BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/11942 21. Wahlperiode 16.02.18 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Thering (CDU) vom 08.02.18 und Antwort des Senats Betr.: Kann der Senat den Verdacht der massiven Einflussnahme durch den SPD-Fraktionsvorsitzenden in Verwaltungshandeln entkräften? Am 6. November 2017 haben die Bauarbeiten für die Flüchtlingsunterkunft auf dem Gelände an der Eulenkrugstraße in Volksdorf begonnen. Im 3. Quartal 2018 soll laut Drs. 21/10928 die Fertigstellung erfolgen. 260 Flüchtlinge sollen dann in die Unterkünfte in Holzbauweise ziehen, die das städtische Unternehmen f & w fördern und wohnen AöR (f & w) gerade für 5,5 Millionen Euro errichten lässt. Die Kosten für Erd-, Tief- und Landschaftsbau, Elektroarbeiten , Betonarbeiten, Heizung- und Sanitärarbeiten und vieles mehr kommen noch hinzu. Besonders umstritten sind allerdings die Bedingungen, zu denen f & w das Grundstück mietet. Hierzu gab es im April 2017 eine umfangreiche Medienberichterstattung. „Fragwürdige Geschäftspraktiken: Spenden-Schmu um Flüchtlingsheim“, „Wucherpreis für Flüchtlingsunterkunft “ , „Teurer Acker – Flüchtlingsverteilung um jeden Preis“; so die Titel mehrerer Zeitungsartikel. Das „Hamburger Abendblatt“ fragte sogar provokant „Ist SPD-Fraktionschef zu weit gegangen?“ und ging in seinem Bericht der Frage nach, inwieweit hier durch Einmischung vonseiten der Politik ein für die Stadt ungünstiger Mietvertrag abgeschlossen worden sei. Die CDU- Fraktion und die FDP-Fraktion stellten daraufhin einen Antrag auf Akteneinsicht . In der Drs. 21/8728 betonen sie: „Neben der wichtigen Frage, warum die Stadt hier einen wirtschaftlich fragwürdigen Vertrag abgeschlossen hat, bei dem die Miete bereits nach wenigen Jahren ein Mehrfaches des Bodenwertes ausmacht, stellen sich insbesondere Fragen nach dem Ablauf des Verfahrens … Die in der Verfassung verankerte Trennlinie der Gewaltenteilung zwischen gewählten Abgeordneten und einer unparteiischen Verwaltung ist hier nicht mehr erkennbar.“ Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Am 12. Mai 2016 hat die Bezirksversammlung Wandsbek beschlossen, dass die Fläche des Flurstücks 270 in Volksdorf für eine öffentlichrechtliche Unterkunft infrage kommt. Der Zentrale Koordinierungsstab Flüchtlinge (ZKF) nahm daraufhin die Mietvertragsverhandlungen auf. Wurde nie erwogen, das Grundstück zu kaufen, obwohl die mit der Nutzung verbundenen hohen Erschließungs- und Baukosten für f & w und die hohen Mietkosten bereits nach wenigen Jahren Laufzeit einen Kauf als ökonomisch sinnvoll erscheinen lassen? Wenn doch, welche Stelle hat wann diesen Vorschlag gemacht, der dann durch welche Stelle verworfen wurde? Wenn ein Kauf nie erwogen wurde, warum nicht? Das Flurstück 270 wurde der Stadt ausschließlich zur Miete angeboten. Ein Kaufinteresse bestand unter anderem nicht aufgrund erforderlicher umfangreicher Renaturie- Drucksache 21/11942 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 rungsmaßnahmen im Anschluss an die lediglich temporär zugelassene Gemeinbedarfsnutzung des Flurstücks. 2. Warum behandelt der vereinbarte Mietpreis die Fläche so, als wäre sie nach Nutzung als örU als Bauland zugelassen, obwohl sie nach Beschluss der Bezirksversammlung vom Mai 2016 nach Ende der Laufzeit des Mietvertrages renaturiert werden soll? Für die Mietzinsbemessung ist grundsätzlich die jeweils vorgesehene Nutzung maßgeblich , nicht die planerische Ausweisung, siehe Drs. 21/8733 und Drs. 21/9084. Die Renaturierung ist für den Zeitpunkt nach Beendigung des Mietverhältnisses vorgesehen und hat dadurch auf den Mietzins keinen Einfluss. 