BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/11940 21. Wahlperiode 16.02.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 08.02.18 und Antwort des Senats Betr.: Datenspeicherung des Landesamtes für Verfassungsschutz Hamburg über einen Hamburger Journalisten Anfang 2015 stellte ein Journalist, der für das „Freie Sender Kombinat“ (FSK) tätig ist, über seinen Anwalt eine Anfrage auf Auskunft über die beim Landesamt für Verfassungsschutz Hamburg (LfV) über ihn gespeicherten personenbezogenen Daten. Im Mai 2017 erhielt er schließlich eine Auskunft über die über ihn gespeicherten Daten beim LfV. Ausweislich dieser Auskunft hat das LfV nicht nur seine persönlichen Daten gespeichert, sondern auch zahlreiche Ereignisse, an denen der Journalist teilgenommen hat. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Anknüpfungspunkt der Fragen ist ein Auskunftsersuchen nach § 23 Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz (HmbVerfSchG), welches vom Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Hamburg gegenüber dem Auskunftssuchenden beantwortet wurde. Da Auskunftsersuchen die Speicherung personenbezogener Daten betreffen, werden solche Ersuchen aus datenschutzrechtlichen Gründen vom LfV Hamburg nur dem Betroffenen selbst unter den Voraussetzungen des § 23 HmbVerfSchG auf Antrag beantwortet. Der Senat weist daher darauf hin, dass auch bei der Beantwortung der Schriftlichen Kleinen Anfrage der Schutz der personenbezogenen Daten des Betroffenen insbesondere unter den Vorgaben des HmbVerfSchG, des Hamburgischen Datenschutzgesetzes (HmbDSG) sowie der Datenschutzordnung der Hamburgischen Bürgerschaft gewährleistet bleiben muss. Aufgrund des Antrages des Betroffenen auf Auskunft stehen überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen nach § 13 Satz 1 Nummer 8 HmbDSG einer Beantwortung der nachfolgenden Fragen weitestgehend entgegen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. In der Auskunft an Werner P. werden 16 Einträge aufgeführt, die das LfV zur Bewertung veranlasst hat, dass er „zumindest seit dem Jahr 2000 an linksextremistischen Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind, teilgenommen oder sie unterstützt hat“. Überwiegend betreffen die Einträge in der Auskunft des LfV die Teilnahme an Veranstaltungen. a. Inwiefern und mit welchem Ergebnis wurde geprüft, ob bei den aufgeführten Einträgen der Beobachtete in Ausübung seiner journalistischen Tätigkeit handelte? b. Unter anderem wird aufgeführt, dass Werner P. 2011 bei einer Veranstaltung zum Widerstand gegen die Einheitsfeierlichkeiten am 03.10.2011 in Bonn anwesend war, um die Veranstaltung für den Drucksache 21/11940 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 FSK aufzuzeichnen. Inwieweit und warum bewerten der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde die Aufzeichnung einer Veranstaltung durch einen Journalisten als Beleg dafür, dass dieser an Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung teilnehme oder sich daran beteilige? c. Die zuständige Behörde gibt in der Auskunft an Werner P. selbst an, dass das „Freie Sender Kombinat“ nicht als linksextremistische Bestrebung beobachtet wird. Aus welchem Grund erfolgt gleichwohl eine Eintragung im unter 1. b. genannten Fall? 2. Unter anderem wird in der Antwort auf das Auskunftsersuchen angeführt , der Journalist habe sich 2000 und 2001 an Protesten gegen eine Demonstration der rechten Szene am 04.06.2000 sowie an der Vorbereitung der „Antifaschistischen Veranstaltungswoche“ im September 2000 in Hamburg beteiligt. Er habe zudem dem „Bündnis gegen Rassismus und Faschismus“ angehört. Aus welchen Gründen beurteilt der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde die Teilnahme an Protesten gegen Nazis und die Vorbereitung antifaschistischer Veranstaltung als extremistisch? Welche Schutz- und Werteentscheidungen des Grundgesetzes , namentlich die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrheitsprinzip sowie die Chancengleichheit für alle politischen Parteien und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition (vergleiche Verfassungsschutzbericht Hamburg 2016, Seite 14), werden durch die oben dargestellten Aktivitäten gefährdet? 