragslage und Mittelverfügbarkeit ist es unvermeidbar, dass einige von den Jurorinnen und Juroren als förderfähig angesehene Projekte nicht gefördert werden können. Neben den Projektfördermitteln, die per Juryempfehlung an die lokale Hamburger Szene vergeben werden, fördert die zuständige Behörde zusätzlich diverse dauerhafte Maßnahmen, wie beispielsweise die Tanzprobenraumförderung, die Auftrittsförderung der Kindertheatervereine Kindertheaterszene Hamburg e.V. (KITSZ) und Arbeitskreis Hamburger Puppen- und Figurentheater e.V. (AHAP) sowie das Kindertheatertreffen . Zudem ist die zuständige Behörde bestrebt, weitere Fördergelder für die Szene bereitzustellen. So erhält zum Beispiel „Hauptsache Frei“ 2018 zusätzliche Mittel zur Ausrichtung des Festivals der darstellenden Künste Hamburgs. Die Förderung der Geschäftsstelle des Dachverbands freie darstellende Künste Hamburg e.V. (DfdK; siehe Antwort zu 9. und 10.) sowie der Betrieb der Probebühne Gängeviertel e.V. werden 2018 fortgeschrieben. Außerdem wurden die Förderansätze erhöht, um die Wirkungen der Honoraruntergrenze zumindest teilweise auszugleichen. Darüber hinaus werden jährlich bundesweite Netzwerke unterstützt, die auch den Hamburger Künstlerinnen und Künstlern zugutekommen, wie das NPN (Nationales Performance Netz), die Stiftung Tanz Transition und das Internationale Forum des Theatertreffens. Die zuständige Behörde unterstützt Anträge auf Bundesfinanzierung mit Kofinanzierungen (jüngst haben zwei Hamburger Projekte eine dreijährige Bundesförderung zur Stärkung und Profilierung der Kunstform Tanz erhalten) und fördert Grundlagen, wie zum Beispiel die Entwicklung eines Archivs des Freien Theaters. Die zuständige Behörde arbeitet an der kontinuierlichen Entwicklung der Förderung der freien darstellenden Künste, knüpft Kooperationen und befindet sich im bundesweiten thematischen Austausch. Die Überlegungen zum Umgang mit gegebenenfalls weiteren bestehenden Förderbedarfen auch im Lichte der Potenzialanalyse sind Gegenstand der Beratungen für den Doppelhaushalt 2019/2020. Die diesbezüglichen Überlegungen sind noch nicht abgeschlossen . Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie bewertet der Senat die Aussagen der Jury? 2. Wie gedenkt der Senat auf die Anregungen der Jury einzugehen? Siehe Vorbemerkung. 3. Wie bewertet der Senat vor dem Hintergrund eines erneuten Rückganges der geförderten Projekte und der Hinweise durch die Jury die Höhe der aktuellen Förderung? Die zuständige Behörde unterstützt die Empfehlung zur Anwendung der Honoraruntergrenze auf die Projektbudgets. Die dadurch ansteigenden Antragssummen verrin- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/11913 3 gern bei gleichbleibender Fördersumme die Gesamtanzahl der Förderungen. Der Herausforderung „Honoraruntergrenze“ konnte in den Jahren 2017 und 2018 mit zusätzlichen Mitteln begegnet werden. Auch dieser Aspekt wird in die Betrachtungen der bestehenden Förderstruktur integriert. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 4. Im Rahmen der Verabschiedung des Haushalts für die Jahre 2017/2018 wurde beschlossen, in den Jahren 2017 und 2018 jeweils 100.000 Euro zusätzlich für die freie Tanz- und Theaterszene bereitzustellen (Drs. 21/6990 „Theatermetropole Hamburg – Weitere Schritte zur Stärkung der freien Theater- und Tanzszene“). Inwieweit ist eine Verstetigung dieses Mittelansatzes vorgesehen? Wenn nein, warum nicht? Siehe Vorbemerkung. Nachdem im Haushalt 2017/2018 für die Förderbereiche Sprech- und Musiktheater /Performance, Tanztheater und Kinder- und Jugendtheater jeweils 20.000 Euro pro Jahr zusätzlich eingestellt wurden, gab der Senat Anfang 2017 an: „Die zusätzlichen Haushaltsmittel werden dazu beitragen, die Anwendung der Honoraruntergrenze und die damit einhergehende höhere Antragssumme aufzufangen, die Entfaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten der Szene zu stärken und die Freien Darstellenden Künste Hamburgs als kreativer, gesellschaftsrelevanter Faktor der Stadt zu unterstützen.