3. Der ZKF, die Finanzbehörde und ihr Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG) sowie f & w führten laut Drs. 21/8733 zum Teil unabhängig voneinander Wirtschaftlichkeitsberechnungen der verschiedenen Angebote des Verkäufers des Flurstücks 260 durch. Was waren jeweils die Ergebnisse dieser Prüfungen und warum wurden die Verhandlungen trotz dieser Ergebnisse fortgesetzt? Die Entscheidung über die Wirtschaftlichkeit dieser Maßnahme wurde vom Zentralen Koordinierungsstab Flüchtlinge (ZKF) auf Basis einer Wirtschaftlichkeitsberechnung von f & w fördern und wohnen AöR (f&w) getroffen. Andere Dienststellen, wie zum Beispiel der Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundstücksmanagement (LIG) wirkten mit Datenlieferungen und fachlichen Bewertungen an der Gesamtwirtschaftlichkeitsbetrachtung mit. Im Übrigen siehe Drs. 21/8733. 4. Obwohl erst im November 2017 die Bauarbeiten begonnen haben, ist der 15. Oktober 2016 rückwirkend als Vertragsbeginn bestimmt worden. In Drs. 21/8733 erklärt der Senat diesen Umstand damit, dass der Vermieter seinem Pächter bereits zum Sommer 2016 gekündigt habe. Zwar zogen sich die Vertragsverhandlungen über viele Monate hin, trotzdem war absehbar, dass f & w das Grundstück nicht vor dem Jahr 2017 benötigen würde. Wurde diese Information an den Vermieter kommuniziert ? Wenn ja, wann, von wem und warum erfolgte trotzdem ein Entgegenkommen bei der Vereinbarung des Vertragsbeginn? Wenn nein, warum nicht? Vor Baubeginn waren bereits eine Reihe von vorbereitenden Maßnahmen erforderlich gewesen (unter anderem archäologische Untersuchungen, Baumfällungen, Befreiung der Fläche als Landschaftsschutzgebiet), für die das Grundstück bereits in direktem Zugriff des Mieters und frei von anderen Nutzungen sein musste. Diese Maßnahmen und zentrale Planungsschritte konnten teilweise erst nach erfolgreichen Mietvertragsverhandlungen durchgeführt werden und wurden in diesen bereits berücksichtigt. Im Übrigen siehe Drs. 21/8733. 5. In Drs. 21/8733 heißt es, dass der SPD-Fraktionsvorsitzende „an keinen Verhandlungsrunden und Gesprächen zur Anmietung der Fläche“ von ZKF, f & w und dem anwaltlichen Vertreter der Eigentümerseite teilgenommen habe. Heißt das, dass es absolut keine persönlichen Gespräche zwischen dem SPD-Fraktionsvorsitzenden und dem anwaltlichen Vertreter der Eigentümerseite gab? Wenn es diese Treffen doch gab: Wann fanden sie jeweils wo mit welchen weiteren Personen und mit welchen inhaltlichen Kernpunkten statt? Art und Umfang bilateraler Gespräche zwischen dem SPD-Wahlkreisabgeordneten und Eigentümer oder Eigentümervertretern entziehen sich der Kenntnis des Senats, im Übrigen siehe Drs. 21/8733. 6. Auch wird in der Drs. 21/8733 betont, der SPD-Fraktionsvorsitzende hätte „ihm zugegangene Informationen an die Verwaltung, insbesondere den ZKF, weitergeleitet“ und sei „von diesem über den Fortgang der Standortrealisierung auf Nachfrage informiert worden“. Auch habe der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/11942 3 Vertreter des Grundeigentümers Angebote zur Vertragsverhandlung am 28. Juni, 1. Juli und 7. Oktober 2016 an den SPD-Wahlkreisabgeordnete übersandt. a) Wieso erhielt der SPD-Fraktionsvorsitzende Angebote des Anwalts der Eigentümer, obwohl dieser doch Verhandlungen mit dem ZKF und f & w geführt hat? b) Hat der SPD-Fraktionsvorsitzende daraufhin dem Anwalt deutlich gemacht, dass er der falsche Adressat für Angebote ist, die das Verwaltungshandeln der Stadt betreffen? Wenn ja, wann in welcher Art und Weise? Wenn nein, warum nicht? c) Wie haben der ZKF und f & w darauf reagiert, dass nicht sie die Angebote erhalten haben, sondern eine Person, die nicht an den offiziellen Verhandlungsgesprächen beteiligt war? In Zeiten hoher Zugangszahlen mit monatlich bis zu 3.987 unterzubringenden Personen und einem hohen Flächenbedarf haben sich verschiedene Stellen, Institutionen und Privatpersonen mit Vorschlägen zur Unterbringung von Flüchtlingen an den ZKF gewandt. Mit dem Projekt „finding places“ richtete sich die Bitte, Standortvorschläge zu unterbreiten, an alle Bürgerinnen und Bürger der Stadt. Der Anwalt des Eigentümers hat als Vermittler des Standortes den SPD-Wahlkreisabgeordneten hinzugezogen . Der ZKF hat dieses Angebot in gleicher Weise mit seiner Expertise geprüft wie auch viele andere Angebote. Im Übrigen siehe Antwort zu 5. sowie Drs. 21/8733 und Drs. 21/8779. 7. Haben der ZKF, f & w oder die zuständige Senatorin im Laufe der Vertragsverhandlungen aktiv den SPD-Fraktionsvorsitzenden gebeten, sich in die Verhandlungen einzubringen? Wenn ja, wann erfolgte durch wen warum eine entsprechende Aufforderung und inwieweit ist das mit dem Prinzip der Gewaltenteilung vereinbar ? Nein. 8. Welche Hinweise gibt es, dass der SPD-Fraktionschef dem Anwalt der Grundstückseigentümer vertrauliche Informationen hat zukommen lassen , die für diesen nicht bestimmt waren und somit die Verhandlungsposition der Stadt geschwächt haben? Welche Konsequenzen hatte diese Weitergabe für f & w, aber auch für den SPD-Fraktionsvorsitzenden? Keine. 9. Hat der SPD-Fraktionsvorsitzende Druck auf die Behörden ausgeübt, den Mietvertrag schneller zu verhandeln? Wenn ja, wann jeweils mit welchem Argument? 10. Hat der SPD-Fraktionsvorsitzende in diesem Zusammenhang auch den Wunsch geäußert, auf die Erstellung von Gutachten oder anderer Prüfungen zu verzichten, um schneller zu einem Vertragsabschluss zu kommen? Wenn ja, wann und um welche verwaltungsinternen Vorgänge ging es dabei jeweils? 11. Hat der SPD-Fraktionschef gegenüber dem ZKF versucht, einen höheren Mietpreis für die Grundstückseigentümer oder eine Erweiterung der Mietfläche zu erwirken, als diese es selbst gegenüber der Freien und Hansestadt Hamburg getan haben? Wenn ja, wann und mit welchen Argumenten? Drucksache 21/11942 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 12. Hat der SPD-Fraktionschef im Rahmen der Verhandlungen versucht, direkt Einfluss auf die Senatorin zu nehmen? Wenn ja, wann in welcher Form mit welchem Ziel? Der SPD-Wahlkreisabgeordnete war vermittelnd tätig und hat in der Kommunikation dieses Vorschlags darauf verwiesen, dass eine weitere Unterkunft in Volksdorf einen wichtigen Beitrag zur vielfach geforderten gleichmäßigen Verteilung der Flüchtlinge über alle Stadtteile leisten könne. Im Übrigen siehe Drs. 21/8733. 13. Wann hat wer wann aus welchem Grund im Sommer 2016 beschlossen, die Vertragsverhandlungen auszusetzen? Wann hat wer den ZKF darüber informiert? 14. Wann hat wer mit welchem Argument die Vertragsverhandlungen wieder aufgenommen? Wann hat wer den ZKF darüber informiert? 15. Wer hat die ab dann geltenden Eckdaten wann mit wem beschlossen? Wann hat wer den ZKF darüber informiert? Die Mietvertragsverhandlungen wurden im Juli 2016 durch den ZKF vorübergehend unterbrochen, da der Eigentümer in Verkaufsverhandlungen für sämtliche seiner Grundstücke getreten war. Der damals in Rede stehende Käufer hatte jedoch zugesichert , das Grundstück ebenfalls an die Stadt zu vermieten. Die Verkaufsverhandlungen wurden ohne Grundstücksübergang des Flurstücks 270 beendet. Darüber hinaus siehe Drs. 21/10928. Wieder aufgenommen wurden die Verhandlungen mit der Übersendung eines überarbeiteten Mietvertragsangebots vom Grundstückseigentümer an die von f & w beauftragte Rechtanwaltskanzlei am 5. September 2016. Der ZKF wurde durch den Vertreter von f & w am gleichen Tag informiert. Da das Grundstück nach wie vor für die Errichtung einer öffentlich-rechtlichen Unterbringung geeignet