3. In der Auskunft wird weiter angegeben, der Beobachtete habe sich 2002 und 2003 an „teils gewalttätig verlaufenden Demonstrationen gegen die Räumung des Bauwagenplatzes Bambule“ teilgenommen. Inwiefern wurde der Journalist bei den genannten Demonstrationen selbst bei Gewalttätigkeiten festgestellt? Wenn nicht, warum wird aus der bloßen Teilnahme einer „teils gewalttätig verlaufenden Versammlung“ ohne eigene Beteiligung an Gewalttätigkeiten auf extremistische Bestrebungen geschlossen? 4. In zwei Fällen wird aufgeführt, der Journalist sei bei Demonstrationen vorläufig in Gewahrsam genommen worden. Ist geprüft worden, ob es aufgrund der Ereignisse, die dem Gewahrsam zugrunde liegen, ein Strafverfahren gegen den Journalisten gab und ist dessen Ausgang registriert worden? Wenn ja, wurde der Journalist im Zusammenhang mit den dort genannten Demonstrationen strafrechtlich belangt? Wenn nein, warum nicht? 5. Bei der überwiegenden Zahl der in der Auskunft genannten Ereignisse handelt es sich um Besuche von öffentlichen Diskussionsveranstaltungen . Inwieweit und anhand welcher Kriterien beurteilt der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde die Teilnahme an Diskussionsveranstaltungen zu linkspolitischen Themen durch einen Journalisten als extremistische Bestrebung? 6. Es wird weiter aufgeführt, der Journalist habe 2007 an einer Informationsveranstaltung über eine anstehende Demonstration am 15.12.2007 teilgenommen, in deren Anschluss es zu Ausschreitungen gekommen sei. Ebenso wird die Teilnahme an einer autonomen Vollversammlung im Jahr 2011 aufgeführt, bei der über eine anstehende Demonstration am 30.05.2011 informiert wurde, in deren Anschluss es ebenfalls zu Ausschreitungen gekommen sei. Inwieweit rechtfertigt eine Teilnahme an einer vorherigen Informationsveranstaltung über eine angemeldete Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/11940 3 Versammlung, in deren Anschluss es zu Ausschreitungen kommt, ohne das die beobachtete Person bei diesen Ausschreitungen registriert wird, dass eben diese Person als extremistisch klassifiziert wird? 7. Trifft es zu, dass die Antwort auf das Auskunftsersuchen zweieinhalb Jahre gedauert hat? Wenn ja, aus welchen Grund? Siehe Vorbemerkung. a. Wie viele Auskunftsersuchen sind in den letzten fünf Jahren jeweils beim LfV Hamburg gestellt worden? Bitte nach Jahren aufschlüsseln . Jahr 2017 2016 2015 2014 2013 Anzahl AE 283 156 148 264 112 b. Wie groß ist durchschnittlich die Zeitspanne zwischen Auskunftsersuchen an und Antworten durch das LfV in den Jahren 2016 und 2017? Die durchschnittliche Zeitspanne der Bearbeitung ist im LfV Hamburg nicht zentral erfasst und musste daher händisch ermittelt werden. Aufgrund der Vielzahl der Ersuchen konnte bezogen auf die noch in der Registratur vorgehaltenen Personenakten zu Auskunftsersuchen in der zur Verfügung stehenden Zeit allein eine Erhebung für das Kalenderjahr 2017 erfolgen. Bezogen auf die bereits abschließend bearbeiteten Auskunftsersuchen , die im Jahr 2017 eingegangen sind, betrug die Bearbeitungszeit durchschnittlich 29 Kalendertage. Im Übrigen hat das LfV Hamburg den Stellenanteil für die Bearbeitung von Auskunftsersuchen im Jahr 2017 erhöht. 8. Wie viele und welche Informationen, die beim LfV über Werner P. gespeichert sind, gehen auf die verdeckten Ermittlerinnen Iris P., Maria B. oder Astrid O. zurück? Bitte nach der jeweiligen verdeckten Ermittlerin aufschlüsseln. 9. Hinsichtlich der verdeckten Ermittlerinnen Iris P., Maria B. und Astrid O. liegen jeweils (rechtskräftige) verwaltungsgerichtliche Anerkenntnisurteile vor, in denen die Rechtswidrigkeit der jeweiligen Einsätze der verdeckten Ermittlerinnen mangels Rechtsgrundlage festgestellt wurde. Wurden Berichte von den verdeckten Ermittlerinnen oder aus diesen Berichten resultierende Informationen als Reaktion auf die verwaltungsgerichtlichen Urteile gelöscht? Wenn ja, wann und wie viele Berichte? Bitte aufschlüsseln nach der jeweiligen verdeckten Ermittlerin. Wenn nein, warum nicht? Alle dem LfV Hamburg vorliegenden Berichte wurden gleich nach Eingang der verwaltungsgerichtlichen Anerkenntnisurteile aus dem regulären Aktenbestand des LfV Hamburg entfernt (somit dem allgemeinen Zugriff entzogen), gespeicherte Daten für eine weitere Verwendung gesperrt und im Rahmen der vorhandenen personellen Ressourcen mit der Löschung gespeicherter Daten und der physischen Vernichtung der Berichte begonnen. Dementsprechend kann eine Zuordnung der Informationen zu der jeweiligen verdeckten Ermittlerin nicht mehr erfolgen. Diese Arbeiten werden zum Ende des 1. Quartals 2018 abgeschlossen sein. Name Iris P Maria B. Astrid O. Berichte 70 58 71