“ (Drs. 21/7451.) 5. Wie bewertet der Senat den Umstand, dass es nicht gelungen ist, die „Anwendung der Honoraruntergrenze und die damit einhergehende höhere Antragssumme aufzufangen“ und gleichzeitig die Zahl geförderter Projekte wenn nicht zu erhöhen, so doch mindestens zu halten? Die Analyse der Vergabe-Ergebnisse ist noch nicht abgeschlossen. Im Übrigen siehe Antwort zu 3. und Vorbemerkung. 6. Welche Konsequenzen leiten sich für den Senat aus der negativen Entwicklung der Projektförderungsergebnisse im Bereich freie darstellende Künste hinsichtlich des Haushaltes 2019/2020? Inwiefern und auf welcher Bedarfsanalyse ist hier eine konsequente Erhöhung der Mittelansätze geplant? Wenn nein, warum nicht? 7. Welche der „Förderinstrumente im Sinne der bereits 2011 erstellten Potenzialanalyse für die freie Szene Hamburg“ plant der Senat a) kurzfristig, b) mittelfristig, c) langfristig umzusetzen? 8. Sofern aktuell keine Umsetzung der durch die Potenzialanalyse bereits im Jahr 2011 empfohlenen Förderinstrumente geplant ist: warum nicht? Siehe Vorbemerkung. In der Experten-/-innenanhörung im Kulturausschuss am 22.11.2016 wurde mitgeteilt, dass der Dachverband der freien darstellenden Künste e.V. (DfdK) ohne ausreichende Förderung seine Aufgaben in den Bereichen Beratung, Pflege und Betreuung der Website (einschließlich der Entwicklung einer Probenraumplattform ) sowie als Kontakt- und Anlaufstelle für Behörden und die Kreativgesellschaft nicht mehr länger durchführen kann. Trotz dieser nachdrücklichen Bedarfsbeschreibung stellte der Senat lediglich 20.000 Euro „zur Unterstützung des Betriebs einschließlich der Bewirtschaftung der Proben- Drucksache 21/11913 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 räume“ in den Haushalt ein, und hoffte, dass dadurch „die Weiterarbeit der DfdK Geschäftsstelle gewährleistet ist und der Proberaum in der Wartenau weiterbetrieben werden kann.“ 9. Inwieweit konnte durch die zusätzlich eingestellten Mittel „die Weiterarbeit der DfdK Geschäftsstelle gewährleistet“ werden? 10. Inwieweit konnte durch die zusätzlich eingestellten Mittel für „die Weiterarbeit der DfdK Geschäftsstelle Planungssicherheit hergestellt“ werden? Die Weiterarbeit der DfdK Geschäftsstelle mit den bestehenden Aufgaben konnte durch zusätzliche Mittel gewährleistet werden. Die Förderung konnte seit 2013 insgesamt fünfmal in selber Höhe an den DfdK vergeben werden, zuzüglich einmaliger Mittel zur Einrichtung des Proberaums in der Wartenau. Im Übrigen siehe Vorbemerkung . 11. Inwieweit konnte durch die zusätzlich eingestellten Mittel der Weiterbetrieb des Proberaums in der Wartenau sichergestellt werden? 12. Inwieweit ist der Weiterbetrieb des Proberaums in der Wartenau auch künftig gesichert? Der Weiterbetrieb des Proberaums in der Wartenau konnte durch die zusätzlichen Mittel gewährleistet werden. Die zuständige Behörde strebt einen Weiterbetrieb auch über 2018 hinaus an. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. Im aktuellen Kommentar äußert sich die „Teiljury Kinder-/Jugendtheater wie folgt: „(...) Es zeigen sich in den vorliegenden Konzepten auch vermehrt Schnittstellen zu Schulen, Institutionen der politischen Bildung und der Freizeitkultur . Das belegt einen lebendigen Kontakt der Künstler zu ihren zukünftigen Zuschauern, den Kindern und Jugendlichen, die „ihr“ Theater vermehrt mit erfinden und mit erdenken. Die Jury konnte mit ihren Förderentscheidungen ein gewisses Spektrum an ästhetischen und thematischen Positionen abbilden, doch ist das Volumen der Förderung bei weitem nicht ausreichend, um die professionelle Kinderund Jugendtheaterszene Hamburgs bei ihren kulturpolitisch bedeutenden Entwicklungsschritten angemessen zu begleiten. Zahlreiche künstlerische Ressourcen bleiben ungenutzt, die Angebote einer anspruchsvollen Freien Theaterkultur für ein junges Publikum in der Theaterstadt Hamburg fallen im Vergleich zu etlichen anderen Bundesländern qualitativ wie quantitativ weiter zurück.