und erforderlich war, wurden die Vertragsverhandlungen sodann fortgeführt. Die Mietvertragsverhandlungen zwischen ZKF, f & w und Eigentümer wurden Anfang Dezember abgeschlossen. Der unterschriftsreife Entwurf des Mietvertrages lag am 8. Dezember 2016 vor. 16. Zwar ist der im Transparenzportal eingestellte Mietvertrag für das Flurstück 270 auf den 15. Dezember 2016 datiert, doch laut Drs. 21/11406 handelt es sich hier um ein Büroversehen, da die Unterzeichnung des Mietvertrages durch die Geschäftsführung von f & w erst am 21. Dezember 2016 erfolgte. Wann haben die Vertreter der Grundstückseigentümer den Mietvertrag unterzeichnet? Die Vertreter der Grundstückseigentümer unterzeichneten den Mietvertrag am 21. Dezember 2016. 17. Gemäß Drs. 21/10928 wurde f & w bisher im Jahr keine Änderungen der Rechtsform oder des Mitglieder-/Gesellschafterbestands der Gesellschafter des Vermieters angezeigt. Ist dieser Sachstand noch aktuell? Und ist der Anwalt, mit dem die Stadt die Verhandlungen geführt hat, noch immer Vertreter der Grundstückseigentümer? Wenn nein, wer ist es stattdessen und ist dem Senat der Hintergrund für den Wechsel bekannt und zu wann er erfolgt ist? Weder f & w noch dem ZKF ist ein Wechsel des Vertreters der Grundstückseigentümer angezeigt worden. 18. Ein großes Problem bis einschließlich zum Abschluss des Mietvertrages war, dass nicht bekannt war, wie viele und welche Personen hinter der Ökologischen Wohnungsbau Genossenschaft Hamburg eG stehen, die Miteigentümerin der GbR ist, die wiederum als Eigentümerin im Grundbuch des Flurstücks 270 eingetragen ist. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/11942 5 a) Wieso hat der Senat trotz Verweigerung der eG-Mietglieder, namentlich genannt zu werden, mit diesem unbekannten Partner einen Vertrag abgeschlossen? b) Welche Risiken können sich daraus ergeben, dass dem Senat die Mitglieder der eG nicht bekannt sind? c) Ist dem Senat inzwischen bekannt, wer die Mitglieder der eG sind? Die eG-Mitglieder wurden benannt und waren bei Vertragsabschluss bekannt. Um mögliche Risiken zu minimieren, wurden in den Mietvertrag entsprechende Regelungen aufgenommen. So wurde im Grundbuch des angemieteten Grundstücks eine Mieterdienstbarkeit von f & w eingetragen. Außerdem musste die GbR vor Abschluss des Mietvertrages eine notariell bestätigte Erklärung vorlegen, aus der die Existenz, die Gesellschafter und die Vertretungsverhältnisse der GbR hervorgingen. Schließlich wurde ein Sonderkündigungsrecht zugunsten von f & w vereinbart. Dieses gilt für den Fall, dass eine „nicht akzeptable natürliche oder juristische Person“ unmittelbar oder mittelbar an dem Vermieter oder an einem der Haftungsbeitretenden beteiligt ist, oder sonst auf den Vermieter oder einen der Haftungsbeitretenden maßgeblichen rechtlichen oder wirtschaftlichen Einfluss ausüben kann. Durch diese Regelungen konnten die rechtliche Position von f & w vor Vertragsabschluss deutlich verbessert und eine Absicherung des Nutzungsrechts hergestellt werden. 19. Medienberichten zufolge hat der Anwalt, der die GbR vertreten hat, eine Grundschuld in Höhe von 2,7 Millionen Euro auf verschiedenen Grundstücken der Eigentümer. a) Ist dem Senat bekannt, was der Hintergrund dieser Grundschuld ist? b) War es für den Senat kein Problem, mit einem anwaltlichen Vertreter zu verhandeln, der nachweisbar ein hohes Eigeninteresse am Verhandlungsergebnis hatte? Verhandlungen werden immer mit hoher Sorgfalt und Vorsicht geführt, denn es liegt in der Natur der Sache, dass Eigentümer und deren Vertreter ein hohes Eigeninteresse in Verhandlungen einbringen. Inwiefern der Vertreter, der die GbR vertritt, gegenüber dem Eigentümer verpflichtet ist, ist dem Senat nicht bekannt.