“ 13. Teilt der Senat die Einschätzung, dass „die Angebote einer anspruchsvollen Freien Theaterkultur für ein junges Publikum in der Theaterstadt Hamburg (…) im Vergleich zu etlichen anderen Bundesländern qualitativ wie quantitativ weiter zurück(fallen)“? a) Wenn nein, warum nicht und wie lautet entsprechend die dezidierte Einschätzung des Senats zu den Bedarfen und zum Zustand der Kinder- und Jugendtheaterszene in Hamburg? Die Akteurinnen und Akteure der Kinder- und Jugendtheaterszene Hamburgs sind – auch im Vergleich zu anderen Bundesländern – engagiert, hochprofessionalisiert und arbeiten in verschiedensten Kontexten erfolgreich und künstlerisch hochwertig. Dementsprechend ist die Kinder- und Jugendtheatergruppe kirschkern & COMPES als erste Preisträgerin mit dem neu geschaffenen Barbara Kisseler Theaterpreis ausgezeichnet worden. Rund um die freie Szene gruppieren sich erfolgreich preisgekrönte Häuser wie das Fundus Theater, Spartenhäuser wie das Hamburger Puppentheater und diverse Bühnen. Die Hamburger Szene ist in den Vereinen KITSZ und AHAP organisiert (siehe Vorbemerkung) sowie Mitglied des DfdK. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/11913 5 b) Wenn ja, wie und mit welchen Instrumenten gedenkt der Senat einem weiteren Abbau des qualitativen und quantitativen Angebots des Kinder- und Jugendtheaters in Hamburg entgegenzuwirken? Entfällt. 14. Inwieweit ist vonseiten des Senats eine Erhöhung der Fördermittel für die professionelle Kinder-und Jugendtheaterszene Hamburgs vorgesehen ? Siehe Vorbemerkung. 15. Inwiefern ist vonseiten des Senats geplant, eine verbesserte Verknüpfung zwischen Schulen und freier Kindertheaterszene zu befördern? Eine verbesserte Verknüpfung zwischen Schulen und der freien Kindertheaterszene wird durch die 2017 überarbeitete Website „Netzwerk Kulturelle Bildung“ (siehe https://www.kulturnetz-hamburg.de/) gefördert. Das Webangebot ermöglicht es Schulen und freien Kindertheatern, ihre Kulturprofile und Kooperationsabsichten darzustellen und erleichtert beidseitig die Kontaktaufnahme. Im November 2017 wurde auf Kampnagel erstmalig ein sogenannter Kulturgipfel mit dem Ziel der Vernetzung von Schule und Kultur durchgeführt, an dem neben Schulen auch Vertreter der freien Kindertheater teilgenommen haben. Es ist geplant, das erfolgreiche Veranstaltungsformat fortzusetzen. Daneben kooperieren freie Kindertheater mit Schulen regelhaft in etablierten Kooperationsprojekten und -programmen wie zum Beispiel TUSCH (Theater und Schule) Hamburg, Kulturschule Hamburg 2011 bis 2018 und Kulturagenten für kreative Schulen . 16. Inwiefern ist vonseiten des Senats die Finanzierung einer Geschäftsstelle zur Professionalisierung und Koordination der Belange des Kinderund Jugendtheaters vorgesehen? Die Überlegungen zum Ausbau der Strukturförderung sind noch nicht abgeschlossen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 17. Inwieweit ist dem Senat bekannt, dass dem freien Sprechtheater für Kinder und Jugendliche in Hamburg akut Proben- und Lagerräume fehlen? Wenn ja, was gedenkt der Senat zu unternehmen, um dieser Problematik zu begegnen? Der Umstand ist der zuständigen Behörde bekannt. Eine wichtige Hilfestellung ist die bessere Verfügbarkeit der vorhandenen Angebote. Die Hamburg Kreativ Gesellschaft mbH führt seit Januar 2011 eine Immobiliendatenbank für die Kreativwirtschaft, die in Kooperation mit dem AfdK (Ateliers für die Kunst e.V.) entwickelt wurde. Das Datenbank -gestützte Online-Tool dient zum Suchen und Bieten von Immobilienobjekten im Hamburger Raum. Alle Akteure aus der Kreativwirtschaft haben die Möglichkeit, innerhalb sechs verschiedener Nutzungskategorien nach Büro, Atelier, Lagerfläche, Ausstellungsraum, Wohnfläche und Probenraum zu suchen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung .